Profumo-Affäre – Wikipedia

Die Profumo-Affäre war ein politischer Skandal um den britischen Kriegsminister John Profumo in den Jahren 1962/63.

Profumo war Mitglied der Conservative Party und von 1960 bis 1963 Kriegsminister unter Harold Macmillan. Er war mit der Schauspielerin Valerie Hobson verheiratet. Skandaliert wurde seine Affäre mit der 28 Jahre jüngeren Christine Keeler. Profumo traf sie, zusammen mit seiner Frau und Freunden, am 8. Juli 1961 bei einer Party im Herrenhaus Cliveden von Lord Astor in Buckinghamshire. Auf dem Gelände wohnte zeitweilig in einem Cottage der Londoner Osteopath Stephen Ward. Außerhalb von London behandelte er hier seine prominente Klientel mit medizinischen Massagen und zugleich nutzte er diese Gelegenheiten, um bei Partys am gemeinsam mit dem Herrenhaus genutzten Swimmingpool junge Frauen, die eher aus einfachen Verhältnissen oder sogar dem Rotlicht-Milieu stammten, in die „besseren Kreise“ einzuführen. Dies in der Erwartung, durch solche Gefälligkeiten seine gut entlohnten heilpraktischen Dienstleistungen, aber auch Aufträge für Porträtzeichnungen zu akquirieren. An diesem Wochenende waren auch die Pole-Tänzerin Keeler und ihre Bekannte Mandy Rice-Davies unter den Gästen. Lord Astor hatte den pakistanischen Präsidenten Muhammed Ayub Khan zu Besuch und versprach diesem „a bit of fun“.[1]

Die Affäre währte nur wenige Wochen. Als jedoch nach deren Beendigung durch Profumo Keeler 1962 eine engere Beziehung mit Jewgeni Iwanow, dem Marineattaché der sowjetischen Botschaft, einging und diese bekannt wurde, propagierte die Labour-Opposition ein vermeintliches Sicherheitsrisiko, was jedoch durch den offiziellen Bericht von Lord Alfred Denning an die Regierung vom 25. September 1963 widerlegt wurde. Der Bericht stellte fest, dass es nach diesen Erkenntnissen keinen sowjetischen Spionageauftrag für Keeler gab und Profumo auch keine Geheimnisse verraten hatte.[2] Der angebliche Drahtzieher Ward wurde wegen „Lebensunterhalts aus unmoralischen Einkünften“ angeklagt und beging im Untersuchungsgefängnis einen Suizidversuch, dem er wenige Tage später, am 3. August, erlag.[3] Keeler wurde lediglich des Meineids (und nie der Prostitution) für schuldig befunden und zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.[4] Für Profumo wurde der Verstoß gegen die engen Moralvorstellungen zum „Stolperstein“[5]. Zu Fall brachte ihn jedoch seine Erklärung im März 1963 im Unterhaus, wonach es „nichts irgendwie Ungebührliches“ an der Beziehung mit Keeler gegeben habe. Er kündigte Verleumdungsklagen an, falls entsprechende Vorwürfe gegen ihn erhoben würden. Im Juni bekannte Profumo jedoch, das Parlament getäuscht zu haben, und trat am 5. Juni zurück.[6]

Die Affäre belastete den Premierminister Harold Macmillan politisch und persönlich.[7] Der 69-jährige Macmillan trat, vorgeblich aufgrund einer Prostata-Erkrankung,[8] kurz nach der Profumo-Affäre im Oktober 1963 zurück und hoffte dadurch, das aufgrund des Skandals und der sichtbar gewordenen Doppelmoral in der Parteispitze schwindende Wählervertrauen in die Tories zurückzugewinnen. Die Bemühungen seines Nachfolgers Sir Alec Douglas-Home waren jedoch erfolglos und bei den nächsten Unterhauswahlen siegte die Labour-Partei. Dies wird als exemplarisch für die Wirkung politischer Skandale angesehen.[9]

Niederschlag in der Populärkultur

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Direkt nach Profumos Rücktritt veröffentlichte der britische Komiker Peter Sellers zusammen mit Joan Collins einen Song, der sich zehn Wochen in den Charts auf Platz 10 hielt und der im Wesentlichen aus den gehauchten Namen „Oh, Jack“ (dem Spitznamen von Profumo) und „Oh, Christine“ bestand und im vorgeschalteten Kommentar die Verballhornung von „war ministery“ zum ähnlich klingenden „whore ministery“ (Huren-Ministerium) benutzte.[10]

