Papyrus Moskau 4676 – Wikipedia
Der Papyrus Moskau 4676 (auch Moskauer Papyrus oder Mathematischer Papyrus Moskau) ist ein altägyptischer Papyrus mit mathematischem Inhalt, der eine Sammlung von insgesamt 25 Rechenaufgaben enthält. Er ist 5,44 m lang und nur 8 cm breit, wird etwa auf das Jahr 1850 v. Chr. datiert und ist neben dem Papyrus Rhind eine der wichtigsten historischen Quellen für die antike ägyptische Mathematik. Er ist von den nunmehr in Moskau befindlichen Papyri der bekannteste und bekam daher diese Bezeichnung.
Entdeckungsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dieser Papyrus wurde 1893 von dem Ägyptologen Wladimir Semjonowitsch Golenischtschew in Ägypten angekauft und stammt ursprünglich aus Dra Abu el-Naga bei Theben.[1] Der russische Ägyptologe unternahm insgesamt 60 Ägyptenreisen, auf denen er selbst keine eigenen Grabungen durchführte, und verkaufte im Jahre 1911 seine gesammelten Antiquitäten einschließlich des Papyrus Moskau dem Puschkin-Museum für bildende Künste in Moskau, wo es sich noch heute mit der Inventarnummer 4676 befindet.[2]
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Papyrus ist in hieratischer Schrift niedergeschrieben, deren Übersetzung 1930 von Wassili Wassiljewitsch Struwe und Boris Alexandrowitsch Turajew veröffentlicht wurde.[3]
Der Papyrus enthält 25 mathematische Aufgaben, die nicht so systematisch angeordnet sind, wie beispielsweise im Papyrus Rhind. Deshalb sieht Gabriele Höber-Kamel den Papyrus Moskau als eine Art „Prüfungsarbeit“ und untermauert diese Hypothese einerseits mit der – im Vergleich zu anderen mathematischen Papyri – relativ geringen Aufgabenanzahl und andererseits durch die vorhandene Zusatzbemerkung hinter den Aufgaben, die übersetzt in etwa lautet: „Du hast richtig herausgefunden.“[4]
Die Rechenaufgaben umfassen zumeist Probleme mit einer Unbekannten, die sogenannte Hau-Rechnung.
Die ägyptischen Hieroglyphen
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Aufgabe 6
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgabe 6 stellt die Frage nach den Seiten eines Rechtecks mit gegebener Fläche (12) und gegebenem Seitenverhältnis (3 zu 4). Die Lösung benötigt die Bestimmung einer ganzzahligen Quadratwurzel.[7]
Aufgabe 10
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diese Aufgabe behandelt die Berechnung einer Korboberfläche. Aufgrund von Lücken im Text und der Mehrdeutigkeit des Symbols für „Korb“ ist die exakte Deutung jedoch umstritten. In der Fachliteratur finden sich unter anderem Deutungen als Oberfläche einer Halbkugel, eines Halbzylinders oder auch eines korbähnlichen Vorratsbehälters.[8] Unabhängig von der genauen Deutung stellt die Aufgabe aber in jedem Fall eines der ältesten schriftlichen Zeugnisse der näherungsweisen Berechnung einer krummlinigen Oberfläche dar. Die im Folgenden angegebene Beschreibung geht von einer Deutung als Halbkugel aus.
Aus dem Originaltext dieser Aufgabe[9] ergibt sich folgende Berechnungsformel, wobei die Größe d für den Öffnungsdurchmesser des Korbes und damit den Durchmesser des Halbkugelbodenkreises steht:
Im Vergleich dazu die nach heutiger Erkenntnis korrekte Formel für die Berechnung einer Halbkugeloberfläche:
- mit
Das heißt, die Formel entspricht einer Verwendung des folgenden Näherungswertes für die Kreiszahl π (Pi):
Aufgabe 14
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Berühmt ist die Aufgabe 14, in der das Volumen eines quadratischen Pyramidenstumpfs bestimmt wird.[10] Die verwendete Formel ist korrekt und lautet in moderner Schreibweise:
wenn a und b die Seitenlängen des Grund- und Deckquadrates sind und h die Höhe. In der Aufgabe wird konkret mit den Zahlen a = 4, b = 2 und h = 6 gerechnet:
Damit ergibt sich ein Volumen von 56 [VE].[11]
Verwandte Themen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weitere Papyri mathematischen Inhalts:
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wassili Wassiljewitsch Struwe, Boris Turajew: Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schönen Künste in Moskau (= Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik, Astronomie und Physik, Abteilung A. Band 1). Springer, Berlin 1930.
- Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Springer, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-540-77189-0, S. 119–121.
- Hans Wußing, Wolfgang Arnold (Hrsg.): Biographien bedeutender Mathematiker. Volk und Wissen, Berlin 1975. Lizenz-Nr. 203 1000/74 (E 00 25 05 – 1).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Mathematics in Egyptian Papyri. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
- Papyrus Moskau 4676 bei www.meritneith.de ( vom 8. August 2013 im Internet Archive)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Heinz-Wilhelm Alten u. a. : 4000 Jahre Algebra. Geschichte, Kulturen, Menschen. Springer, Heidelberg 2003, ISBN 3-540-43554-9, S. 12.
- ↑ Guy Rachet: Lexikon des Alten Ägypten. ( vom 15. Januar 2010 im Internet Archive) Neuausgabe, Patmos-Verlag, Düsseldorf 2002, ISBN 3-491-69049-8.
- ↑ Wassili Wassiljewitsch Struwe & Turajew (Hrsg.): Mathematischer Papyrus des Staatlichen Museums der Schönen Künste in Moskau. (= Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik, Astronomie und Physik, Abteilung A. Quellen 1). J. Springer, Berlin 1930.
- ↑ Gabriele Höber-Kamel: Astronomie im Alten Ägypten. In: Kemet. Ausgabe 4/2000.
- ↑ Thesaurus Linguae Aegyptiae: Login zur Suche in der Datenbank Auf: aaew.bbaw.de; zuletzt abgerufen am 1. Juni 2023.
- ↑ Marshall Clagett: Ancient Egyptian Science: / 3, Ancient Egyptian mathematics (= American Philosophical Society.). American Philosophical Society, Philadelphia 1999, ISBN 0-87169-232-5, S. 105 ff.
- ↑ Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Springer, Berlin 1984, ISBN 0-387-11647-8, S. 62.
- ↑ Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Springer, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-540-77189-0, S. 119–121 (eingeschränkte Online-Version (Google Books)).
- ↑ Scott W. Williams: Egyptian Mathematical Papyri. Originaltext und Übersetzung der Aufgabe 10 des Papyrus Moskau
- ↑ The Complete Text Of The Moscow Egayptian Papyrus (~1850 BC) Problam 14. − Originaltext der Aufgabe 14 des Papyrus Moskau Auf: math.buffalo.edu; zuletzt abgerufen am 1. Juni 2023.
- ↑ Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. Springer, Berlin 1984, ISBN 0-387-11647-8, S. 63.