Saxones. Eine neue Geschichte der alten Sachsen – Wikipedia
Unter dem Titel Saxones – eine neue Geschichte der alten Sachsen fand von April 2019 bis Februar 2020 eine Niedersächsische Landesausstellung im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover und im Braunschweigischen Landesmuseum in Braunschweig statt. Sie befasste sich mit dem Völkerverband der Sachsen, der im 1. Jahrtausend im heutigen Nordwestdeutschland ansässig war. Der Ausstellungstitel verwendet mit Saxones das lateinische Wort, mit dem antike und spätantike Autoren die Sachsen bezeichneten. Es ist vom typischen Hiebmesser der Sachsen, dem Sax, abgeleitet.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ausstellung auf einer Fläche von 800 m² beschrieb anhand von Exponaten die Geschichte des ersten Jahrtausends nach Christus im Gebiet des heutigen Niedersachsens und Westfalens, als sich dort eine sächsische Identität herauskristallisierte. Optisch illustrierten dies gemalte, überlebensgroße Porträts und Szenen um neun Personen als Momentaufnahmen aus ihrem Leben, wie Bestattung, Trinkgelage, Kriegsheimkehr, Haareschneiden, Kriegstracht, Schreibarbeit und Viehhandel. Jedes Bild stand für das Typische eines Jahrhunderts des ersten Jahrtausends nach Christi Geburt. Eine zentrale Rolle in der Ausstellung nahm die um 970 abgefasste Schrift Res gestae Saxonicae, die Sachsengeschichte, des Mönchs Widukind von Corvey als erste schriftliche Quelle zu den Sachsen ein.
Exponate
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Ausstellung wurden rund 850 Exponate gezeigt, darunter 160 Ensembles von archäologischen Funden und 60 besondere Einzelobjekte, wie Waffen, Schmuck, Handschriften, Urkunden und liturgisches Gerät. Viele Stücke sind mit Dekors verziert, deren Motive die Menschen damals als Codes gelesen und verstanden haben. Ein Großteil der Exponate waren Grabbeigaben. Etwa ein Drittel der Stücke kam aus dem eigenen Museumsbestand. Die übrigen Exponate stammten von 72 Leihgebern in Form deutscher und internationaler Sammlungen in Dänemark, Frankreich und Großbritannien.
Besondere Themen und Fundkomplexe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Grabinventar des Prunkgrabs von Hiddestorf
- Goldbrakteaten des Hortfundes von Nebenstedt, Landkreis Lüchow-Dannenberg
- Gürtelschnalle aus dem Reitergrab von Hankenbostel
- Fundstück der Wüstung auf dem Lindenbrink
- Grabinventar der Fürstengräber von Marwedel
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Landesausstellung wurde vom 5. April bis zum 18. August 2019 im Landesmuseum Hannover und vom 22. September 2019 bis zum 2. Februar 2020 im Braunschweigischen Landesmuseum gezeigt. Sie ist von beiden Museen gemeinsam konzipiert worden und stand unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Hauptförderer der Ausstellung waren das Land Niedersachsen durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, die Richard Borek Stiftung, die Kulturstiftung der Länder und die Stiftung Niedersachsen.
Kuratorin der Ausstellung war die Prähistorikerin Babette Ludowici. Seit 2005 führt sie mit Claus von Carnap-Bornheim als Mitglied der Geschäftsführung des Internationalen Sachsensymposions[1] die in den 1950er Jahren durch Albert Genrich initiierte Sachsenforschung in Niedersachsen fort.[2] Der von Babette Ludowici unter dem Titel Saxones herausgegebene Begleitband zur Ausstellung erschien im Konrad Theiss Verlag.[3]
Das Ausstellungskonzept begutachtete und begleitete ein internationaler wissenschaftlicher Beirat von Archäologen und Historikern. Dazu gehörten Angehörige des 1949 gegründeten Fachverbandes Internationales Sachsensymposium. Arbeitsgemeinschaft zur Archäologie der Sachsen und ihrer Nachbarvölker (IVoE) mit Sitz in Brüssel.
Bedeutung und Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Landesausstellung erhob mit ihrem Titel den Anspruch, die Geschichte der Sachsen neu zu erzählen. Dazu präsentierte sie Forschungsergebnisse aus der Sachsenforschung der letzten 35 Jahre. Laut der Ausstellungskuratorin Babette Ludowici seien diese Erkenntnisse zwar in Fachkreisen bekannt, aber in der Form noch nicht für die Öffentlichkeit aufbereitet worden.
