Sven Gerich – Wikipedia
Sven Gerich (* 30. Oktober 1974 in Hannoversch Münden als Sven Rapp[1]) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 2013 bis 2019 Oberbürgermeister der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden.[2] Bei der Wahl im Mai 2019 trat er nicht wieder an.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom sechsten bis zum siebzehnten Lebensjahr wuchs Sven Gerich in einem Kinderheim der Inneren Mission im Wiesbadener Stadtteil Biebrich auf. Nach dem Evangelischen Kindergarten der Hauptkirchengemeinde besuchte er die Freiherr-vom-Stein-Schule und erhielt seinen Realschulabschluss an der Werner-von-Siemens-Schule. Anschließend absolvierte er eine Berufsausbildung als Bau- und Möbeltischler. Später nahm er eine Stelle als hauptamtlicher Übungsleiter für den Fachbereich Turnen beim Turnverein Biebrich an. 1995 begann er in der Druckerei Gerich seines Adoptivvaters zu arbeiten, die er von 2000 bis 2013 gemeinsam mit ihm als gleichberechtigter Gesellschafter führte. Sven Gerich lebt mit seinem Partner Helge in einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft.[1][3] Im Juli 2018 haben Sven Gerich und Helge Gerich geheiratet.
Politischer Werdegang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gerichs politischer Werdegang begann 2003, als er den früheren Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner, der noch einmal für den Landtag kandidierte, kennenlernte. Kurz darauf trat er der SPD bei. Von 2006 bis zu seiner Wahl zum Oberbürgermeister 2013 war er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Wiesbaden und dort ab 2009 Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Im September 2011 wurde er zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.[1] Bei einer Stichwahl zur Oberbürgermeisterwahl am 10. März 2013 gewann Gerich mit 50,9 % zu 49,1 % gegen den Amtsinhaber Helmut Müller (CDU).[2]
Gerich war als Oberbürgermeister Mitglied verschiedener Kontrollorgane der städtischen Gesellschaften der Landeshauptstadt Wiesbaden. So war er u. a. Verwaltungsratsvorsitzender der Nassauischen Sparkasse und Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Holding.[4]
Öffentliche Wahrnehmung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zu Beginn seiner Amtszeit erhielt Gerich u. a. vom Bund der Steuerzahler Kritik, da er unmittelbar nach seinem Amtsantritt sein neues Büro für mehr als 300.000 Euro renovieren und einrichten ließ und die Arbeiten ohne öffentliche Ausschreibung beauftragte. Er verteidigte diese Handlung mit der Aussage, dass der Großteil der Renovierungsarbeiten aus Altersgründen des Baubestandes notwendig gewesen sei.[5]
Kurz vor Weihnachten 2017 lud Gerich mit seinem Ehemann den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling und dessen Lebenspartner in ein Restaurant ein und beglich die Rechnung in Höhe von 1019,70 Euro aus der Stadtkasse.[6] Ein Ermittlungsverfahren in dieser Sache wurde Ende 2019 gegen eine Geldauflage eingestellt.[7]
Anfang 2019 nahm die Staatsanwaltschaft Wiesbaden aufgrund einer Anzeige des früheren städtischen Geschäftsführers Ralph Schüler gegen Gerich Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme auf.[8] Diese wurden im Oktober desselben Jahres wieder eingestellt.[9] In diesem Zusammenhang erklärte Gerich am 24. Januar 2019, zur Oberbürgermeisterwahl im Mai 2019 nicht mehr antreten zu wollen. Er begründete dies unter anderem damit, dass auch sein Ehemann und sein Vater anonyme Drohbriefe erhielten.[10][11]
Am 29. Juni übergab Gerich das Amt des Oberbürgermeisters offiziell an Gert-Uwe Mende. Zwei Tage später hatte er seinen letzten Arbeitstag und erhielt von Colonel Todd Fish für seinen Einsatz zur Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehung die Auszeichnung „Commander´s Award for Public Service“.[12]
