Ein Tangentenviereck ist ein Viereck, dessen Seiten Tangenten eines Kreises sind. Diesen Kreis nennt man den Inkreis des Tangentenvierecks. Ein solches Tangentenviereck ist immer konvex. Vierecke, bei denen lediglich die verlängerten Seiten Tangenten eines Kreises sind und die damit auch nicht notwendigerweise konvex sein müssen, sind keine Tangentenvierecke im Sinne der hiesigen Definition. Spezielle Tangentenvierecke sind das Quadrat, die Raute und das Drachenviereck.
Für jedes Tangentenviereck gilt der Satz von Pitot: Die Summe der Längen zweier gegenüberliegender Seiten ist gleich der Summe der Längen der anderen beiden Seiten. Es gilt also
Beweis (siehe Skizze unten):
also
Umgekehrt gilt auch, dass jedes konvexe Viereck mit einen Inkreis besitzt und somit ein Tangentenviereck ist. Der Satz von Pitot und seine Umkehrung werden zusammen auch als Satz vom Tangentenviereck bezeichnet.
Sind P, Q, R, S die Fußpunkte der Lote des Inkreismittelpunkts M auf die Seiten AB, BC, CD, DA und der Inkreisradius des Tangentenvierecks, dann sind die rechtwinkligen Dreiecke MSA und APM nach dem KongruenzsatzSWS kongruent, weil sie die Seite AM gemeinsam haben und außerdem und gilt. Daraus folgt, dass die Innenwinkel dieser rechtwinkligen Dreiecke jeweils gleich sind, also gilt auch . Entsprechend gilt , und . Die Summe dieser acht Teilwinkel am Inkreismittelpunkt M ist gleich 360°. Daraus folgt schließlich und , also . Die Summe der gegenüber liegenden Winkel am Inkreismittelpunkt beträgt also jeweils 180°.[1]
Ein interessanter Spezialfall liegt vor, wenn ein Tangentenviereck die Bedingung
erfüllt. Unter dieser Voraussetzung ist das Tangentenviereck zugleich ein Sehnenviereck, also ein Viereck mit Inkreis und Umkreis, und wird deshalb auch als Sehnentangentenviereck bezeichnet. Die Formel für den Flächeninhalt liefert in diesem Fall das einfache Ergebnis
Da die Konstruktion eines Sehnentangentenvierecks aufwändiger ist als die eines reinen Sehnen-, bzw. Tangentenvierecks, liefert der nachfolgende Satz ein Kriterium, welches die Konstruktion erleichtert:
Ein Tangentenviereck ist genau dann ein Sehnentangentenviereck, wenn die Verbindungsstrecken gegenüberliegender Berührpunkte des Inkreises senkrecht aufeinander stehen.
Beweis:
Zu zeigen ist, dass das Tangentenviereck genau dann zugleich ein Sehnenviereck ist, wenn gilt.
Anders ausgedrückt ist somit zu zeigen:
Da die beiden Dreiecke und gleichschenklig sind, haben die Winkel und jeweils die Weite und die Winkel und jeweils die Weite .
Das Viereck hat die Innenwinkelsumme
.
Das Viereck hat die Innenwinkelsumme
.
Nach Addition dieser beiden Gleichungen erhält man:
Siegfried Krauter, Christine Bescherer: Erlebnis Elementargeometrie: Ein Arbeitsbuch zum selbstständigen und aktiven Entdecken. Springer, 2012, ISBN 978-3-8274-3025-0, S. 77-78
Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten: Perlen der klassischen Geometrie. Springer 2016, ISBN 978-3-662-53034-4, S. 21; Auszug (PDF; 4,1 MB)
↑Wolfgang Zeuge: Nützliche und schöne Geometrie - Eine etwas andere Einführung in die Euklidische Geometrie. Zweite korrigierte und ergänzte Auflage, Springer Spektrum, Springer-Verlag GmbH, Berlin 2021, ISBN 978-3-662-63830-9, S. 133–134.