Die Ausstellung wollte dazu beitragen, dass sich die Vorstellung von den Sachsen durch historisch-kritische Forschung zu einem differenzierteren Bild wandelt. Das durch Widukind von Corvey im 10. Jahrhundert geprägte Bild von den Sachsen sei ein Mythos, der von der nationalstaatlichen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts und von den Nationalsozialisten aufgegriffen wurde. Medieneinschätzungen zufolge räume die Ausstellung mit früheren Legendenbildungen zu den Sachsen auf und zeige, dass völkisches Denken auf wackligen Beinen stehe. Laut Markus Hilgert von der Kulturstiftung der Länder stelle die Ausstellung eine „Dekonstruktion“ eines „deutschtümelnden“ Sachsen-Diskurses dar.
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ausstellung und auch der dazu erschienene Begleitband Saxones wurden von einzelnen Wissenschaftlern aus archäologischer Sicht scharf kritisiert. Es habe sachliche Fehler und das Fehlen neuer Forschungsergebnisse gegeben. In vielen Bereichen seien trotz des Vorliegens archäologischer Erkenntnisse Lücken in der Darstellung vorhanden, wie zum Beispiel beim sächsischen Burgenbau, bei der altsächsischen Sprache, der Religion und Mythologie, der frühen Stadtentwicklung, der Herausbildung von Stiften und Klöstern sowie bei Gebäuden und Ansiedlungen. Die Ausstellung präsentierte Elitegräber, Horte, Edelmetallobjekte, Waffen und Glasgefäße während die archäologischen Funde zur Alltagskultur, wie Werkzeuge, Geräte, Bekleidung, handgemachte Keramik, Knochen- und Geweihobjekte, fehlten. Das formulierte Ziel, eine „neue Geschichte“ der Sachsen zu schreiben, sei nicht erreicht worden.[4]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Babette Ludowici: Saxones in: Archäologie in Niedersachsen, 2019, S. 160–163
- Babette Ludowici (Hrsg.): Saxones, Konrad Theiss Verlag, 2019 (Begleitband zur Ausstellung)
- Daniel Nösler, Martin Kuhnert: Rezension zu: Babette Ludowici (Hrsg.), Saxones. Begleitband zur Niedersächsischen Landesausstellung im Landesmuseum Hannover sowie im Braunschweigischen Landesmuseum. Neue Studien zur Sachsenforschung 7, Darmstadt, 2019 in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 88, 2019, S. 319–332. (Online)
- Arend Quak: Rezension von: Saxones (Neue Studien zur Sachsenforschung 7), edited by Babette Ludowici in: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 79, 2019, S. 437–440, (Online)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- saxones-togo als die Ausstellung begleitende Website
- Pressemitteilung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover vom 4. April 2019 zur Ausstellung
- Stefan Gohlisch: Landesmuseum erzählt die Geschichte der „Saxones“ in Neue Presse vom 4. April 2019
- „Saxones“: Geschichte der alten Sachsen neu erzählt bei ndr.de vom 5. April 2019
- Christine Adam: Wer sind eigentlich die Niedersachsen? in Neue Osnabrücker Zeitung vom 6. April 2019
- Daniel Alexander Schacht: Landesmuseum zeigt Ausstellung über die Geschichte der „Saxones“ in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7. April 2019
- Eine neue Geschichte der alten Sachsen vom 11. April 2019 bei muenzwoche.de
- Fjender definerede sakserne som et folk in Kristeligt Dagblad vom 27. Mai 2019 (dänisch)
- Stefan Trinks: Die Besiegten leben hier nicht mehr in FAZ vom 7. Juni 2019.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Kontakt | Internationales Sachsensymposion. Abgerufen am 15. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ „Sachsenforschung“ am Braunschweigischen Landesmuseum: Archäologische Landesgeschichtsforschung zum 1. Jahrtausend
- ↑ Buchrezension Saxones. Babette Ludowici (Hrsg.) bei Archäologie in Deutschland
- ↑ Siehe Literatur: Daniel Nösler, Martin Kuhnert: Rezension zu: Babette Ludowici (Hrsg.), Saxones. Begleitband (Online)