Im Oktober 2019 gaben die Söhne des Gastronomen Roland Kuffler in einer 15 Seiten umfassenden Erklärung gegenüber der Stadt Wiesbaden an, Gerich habe in größerem Umfang Einladungen und Vergünstigungen von der Unternehmerfamilie Kuffler angenommen, als er bislang zugegeben hatte.[13] In diesem Zusammenhang ermittelte die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts von Vorteilsnahme bzw. Vorteilsgewährung gegen Gerich und Kuffler.[14] Das Amtsgericht München verurteilte Gerich im Juni 2020 zu einer Geldstrafe von 28.800 Euro und ordnete den Verfall von Bestechungsgeldern in Höhe von 20.000 Euro an.[15] Gerich konnte wegen des Strafmaßes, das nicht zu einer Anklage führte, seine Ruhestandsbezüge als ehemaliger OB retten.[16]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sven Gerich in: Internationales Biographisches Archiv 29/2013 vom 16. Juli 2013, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Ewald Hetrodt: Die Unverfrorenen. Wie Politiker unsere Städte als Beute nehmen. Ein Exempel. Wiesbaden 2019 (Verlagshaus Römer GmbH)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Angaben zu Sven Gerich auf der Seite der Stadt
- Interaktive Karte der Ortsbezirke Wiesbadens, Ergebnis der Direktwahl des Oberbürgermeisters 2013, offenes SVG-Format
- Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. März 2015
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Sven Gerich Persönlich. Archiviert vom am 6. März 2016; abgerufen am 9. April 2019.
- ↑ a b Öffentliche Bekanntmachung. auf wiesbaden.de. Abgerufen am 15. Februar 2017.
- ↑ Wiesbaden bekommt schwulen OB
- ↑ Wiesbadener Tagblatt: Große Koalition kontrolliert Naspa ( vom 27. September 2013 im Internet Archive) abgerufen am 16. Juni 2013
- ↑ Bund der Steuerzahler: Kritik an teurer Bürosanierung abgerufen am 15. Februar 2017
- ↑ Ärger ums Weihnachtsessen der Oberbürgermeister. Wiesbadener Kurier, 26. Februar 2019
- ↑ Madeleine Reckmann: Wiesbadener Weihnachtsessensaffäre wird beigelegt. In: Frankfurter Rundschau. 18. Dezember 2019, abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Olaf Streubig: Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren gegen OB Gerich ein. In: Wiesbadener Kurier. 19. Januar 2019, abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Oliver Bock: Keine Anklage gegen Gerich wegen Andalusien-Reise. In: faz.net. 9. Oktober 2019, abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ hessenschau de, Frankfurt Germany: Offener Brief: CDU-Mann fordert Rücktritt von Wiesbadener OB. 23. Januar 2019, archiviert vom am 24. Januar 2019; abgerufen am 24. Januar 2019 (deutsch).
- ↑ Wiesbaden: Gerich verzichtet auf OB-Kandidatur. Archiviert vom am 24. Januar 2019; abgerufen am 24. Januar 2019.
- ↑ US-Auszeichnung für Oberbürgermeister. In: Wiesbaden lebt. 1. Juli 2019, abgerufen am 1. Juli 2019 (deutsch).
- ↑ Oliver Bock: Ermittlungen gegen Sven Gerich: Kuffler kämpft um Catering im Wiesbadener Kurhaus. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. Oktober 2019]).
- ↑ Birgit Emnet: Vorteilsnahme? Jetzt sind Gerich und Kuffler am Zug. In: Wiesbadener Kurier. 11. Februar 2020, abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Strafbefehl gegen früheren Wiesbadener OB Sven Gerich. In: Wiesbadener Kurier. 29. Juni 2020, abgerufen am 17. Januar 2023.
- ↑ Behält der Wiesbadener Ex-OB seine Ruhestandsbezüge? In: Wiesbadener Kurier. 29. Juni 2020, abgerufen am 17. Januar 2023.
Personendaten | |
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NAME | Gerich, Sven |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD) und Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden |
GEBURTSDATUM | 30. Oktober 1974 |
GEBURTSORT | Hann. Münden |