Ebenfalls 1963 konnte die englische Schauspielerin Joyce Blair als Miss X mit Platz 37 einen Achtungserfolg in England verbuchen mit dem satirischen Lied My name is Christine, das deutliche Anspielungen auf die Affäre enthält.[11]

1973 im Song Post World War Two Blues von Al Stewart heißt es:

„… And one day Macmillan was coming downstairs / A voice in the dark caught him unawares / It was Christine Keeler blowing him a kiss / He said `I never believed it could happen like this/ But oh, every time I look at you/ I feel so low I don't know what to do/ Well every day just seems to bring bad news/ Leaves me here with the Post World War Two Blues”.“[12]

Auf die Profumo-Affäre spielt auch der Singer-Song-Writer Billy Joel 1989 in We Didn’t Start the Fire an. In der zehnten Strophe zu den wichtigen Ereignissen von 1962 lautet es „Pope Paul, Malcolm X, British politician sex“.

Um Profumos Parlamentssitz bewarb sich (erfolglos) der Rockmusiker Screaming Lord Sutch, der mit seiner „National Teenage Party“ und damals absurd klingenden Forderungen kandidierte wie der Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre und der Liberalisierung der Pub-Öffnungszeiten. Keelers Freundin Mandy Rice-Davies trat bei ihm im Piratensender Radio Sutch auf und las aus dem damals als pornografisch angesehenen Roman Lady Chatterley.

Einige der Aspekte der Profumo-Affäre wurden 1989 in dem Film Scandal geschildert. Protagonisten sind John Hurt als Stephen Ward und Joanne Whalley als Christine Keeler. Die Rolle des John Profumo, der im Film eine Nebenrolle einnimmt, übernahm Ian McKellen.

Im Jahr 2007 führte das Londoner Greenwich Theatre das Musical A Model Girl auf, das die Ereignisse der Affäre aus Sicht Keelers darstellte.

2013 hatte das Musical Stephen Ward von Andrew Lloyd Webber am Londoner West End Premiere.

Auf die Vorgänge um die Profumo-Affäre herum spielte in einer Folge die britischen Fernsehserie The Crown an.[13]

Literatur (chronologisch)

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  • Clive Irving; Ron Hall; Jeremy Wallington: Scandal 63. A study of the Profumo Affair. Heinemann, London 1963.
  • Alfred Denning: Lord Dennings Report zum Fall Profumo oder Die funktionierende Demokratie. Der offizielle Bericht der britischen Regierung. Im Auftrag Ihrer Majestät durch den Premierminister dem Parlament vorgelegt im September 1963. Aus dem Englischen übertragen von Anton Jahoda. Kommentiert von Ulrich Sonnemann und Martin Löffler. Bechtle, München und Eßlingen 1964.
  • Rehmann, Ruth: Das Playgirl und der Minister. In: Robert A. Stemmle (Hg.): Skandale. Der Fall Oscar Wilde und vier weitere internationale Kriminalfälle. Der Neue Pitaval Bd. 14. Desch, München 1967, S. 165–245.
  • Phillip Knightley; Caroline Kennedy: An affair of state. The Profumo case and the framing of Stephen Ward. Atheneum, New York 1987, ISBN 0-689-11813-9.
  • Andrei S. Markovits; Mark Silverstein: Sex, Spies, and Scandal. The Profumo Affair and British Politics. Holmes & Meier, New York 1988, S. 62–81.
  • Sabine Redlin: No Sex please, we are British. Eine Boulevardkomödie. In: Dirk Käsler (Hg.): Der politische Skandal. Zur symbolischen und dramaturgischen Qualität von Politik. wdv, Opladen 1991, S. 117–145.
  • David Thurlow: Profumo. The hate factor. Hale, London 1992, ISBN 0-7090-4750-9.
  • Alfred Denning: John Profumo & Christine Keeler 1963. Tim Coates, 1999, ISBN 0-11-702402-3.
  • Tim Coates: The Scandal of Christine Keeler and John Profumo: Lord Denning’s Report, 1963. Tim Coates, 2003, ISBN 1-84381-024-7.
  • Christine Keeler: The Truth at Last. My Story. Pan, 2002, ISBN 0-330-48167-3.
  • David Profumo: Bringing the House Down. A Family Memoir. John Murray Publishers, 2006, ISBN 978-0-7195-6608-0.
  • Gunilla Budde: Politik mit Gefühlen. Der Profumo-Keeler-Skandal im England der 1960er. Vortrag, Arbeitskreis Geschichte und Theorie, Berlin 29. September 2007 [3] Webseite der Tagung.
  • Carl L. Bankston (Hg.): Great events from history. Modern scandals. Salem Press, Pasadena 2009.
  • Christine Keeler mit Douglas Thompson: Secrets and Lies.[14] Blake Publishing, 2012, ISBN 978-1-84358-755-2.
  • Richard Davenport-Hines: An English Affair. Sex, Class and Power in the Age of Profumo. HarperCollins, London 2013, ISBN 978-0-00-743585-2.
  • Geoffrey Robertson: Stephen Ward Was Innocent, OK. The Case for Overturning His Conviction. Biteback Publishing, London 2013, ISBN 978-1-84954-690-4.
  • Anthony Summers; Stephen Dorril: The secret worlds of Stephen Ward. Sex, scandal and deadly secrets in the Profumo Affair. Headline, London 2013, ISBN 978-1-4722-1664-9.
  • Barclay, Theo: Fighters and Quitters. Great Political Resignations. Biteback Publishing, La Vergne 2019, Chapter 2, ISBN 978-1-78590-490-5.
  • Ulrich Biermann: 5. Juni 1963 – Rücktritt des britischen Ministers Profumo nach einem Sex-Skandal. WDR ZeitZeichen vom 5. Juni 2023 Audioversion zum Download.
  • Jean-Luc Fromental; Miles Hyman (Zeichnungen): Die Profumo-Affäre. Graphic Novel, Schreiber und Leser, Hamburg 2023, ISBN 978-3-96582-125-5.[15]

