Panzerglas – Wikipedia

Panzerglas an einem Fahrzeug mit einer Beschussprobe
Panzerglasscheibe an einem Auto

Panzerglas ist eine allgemeinsprachliche Bezeichnung für spezielles Verbund-Sicherheitsglas (VSG), das Schlag-, Beschuss- und/oder Sprengauswirkungen standhalten kann.

Bereits im Jahre 1914 diente Panzerglas in mehreren englischen Museen – darunter die Nationalgalerie in London – zum Schutz von Gemälden und anderen Kunstwerken vor der „Zerstörungswut der englischen Suffragetten“:

„Es besteht aus zwei Schichten Glas, zwischen die eine Schicht Zelluloid gelegt ist. Durch ein patentiertes Verfahren werden diese Schichten so aufeinander gepreßt, daß eine einzige Glasscheibe entsteht. Dies kann in jeder beliebigen Stärke hergestellt werden. Für Gemälde wird sie in der bisher üblichen Glasstärke fabriziert, und dieses Panzerglas soll die Beleuchtung des Gemäldes durchaus nicht beeinflussen. Von der Haltbarkeit dieses dreischichtigen Glases mag die Tatsache zeugen, daß eine Winchesterbüchse aus zwei Meter Entfernung gegen das Glas abgefeuert wurde, ohne daß das Geschoß durchzudringen vermochte. Erst beim zwanzigsten Schuß auf die gleiche Stelle schlug das Geschoß durch.“

Bericht in der Reichspost vom 26. April 1914[1]

Anfang der 1930er Jahre war in Deutschland die Neutex-Sicherheitsglas GmbH in Aachen-Forst als alleiniger Hersteller auf die Produktion von schusssicherem Panzerglas (genannt Neutex-Panzerglas)[2] spezialisiert. Im April 1931 wurde dort ein Fall von Industriespionage aufgedeckt: Der Neutex-Mitarbeiter Theodor Pesch wurde verhaftet, weil er „Fabrikationsgeheimnisse über das Herstellungsverfahren des sogenannten Panzerglases an Sowjetrußland verraten und Panzerglas nach dort geschafft haben“ soll.[3] Möglicherweise war dies die Grundlage für die Entwicklung von Triplex in der UdSSR.

Mitte 1931 führte die Deutsche Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen Beschussversuche mit dreischichtigem 20 mm starkem Panzerglas durch, um dessen Attribut „kugelfest“ zu überprüfen. Die mittlere Scheibe blieb bei den verwendeten Kalibern 6,35 mm, 7,65 mm und 9 mm in allen Fällen unbeschädigt. Damals war der Einsatz des Panzerglases für Schalter von Postämtern, Banken usw. sowie für die Verglasung von Autos als „sichere[m] Schutz gegen Geschosse und andere mutwillige Zerstörungsversuche“ vorgesehen.[4][5][6]

Panzerglas-Schaufenster eines Juweliers nach einem Einbruchsversuch

Diese Glasscheiben werden für den Objekt- und Personenschutz eingesetzt, beispielsweise an Bankschaltern, Schaufenstern, zur Panzerung von Sonderschutzfahrzeugen. Dabei sind unterschiedliche Anforderungen zu beachten: Für die Verwendung zum Personenschutz (z. B. Bankschalter) wird vorrangig darauf geachtet, dass das Glas bei Beschädigung zur zu schützenden Person hin nicht oder nur wenig splittert. Beim Objektschutz (z. B. Schaufenster) geht es vorrangig darum, dass das Glas eine Vielzahl von möglichen Angriffen, Einbrüchen (Einschlagen) oder einem Aufprall oder Anschlag an einen anderen Gegenstand möglichst lange übersteht, ohne durch ein Loch den Durchgriff zu erlauben. Das Panzerglas kann dabei bersten, die Sicherheits-Laminierung aber hält die Panzerglas-Scheibe stabil. Zur genauen Beurteilung werden die verschiedenen Gläser in Widerstandsklassen eingeteilt.

Einteilung in Widerstandsklassen

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Durchwurf / Durchbruch

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Zur Prüfung der Durchwurfhemmung nach DIN EN 356 A muss eine 110 cm × 90 cm große Scheibe dem dreimaligen (bei P5A: neunmaligen) Aufprall einer 4,11 kg schweren Stahlkugel mit 10 cm Durchmesser aus verschiedenen Höhen standhalten. Zur Prüfung der Durchbruchhemmung nach DIN EN 356 B wird ermittelt, wie viele Schläge einer maschinell mit 11 m/s geführten, 2 kg schweren Axt erforderlich sind, um in die ebenfalls 110 cm × 90 cm große Prüfscheibe eine 40 cm × 40 cm große Öffnung zu schlagen.[7][8]

