Rechtsanwaltskammer Niederösterreich – Wikipedia

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich ist die Standesvertretung der in Niederösterreich niedergelassenen Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter. Ihren Sitz hat die Rechtsanwaltskammer in der Stadt St. Pölten, wo sich mit dem Landesgericht St. Pölten auch eines der vier höchsten Organ der Rechtsprechung Niederösterreichs befindet (weitere Landesgerichte in Niederösterreich sind in Krems, Korneuburg und Wiener Neustadt). Präsident der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich ist derzeit Michael Schwarz.

Am 27. März 1638 bereits wurde für das landmarschallische Gericht in Niederösterreich ein Gesetz erlassen, welches den Titel „Advocaten-Ordnung“ trug. Es befasste sich mit Rechten und Pflichten von Advokaten, Prokuratoren und Sollizitatoren. Zulassungsvoraussetzungen für diese Rechtsberufe waren die Absolvierung einer zweijährigen Berufspraxis, das gewöhnliche Examen vor dem Landschreiber, die Eidesleistung und die Eintragung ins Advokatenbuch.[1]

Die Rechtsanwälte in Niederösterreich gründeten erst im Jahr 1988 eine eigene Standesvertretung. Von 1918 bis zu diesem Zeitpunkt waren die Rechtsanwälte in die Organisation der „Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland“ eingebunden.[2]

Die Standesvertretung ist Mitglied des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, eines Zusammenschlusses der Rechtsanwaltskammern aller österreichischen Bundesländer. Organisatorisch ist die Rechtsanwaltskammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit dem Recht auf autonome Selbstverwaltung sowie begrenzten hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist.

Die Aufgabengebiete der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich reichen von der Vertretung der Rechtsanwälte über die Begutachtung von Gesetzen und das Erstellen von Gutachten bis zur Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten im Wege des Disziplinarrechts. Ebenso werden von den Prüfungskommissären der Rechtsanwaltskammer die Prüfungen der Rechtsanwaltsanwärter und der Richteramtsanwärter durchgeführt.

Oberstes Entscheidungsgremium der Rechtsanwaltskammer ist der Ausschuss, der durch die Vollversammlung der niederösterreichischen Rechtsanwälte gewählt wird und dem ein Präsident sowie zwei Vizepräsidenten vorstehen. Diesem beigegeben sind der Disziplinarrat und die Prüfungskommissäre, die ebenfalls durch die Vollversammlung bestellt werden.

Die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich besteht für die eingetragenen Rechtsanwälte (RA) und die Rechtsanwaltsanwärter (RAA). Die Stimmrechte in der Mitgliederversammlung sind zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwaltsanwärtern ungleich verteilt (etwa 1:2 – RA:RAA).[3] Mit der Mitgliedschaft verbunden ist die Verpflichtung zur Bezahlung der Kammerumlage. In Niederösterreich sind im Jahresdurchschnitt rund 400 Rechtsanwälte zugelassen. Zum 31. Dezember 2021 waren in Niederösterreich 475 Rechtsanwälte eingetragen (und 108 Rechtsanwaltsanwärter). Niederösterreich hat die zweitgeringste Dichte an Rechtsanwälten/Einwohnern (nach dem Burgenland mit 4.860 Ew/RA).[4]

Einzelnachweise

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  1. Auszug aus der umfassenden geschichtlichen Zusammenstellung der Rechtsanwaltskammer der Steiermark[1]. Abgerufen am 1. November 2013.
  2. Die Gründung der Rechtsanwaltskammer (Wien).
  3. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im Erkenntnis G31/2013 ua, V20/2013 ua, Pkt. 3.3., festgestellt, dass bei Abstimmungen im Rahmen von Plenarversammlungen die von Rechtsanwaltsanwärtern bestehende Regelung über ein qualifiziertes Stimm- und Mitspracherecht zulässig sein dürfte, wenn die unterschiedliche Gewichtung dem aus dem Gleichheitssatz erwachsenden Sachlichkeitsgebot genügt und mit dem sich aus Art. 120a und Art. 120c B-VG ergebenden demokratischen Prinzip vereinbar ist. Die Stimmengewichtung in § 24 Abs. 3 letzter Satz RAO jedoch verstoße gegen diese verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die dem demokratischen Prinzip innewohnende grundsätzliche Gleichheit der Stimme generell durchbrochen wird, ohne dass hierfür ein entsprechend sachlicher Grund bestehen dürfte und weil keine sachlich differenzierende Regelung je nach Entscheidungsgegenstand und unterschiedlicher Betroffenheit der jeweiligen Gruppe der Kammerangehörigen vorgenommen wird (z. B. die nur Rechtsanwaltsanwärter betreffenden Regelungen der Umlagenordnung und der Beitragsordnung). Sofern es sich daher um Angelegenheiten handelt, bei denen keine besondere Betroffenheit (alleine) der Rechtsanwaltsanwärter gegeben ist, sei es zulässig, eine unterschiedliche Stimmengewichtung vorzusehen (siehe auch Anwalt Aktuell, 6/13, S. 19 und 7/13, S. 5, Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 3. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.anwaltaktuell.at).
  4. Auf rund 3.880 Einwohner kommt ein Rechtsanwalt. Rechnerisch hat Wien mit 640 Ew/RA die größte Rechtsanwaltsdichte von Österreich und rund doppelt so viele, wie der Österreichdurchschnitt (etwa 1.450 Ew/RA). Unübertroffen ist jedoch in den deutschsprachigen Ländern das Fürstentum Liechtenstein mit einem Rechtsanwalt auf rund 212 Einwohner.