Tongemisch – Wikipedia

Beispiel für ein Tongemisch aus den Frequenzen 400 Hz, 430 Hz, 470 Hz, 520 Hz und 580 Hz. Die Amplituden der einzelnen Teiltöne sind jeweils gleich.

Als Tongemisch bezeichnet die physikalische Akustik gemäß DIN 1320 einen Schall, der sich aus Tönen beliebiger Frequenz zusammensetzt. Mit Ton sind dabei die akustischen Repräsentationen reiner Sinusschwingungen, sogenannte Sinustöne gemeint.[1] Rauschen[2] oder das Geräusch[3][4] sind komplexe Sonderformen eines Tongemisches[5]. Stehen Teiltöne in einem harmonischen Verhältnis zueinander, spricht man von einem Klang.[1]

Das reine Tongemisch, verstanden als theoretisch-physikalisches Konzept, dient als Beschreibungskategorie für die Analyse von Schallereignissen. So lässt sich in der musikalischen Akustik beispielsweise sagen, dass dreidimensional schwingende Körper wie Glocken, Platten und Stäbe eher Tongemische abstrahlen, während bei schwingenden Saiten und Pfeifen eher Klänge entstehen.[6]

In der elektronischen Musik ist das Tongemisch als elektronisch synthetisiertes Audiosignal von Bedeutung. Durch technische Mittel ist es möglich, statische Tongemische herzustellen, die nicht an einen natürlichen Zeitverlauf gebunden sind – was bei klassischen natürlichen Musikinstrumenten nicht vorkommt. Gleichzeitig lassen sich die Signale technisch mit einer künstlichen Hüllkurve versehen, um z. B. den Zeitverlauf natürlicher Instrumente zu imitieren oder bewusst ungewöhnliche Zeitverläufe herzustellen. Außerdem können auch andere Parameter des Tongemischs kontinuierlich geändert werden, z. B. das Lautstärkeverhältnis der Teiltöne zueinander oder deren Frequenzen.

Der Komponist Herbert Eimert, der sich in den 1950er Jahren im Kölner Studio für elektronische Musik intensiv mit den Möglichkeiten auseinandersetzte, wie sich Klangfarben „komponieren“ ließen (siehe Klangkomposition), beschrieb Tongemische als „eine völlig neue Dimension des Kompositorischen. In ihm scheinen sich übrigens die vielen und nie bewältigten Widersprüche der sogenannten Atonalität endlich zu lösen.“ (Herbert Eimert: Einführung in die Elektronische Musik) Die Kompositionspraxis grenzt daher Tongemische in erster Linie von Akkorden ab. Verglichen mit Akkorden hätten Tongemische einen höheren Verschmelzungsgrad,[7] würden also nicht als Einzeltöne, sondern als einheitlicher Klang, als „globales Phänomen“ wahrgenommen.[8]

Zwischen Klängen und Akkorden auf der einen Seite (also Schallereignissen, die auf harmonischen Frequenzverhältnissen beruhen) und den unharmonischen Tongemischen andererseits besteht ein fließender Übergang. Je nachdem, wie stark die Teiltöne eines Tongemisches von dessen idealen harmonischen Frequenzwerten abweichen, spricht man von „angenähert harmonischen“ oder „geringharmonischen“ Schallsignalen.[9] Herbert Eimert sah gerade in diesem Spannungsfeld kompositorisches Potential.[10] Mit solchen Tongemischen arbeitet z. B. auch der Komponist Karlheinz Stockhausen in seiner Studie II. Stockhausen war Eimerts Nachfolger als künstlerischer Leiter des Kölner Studios für elektronische Musik.

In anderen Kontexten (z. B. in der Medizin) wird der Begriff Tongemisch auch in einem allgemeineren Sinne für komplexe Schallereignisse verwendet. (Vergleiche z. B.[11][12])

Einzelnachweise

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  1. a b Michael Dickreiter, Volker Dittel, Wolfgang Hoeg, Martin Wöhr: Handbuch der Tonstudiotechnik. 2008, ISBN 3-598-44135-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. „Rauschen ist [gemäß DIN 1320] ein Schallsignal statistischer Natur, bei dem nur ein kontinuierliches Frequenzspektrum angegeben werden kann, […]“. Michael Dickreiter, Volker Dittel, Wolfgang Hoeg, Martin Wöhr: Handbuch der Tonstudiotechnik. 2008, ISBN 3-598-44135-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Dieter Maute: Technische Akustik und Lärmschutz. Hanser, 2006, ISBN 3-446-40222-5, S. 24 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. „Ein reiner Ton wird durch eine einzelne Sinusfunktion […] dargestellt, […] Ein Klang ist ein Gemisch reiner Töne, entsteht durch deren ungestörte Überlagerung […] während ein Geräusch ein Tongemisch mit großem Frequenzspektrum […] darstellt […].“ Rhena Krawietz, Wilfried Heimke: Physik im Bauwesen. 2008, ISBN 3-446-40276-4, S. 142, 143 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. „Schallarten – Ton, Klang, Knall, Geräusch. Der Ton […] Der Klang ist ein Tongemisch, dessen Frequenzen ganzzahlige Vielfachen der tiefsten vorkommenden Frequenz sind. […] Durch diese Frequenzüberlagerung ergibt sich ein periodisches, aber anharmonisches Schwingungsbild […]. Der Knall Ein plötzlich einsetzende mechanische Schwingung großer Amplitude und kurzer Dauer. […] er nimmt einen Frequenzbereich ein. Das Geräusch: Nichtperiodische Vorgänge erzeugen Geräusche. […] keine Periodizität […] bei den meisten uns umgebenden Schallereignissen handelt es sich um Geräusche, z. B. Lärm des Verkehrs, das rascheln des Schlüsselbundes, die menschliche Stimme oder das zusammenknüllen von Papier.“ Patrik Vogt: Computergestütztes Lernen im Physikunterricht, dargestellt am Beispiel einer Lernsequenz aus dem Themenbereich „Schwingungen und Wellen“ (9. Klasse). 2008, ISBN 3-8309-2263-9, S. 30 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Ulrich Michels: dtv-Atlas zur Musik. Tafeln und Texte. 15. Auflage. Band 1. dtv/Bärenreiter, München 1994, S. 17.
  7. Herbert Eimert: Einführung in die elektronische Musik. Doppel-LP, Wergo 1963.
  8. Kilian Schwoon über seine Komposition Broken Consort
  9. Ernst Terhardt: Akustische Kommunikation. Grundlagen mit Hörbeispielen. 1998, ISBN 3-540-63408-8, S. 217 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. „Besonders interessant sind Tongemische, deren unharmonische Teiltöne in der Nähe von Harmonischen eines Klangs liegen.“ (Herbert Eimert: Einführung in die elektronische Musik. Doppel-LP, Wergo 1963)
  11. A. Lange: Anamnese und Klinische Untersuchung. 1998, ISBN 3-642-58806-9, S. 254 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Thomas Köhler: Medizin für Psychologen und Psychotherapeuten. Orientiert an der Approbationsordnung für Psychologische Psychotherapeuten. Schattauer, 2003, ISBN 3-7945-2238-9, S. 48 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).