DIN EN 356 DIN 52290-3
DIN 52290-4
VdS Eigenschaften
P1A Durchwurfhemmung: 1,5 m Fallhöhe
P2A A1 Durchwurfhemmung: 0,3 m Fallhöhe
P3A A2 Durchwurfhemmung: 0,6 m Fallhöhe
P4A A3 EH01 Durchwurfhemmung: 0,9 m Fallhöhe / Einbruchhemmung gegen körperliche Gewalt
P5A EH02 Durchwurfhemmung: 0,9 m Fallhöhe (9-mal) / Einbruchhemmung gegen einfache Werkzeuge wie z. B. Schraubendreher, Zange und Keile
P6B B1 EH1 Durchbruchhemmung: 30–50 Schläge / Einbruchhemmung gegen Nageleisen oder Verwendung eines zweiten Schraubendrehers
P7B B2 EH2 Durchbruchhemmung: 51–70 Schläge / Einbruchhemmung gegen z. B. Sägen, Hammer, Schlagaxt, Stemmeisen und Meißel, Akku-Bohrmaschine
P8B B3 EH3 Durchbruchhemmung: über 70 Schläge / Einbruchhemmung gegen Elektrowerkzeuge wie z. B. Bohrmaschine, Stich- oder Säbelsäge und Winkelschleifer

Zur Prüfung der Durchschusshemmung nach DIN EN 1063 werden auf drei je 500 mm × 500 mm große Scheiben je drei Schüsse abgegeben, wobei die Auftreffpunkte ein Dreieck von 120 mm Kantenlänge im Zentrum der Scheibe bilden. Die Widerstandsklasse bestimmt sich nach der verwendeten Geschossart und der Schussentfernung (5–10 m).[9][10]

DIN EN 1063 DIN 52290-2 Eigenschaften
BR 1 C1 Durchschusshemmung Kurzwaffe Kaliber .22 lr
BR 2 C 1 Durchschusshemmung Kurzwaffe Kaliber 9 mm Parabellum
BR 3 C2 Durchschusshemmung Kurzwaffe Kaliber .357 Magnum
BR 4 C3 Durchschusshemmung Kurzwaffe Kaliber .44 Remington Magnum
BR 5 Durchschusshemmung Langwaffe (Büchse) Kaliber 5,56 × 45
BR 6 C4 Durchschusshemmung Langwaffe (Büchse) Kaliber 7,62 × 51 Weichkern
BR 7 Durchschusshemmung Langwaffe (Büchse) Kaliber 7,62 × 51 Hartkern
C5 Durchschusshemmung
SG 1 Durchschusshemmung Langwaffe (Flinte) Kaliber 12/70 (1 Schuss)
SG 2 Durchschusshemmung Langwaffe (Flinte) Kaliber 12/70 (3 Schuss)
B2/C2-SA Durchschusshemmung

Zur Prüfung der Sprengwirkungshemmung nach DIN EN 13541 wird über mindestens 20 ms ein senkrecht auf die 110 cm × 90 cm große Scheibe auftreffender Druckstoß erzeugt, der die Explosion von 100 bis 2500 kg TNT in einer Entfernung von 35 bis 50 m simuliert.[11]

DIN EN 13541 DIN 52290-5 Eigenschaften
ER1 Sprengwirkungshemmend, Maximaldruck 050–100 kPa
ER2 D1 Sprengwirkungshemmend, Maximaldruck 100–150 kPa
ER3 D2 Sprengwirkungshemmend, Maximaldruck 150–200 kPa
ER4 D3 Sprengwirkungshemmend, Maximaldruck 200–350 kPa
Commons: Panzerglas – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Panzerglas – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Panzerglas. In: Reichspost, 26. April 1914, S. 46 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rpt
  2. Ein Glas, das bruchsicher und schußfest ist. In: Illustrierte Technik für jedermann / Illustrierte Technik für jedermann, vereinigt mit „Das Industrieblatt“ und „Illustrierte Motor-Zeitung“ Stuttgart. Die grosse Illustrierte der deutschen Arbeit, Technik und Intelligenz / Illustrierte Technik, vereinigt mit „Das Industrieblatt“ und „Technik voran!“ Stuttgart(-)Berlin. Die grosse Illustrierte der deutschen Arbeit, Technik und Intelligenz / Illustrierte Technik. Aktuelle Wochenschrift für Technik, Wirtschaft und Betrieb. Vereinigt mit: „Industrieblatt“ und „Illustrierte Motorzeitung“, Heft 23/1933, S. 782 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/itj
  3. Die Herstellung von schußsicherem Glas verraten. In: Pilsner Tagblatt / Pilsner Tagblatt. Westböhmische Tageszeitung / Westböhmische Tageszeitung / Westböhmische Tageszeitung. Pilsner Tagblatt, 24. April 1931, S. 1 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pit
  4. Kugelfestes Panzerglas. In: Tages-Post, 15. Juli 1931, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tpt
  5. Schußfestes Panzerglas. In: Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung im Viertel unter dem Manhartsberge / Volksbote. Sozialdemokratisches Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg / Volksbote. Sozialdemokratische Wochenzeitung für den Wahlkreis Marchfeld, 9. Jänner 1932, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/vbt (Mit Foto einer beschossenen Panzerglasplatte.)
  6. Schußfestes Glas. In: Der Kuckuck, 13. November 1932, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/kck (Mit Foto eines Beschussversuchs.)
  7. Darstellung einer Axtmaschine und ihrer Wirkung (PDF; 120 kB)
  8. Durchwurfhemmende und durchbruchhemmende Verglasung
  9. Widerstandsklassen und Beschussklassen
  10. Prüfverfahren und Widerstandsklassen Durchschusshemmung (PDF; 353 kB)
  11. Prüfmethoden zur Sprengwirkungshemmung (PDF; 539 kB)