Reiner Bernstein – Wikipedia

Reiner Bernstein (* 13. Februar 1939[1] in Merseburg; † 18. Februar 2021[2] in München) war ein deutscher Historiker und Publizist. In seinen Schriften beschäftigte er sich oft mit dem Nahostkonflikt und trat für dessen gewaltfreie Beilegung ein.

Bernstein studierte an der Freien Universität Berlin Geschichts- und Politikwissenschaft sowie Publizistik.[3] Seine Promotionsarbeit handelte vom „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“.[3] Von 1969 bis 1970 war er Redakteur beim Saarländischen Rundfunk[3] und von 1971 bis 1977 Leiter des Bundesgeschäftsstelle der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bonn.[3] 1977 schied er wegen Differenzen um die Legitimität einer Kritik an Israel[4] dort als Generalsekretär aus[3] und gründete mit anderen den Deutsch-Israelischen Arbeitskreis für Frieden im Nahen Osten.[3]

Bernstein war von 1981 bis 1986 Leiter des Büros der „Evangelischen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Nordrhein-Westfalen“[3] und von 1986 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2002 Studienleiter der Kölner „Melanchthon-Akademie“.[3] Daneben veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Aufsätze, deren Hauptthemen Judentum und Nahostkonflikt waren.[3]

Von 2007 bis 2011 war Bernstein Vorsitzender der „Initiative Stolpersteine für München e. V.“.[1] In seinen letzten Jahren wirkte er mit seiner Frau Judith als Vertreter der israelisch-palästinensischen „Genfer Initiative“ in Deutschland.[3] Von der von der Initiative vertretenen Zweistaatenlösung zur Lösung des Nahostkonfliktes, die er zunächst unterstützt hatte,[5] wandte er sich später ab und favorisierte die Einstaatenlösung.[6]

Bernstein wurde wiederholt Einseitigkeit zugunsten der Palästinenser und Sympathie für Boykottmaßnahmen gegen Israel vorgehalten.[7] 2018 erhielt er zusammen mit seiner Frau Judith den Preis „Aufrechter Gang“ des Regionalverbandes München der Humanistischen Union für ihr Engagement für die Stolpersteine und gegen einen Stadtratsbeschluss gegen Antisemitismus, der Judith Bernsteins „Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe“ wegen Unterstützung der Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions die Nutzung öffentlicher Räume versagte.[8] 2019 strengte Bernstein einen Unterlassungsprozess gegen den Verlag Hentrich & Hentrich an, weil dieser ein Buch des israelischen Autors Arye Sharuz Shalicar unter dem Titel Der neu-deutsche Antisemit publiziert hatte, in dem er als „Judenhasser“ bezeichnet wurde, der eine „antisemitische Sichtweise“ vertrete. Das Berliner Kammergericht hielt dies für von der Meinungsfreiheit gedeckt und wies am 19. Mai 2020 Bernsteins Anträge zurück.[9] Daraufhin wandten sich 60 deutsche und israelische Intellektuelle in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und verteidigten Bernstein dahingehend, dass er lediglich legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik geäußert habe.[10] Der deutsche Antisemitismusforscher Günther Jikeli kritisierte die Unterzeichner, sie würden den Antisemitismusvorwurf und nicht den Antisemitismus skandalisieren. Israelhass sei die zumindest unter Linksintellektuellen häufigste Erscheinungsform von Antisemitismus.[11]

Auf dem Umschlag seines 2020 erschienenen letzten Buches stand:

Kein Frieden für Israel ohne Frieden für die Palästinenser. Kein Frieden für die Palästinenser ohne Frieden für Israel.[12]

Bernstein hatte zwei erwachsene Kinder[13] und lebte seit seiner Pensionierung in München,[3] wo er nach schwerer Krankheit im Februar 2021 im Alter von 82 Jahren verschied.[14]

Einzelnachweise

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  1. a b Vereinsregistereintrag der Initiative Stolpersteine für München e.V. beim Amtsgericht München, Blatt VR 201339.
  2. in memoriam Reiner Bernstein (1939–2021). In: diak.org. 19. Februar 2021, abgerufen am 21. Februar 2021.
  3. a b c d e f g h i j k Roland Kaufhold: Dr. Reiner Bernstein wird 70 Jahre alt. In: haGalil. 1. Februar 2009, archiviert vom Original am 14. September 2018; abgerufen am 2. August 2020.
  4. Martin Kloke: In aller Freundschaft: 50 Jahre Deutsch-Israelische Gesellschaft. In: haGalil. 21. März 2016, abgerufen am 20. Februar 2021.
  5. Larry Abramson u. a.: Die Unabhängigkeiterklärung von der Besatzung. Übersetzt von Judith und Reiner Bernstein. In: haGalil. 1. Mai 2011, abgerufen am 20. Februar 2021.
  6. Alexandra Föderl-Schmid: Israel/Palästina – Territorial nicht mehr teilbar. In: Süddeutsche Zeitung. 24. Januar 2018, abgerufen am 28. September 2018 (Rezension zu Omri Boehm: Israel – eine Utopie und Reiner Bernstein: Wie alle Völker…? Israel und Palästina als Problem der internationalen Diplomatie).
  7. Alexandra Föderl-Schmid: Mahner für das Miteinander. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
  8. Jakob Wetzel: Auszeichnung – Aufrechter Kaktus. In: Sueddeutsche.de. 24. Januar 2018, abgerufen am 20. Februar 2021.
  9. Micha Brumlik: Gericht urteilt: X ist ein Antisemit. In: Frankfurter Rundschau. 15. Juni 2020, abgerufen am 22. Februar 2021.
  10. Israel: Offener Brief an Angela Merkel. In: Süddeutsche Zeitung. 28. Juli 2020, abgerufen am 4. August 2020.
    Redaktion: Kritik und Antisemitismus. Intellektuelle protestieren gegen das Abwürgen der Israel-Debatte. In: Süddeutsche Zeitung, 28. Juli 2020, S. 9.
  11. Günther Jikeli: Judenhass beim Namen nennen. In: Jüdische Allgemeine. 6. August 2020, abgerufen am 22. Februar 2021.
  12. Alexandra Föderl-Schmid: Mahner für das Miteinander. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
  13. Reiner Bernstein: Curriculum Vitae. In: reiner-bernstein.de. 10. September 2012, abgerufen am 20. Februar 2021.
  14. Alexandra Föderl-Schmid: Nachruf – Mahner für das Miteinander. In: Sueddeutsche.de. 19. Februar 2021, abgerufen am 20. Februar 2021.