Einzelnachweise

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  1. Christine Keeler on meeting John Profumo, BBC Two, 16. Januar 2020[1] TV-Clip mit O-Ton von Christine Keeler
  2. Vgl. in den Literaturhinweisen Denning 1964, Markovits 1988.
  3. Vgl. Robertson 2013.
  4. Vgl. Keeler 2012.
  5. Der griechische Begriff “skandalon” bedeutet „Stolperstein“. Vgl. Redlin 1991, Budde 2007, Davenport-Hines 2013.
  6. Vgl. Barclay 2019.
  7. D. R. Thorpe: Supermac – The Life of Harold Macmillan. Chatto & Windus, London 2010, ISBN 978-0-7011-7748-5, S. 544.
  8. MacMillan: Heilende Krankheit. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1963, S. 96–97 (online16. Oktober 1963).
  9. Vgl. Thurlow 1992; Coates 2003; Budde 2007; Bankston 2009.
  10. Auf dem Album Fool Britannia, Acapella Records. Vgl. Biermann 2023.
  11. „S-E-X“, Ember Records 7; David Roberts: British Hit Singles & Albums. Guinness World Records, London 2006, 19. Aufl. S. 370, ISBN 1-904994-10-5.
  12. https://alstewart.com/post-world-war-ii-blues Post world war II blues], auf alstewart.com
  13. Folge 20, Staffel 2, „Mystery Man“, netflix vom 8. Dezember 2017. Im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Premierministers Macmillan, als eine der Folgen des Profumo-Skandals, geht es um die eigentlich unzulässige Einflussnahme der Krone auf die Ministerpräsidentenwahl, da der Nachfolger Alec Douglas-Homes zunächst dem Oberhaus angehörte und als Lobbyist des Königshauses gesehen wurde. Im Weiteren wird ein Streit der Königin mit ihrem Ehemann erzählt, bei dem es um ein verfängliches Foto geht, ganz wie es auch Profumo in Schwierigkeiten brachte.
  14. Nina Merli: «Jeder Mann, der sie traf, wollte sie haben». In: Tages-Anzeiger vom 22. Februar 2012
  15. Der französische Journalist und Drehbuchautor betont dabei als positiven Aspekt, dass diese `Sex-Affäre´ wesentlich zur Auflösung der unzeitgemäßen Sexualnormen geführt habe, "l’affaire Profumo mènera un monde agonisant à sa dernière demeure, et ouvrira la voie à un quart de siècle d’hédonisme et de libération sexuelle." [2] französischen Rezension