Stimming (Psychologie) – Wikipedia

Stimming (als Abkürzung für self-stimulatory behavior,[1] deutsch „selbststimulierendes Verhalten“) bezeichnet in der Psychologie die Wiederholung von physischen Bewegungen, Geräuschen oder Lauten, aber auch vom Riechen, Fühlen oder visuellen Reizen.[1][2] Diese Verhaltensweise zeigen alle Menschen, besonders ausgeprägt ist sie bei autistischen Menschen.[1][3] Stimming kann ebenfalls bei einer Störung der Sinnesverarbeitung[4] auftreten.

Es handelt sich vermutlich um eine schützende Reaktion auf Überstimulation mit dem Ziel, sich selbst zu beruhigen. Dabei versuchen Betroffene, weniger vorhersehbare Umweltreize zu blockieren, oder nutzen Stimming, um Angstzustände und andere negative oder erhöhte Emotionen zu lindern.[4]

Da Stimming zur Selbstregulation verwendet wird und meist automatisch passiert, kann es schwer unterdrückt werden.[5][6] Stimming kann durch eine Stressreduktion aufgrund äußerer Reize reduziert werden.[1] Das bewusste oder unbewusste Unterdrücken von Stimming mit dem Ziel, als neurotypisch wahrgenommen zu werden, wird als Masking bezeichnet und ist in der Regel mit großen Anstrengungen verbunden.[7][8][9]

Stimming kann auch unter selbstverletzendes Verhalten fallen, zum Beispiel beim Schlagen des Kopfes oder Beißen in die Hand.[10]

Übliche Beispiele für Stimming sind das Flattern mit den Händen oder Armen, Daumenlutschen, Klatschen, Fingerschnippen, Schaukeln mit dem Oberkörper, übermäßiges oder hartes Blinzeln, Schlagen des Kopfes, Bewegen von kleinen Gegenständen und das Wiederholen von Geräuschen oder ganzen Wörtern (siehe auch Echolalie).[11][12]

Hartgummiring als Stimming Tool zum Beißen

Wenn Gegenstände für Stimming genutzt werden, kann es zu Gesundheitsrisiken (durch scharfkantige Gegenstände oder verschlucken von Bruchstücken), oder zur Beschädigung von Sachen kommen. Verschiedene Gegenstände werden zum sicheren Stimming angeboten. Dazu gehören zum Beispiel Beißspielzeuge aus Hartgummi, oder Fidget Cubes mit Klick- oder Drehteilen zum Stimming mit den Händen. Einige dieser Gegenstände, wie Stressbälle oder Fidget Spinner, sind auch für neurotypische Nutzer beliebt.

Abgrenzung zu Tics

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Ein Tic ist ein kurzes und unwillkürliches Muskelzucken, das regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrend ist, teilweise auch komplexe Bewegungen. Tics sind zweckfreie spontane Bewegungen (oder auch Handlungen) oder Geräusche (oder Worte, Sätze, Monologe), die sehr kurz, schnell und „einfach“, aber durchaus auch sehr komplexer Natur sein können und die der Betroffene gegen seinen eigenen Willen ausführen „muss“.[13][14] Tics sind ein wesentliches Merkmal des Tourette-Syndroms und anderer Tic-Störungen und können für Dritte kaum von Stimming zu unterscheiden sein.[14]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Allison B. Cunningham, Laura Schreibman: Stereotypy in autism: The importance of function. In: Research in Autism Spectrum Disorders. Band 2, Nr. 3, 2008, S. 469–479, doi:10.1016/j.rasd.2007.09.006, PMID 19122856, PMC 2598746 (freier Volltext).
  2. E. Collis, J. Gavin, A. Russell, M. Brosnan: Autistic adults’ experience of restricted repetitive behaviours. In: Research in Autism Spectrum Disorders. Band 90, 2022, S. 101895, doi:10.1016/j.rasd.2021.101895.
  3. Rebecca A. Charlton, Timothy Entecott, Evelina Belova, Gabrielle Nwaordu: “It feels like holding back something you need to say”: Autistic and Non-Autistic Adults accounts of sensory experiences and stimming. In: Research in Autism Spectrum Disorders. Band 89, 2021, S. 101864, doi:10.1016/j.rasd.2021.101864.
  4. a b Gretchen Mertz: Help for the child with Asperger's Syndrome : a parent's guide to negotiating the social service maze. Jessica Kingsley Publishers, London 2005, ISBN 1-4237-1012-6.
  5. Elizabeth DeVita-Raeburn: Is the Most Common Therapy for Autism Cruel? In: Spectrum. Simons Foundation, 11. August 2016, abgerufen am 21. April 2021 (englisch).
  6. Elizabeth DeVita-Raeburn: The controversy over autism’s most common therapy. In: Spectrum. Simons Foundation, 10. August 2016, abgerufen am 21. April 2023 (englisch).
  7. Amy Pearson, Kieran Rose: A Conceptual Analysis of Autistic Masking: Understanding the Narrative of Stigma and the Illusion of Choice. In: Autism in Adulthood. Band 3, Nr. 1, 2021, S. 52–60, doi:10.1089/aut.2020.0043, PMID 36601266, PMC 8992880 (freier Volltext).
  8. Laura Hull, K. V. Petrides, Carrie Allison, Paula Smith, Simon Baron-Cohen, Meng-Chuan Lai, William Mandy: “Putting on My Best Normal”: Social Camouflaging in Adults with Autism Spectrum Conditions. In: Journal of Autism and Developmental Disorders. Band 47, Nr. 8, 2017, S. 2519–2534, doi:10.1007/s10803-017-3166-5, PMID 28527095, PMC 5509825 (freier Volltext).
  9. 6A02 Autism spectrum disorder. In: ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics. WHO, 2022, abgerufen am 7. April 2023: „Some individuals with Autism Spectrum Disorder are capable of functioning adequately by making an exceptional effort to compensate for their symptoms during childhood, adolescence or adulthood. Such sustained effort, which may be more typical of affected females, can have a deleterious impact on mental health and well-being.“
  10. Tamara Z. Fadhil, Ali R. Mandeel: Live Monitoring System for Recognizing Varied Emotions of Autistic Children. In: 2018 International Conference on Advanced Science and Engineering (ICOASE). 2018, S. 151–155, doi:10.1109/ICOASE.2018.8548931.
  11. Autism | HealthCentral. Abgerufen am 3. Dezember 2019.
  12. Ouchlets: Autism slang for soothing behaviours. 5. Juni 2013 (bbc.com [abgerufen am 3. Dezember 2019]).
  13. Roberto Canitano, Giacomo Vivanti: Tics and Tourette syndrome in autism spectrum disorders. In: Autism. Band 11, Nr. 1, 2007, S. 19–28, doi:10.1177/1362361307070992.
  14. a b Stimming. In: Psychology Today. Abgerufen am 21. April 2023 (englisch).