Treibscheibe – Wikipedia

Abb. 1 Treibscheibe einer Fördermaschine auf der Zeche Zollern

Als Treibscheibe (nach ihrem Erfinder Carl Friedrich Koepe auch Koepe-Scheibe genannt) bezeichnet man den Seilträger einer Antriebsmaschine, bei dem die Antriebsenergie des Motors mittels Reibschluss auf das Förderseil übertragen wird.[1] Treibscheiben werden u. a. in Schachtförderanlagen,[2] Aufzügen[3] und Liftanlagen eingesetzt.[4]

Abb. 2 Seitenansicht einer Treibscheibe
Abb. 3 Treibscheibe mit elektrischer Turmfördermaschine von 1923 in Oelsnitz/Erzgebirge

Treibscheiben werden meist als Stahlguss- oder Graugusskonstruktionen,[5] teilweise auch als geschweißte Konstruktionen, hergestellt. Sie bestehen aus einer Vollwand- oder einer Speichenscheibe. Je nach Verwendungszweck werden sowohl gehärtete als auch ungehärtete Scheiben eingesetzt. Der Durchmesser der Treibscheiben ist abhängig vom Nenndurchmesser des verwendeten Förderseils. Er beträgt je nach verwendetem Seiltyp das 40–120fache des Seilnenndurchmessers.[6] Bei Schachtfördermaschinen kann der Treibscheibendurchmesser 6–8 Meter betragen, bei kleinen Personenaufzügen liegt der Treibscheibendurchmesser unter einem halben Meter. Der Treibscheibendurchmesser hat dabei einen großen Einfluss auf das erforderliche Motordrehmoment. Je größer der Treibscheibendurchmesser ist, desto größer muss das erforderliche Motordrehmoment sein.[7] Es gibt Treibscheiben, in welche der Antriebsmotor integriert ist, diese kombinierten Scheiben haben je nach Leistung des Fördermaschinenmotors Gewichte von bis zu 70 Tonnen.[8] Zur Vergrößerung der Auflagefläche und somit der Reibung wird die Treibscheibe mit Rillen ausgestattet, dabei sind die unterschiedlichen Rillenformen abhängig von der erforderlichen Treibfähigkeit der Scheibe.[9] Die Rillen müssen eine ausreichende Härte aufweisen, damit sich die Rillenkontaktfläche nicht plastisch verformen kann.[5] Die Paarung Förderseil/Treibscheibe muss aufeinander abgestimmt sein, um die bestmögliche Kraftübertragung zu gewährleisten. Dies betrifft Treibscheibendurchmesser, Rillenform und Nenndurchmesser des Förderseils.[9]

Es gibt bei Treibscheiben vier Rillenformen:

  • Rundrille ohne Unterschnitt (auch Halbrundrille)
  • Rundrille mit Unterschnitt (auch Sitzrille)
  • Keilrille
  • Keilrille mit Unterschnitt

Je nach verwendeter Rillenform wird das Seil gut geführt (Rundrille) oder in die Rille eingepresst (Keilrille). Die Führung und die Pressung sind zwei Faktoren, die wesentlichen Einfluss einerseits auf die Treibfähigkeit, andererseits auf die Lebensdauer haben.[10][11] Die Rundrille bietet die schlechteste Kraftübertragung. Bei der Keilrille kommt es zu enormen Querdruck auf den Seilquerschnitt, deshalb beansprucht die Keilrille das Seil am meisten. Allerdings bietet die Keilrille die größte Treibfähigkeit. Die Rundrille mit Unterschnitt ist die gebräuchlichste Rillenform.[12]

Wenn unter der Rund- bzw. der Seilrille eine rechteckige Nut eingestochen ist, so wird von Unterschnitt gesprochen. Je stärker der Unterschnitt, umso größer ist der Anpressdruck und umso höher ist die Abnutzung des Seils und der Seilrille. Der Unterschnittwinkel, der mit α bezeichnet wird[10] (nicht zu verwechseln mit dem mit gleichem Zeichen angegebenen Umschlingungswinkel, siehe unten), ist der Winkel zwischen dem Seilmittelpunkt und den beiden Übergangspunkten von der Rille und beträgt zwischen minimal 70 ° und maximal 106 °.[13]

Treibfähigkeit

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Abb. 4 Umschlingungswinkel α

Eine entscheidende Komponente für eine Treibscheibe ist die Treibfähigkeit.[5] Die Treibfähigkeit ist die Erhöhung der übertragbaren Umfangskraft in Abhängigkeit von der Vorspannkraft , des Reibwertes und des Umschlingungswinkels (vgl. Abb. 4 und 5). Um eine ausreichende Treibfähigkeit zwischen den Tragseilen der Treibscheibe zu gewährleisten, muss die Treibfähigkeit sowohl rechnerisch als auch durch Fahrproben nachgewiesen werden.[14] Die Treibfähigkeit hängt vom Reibbeiwert (auch Reibungszahl genannt) und vom Umschlingungswinkel des Förderseiles ab.[15]

Da die Kraftübertragung mittels Reibschluss erfolgt, ist ein hoher Reibwert, auch Reibungszahl[5] oder Reibungskoeffizient genannt, erforderlich.[16] Deshalb werden Stahlnuten nur bei kleineren Aufzugsanlagen mit Förderseilen aus hochfesten Faserseilen verwendet. Da bei größeren Förderanlagen grundsätzlich Stahlseile verwendet werden, ist es hier erforderlich, ein Treibscheibenfutter zu verwenden.[17] Als Treibscheibenfutter werden Werkstoffe in die Treibscheibenrille eingesetzt, die verschleißfest sind und einen hohen Reibwert von 0,4–0,7 besitzen.[18] Dadurch ist ein ausreichender Reibschluss gewährleistet. Dabei sollte die Rillentiefe beim Einbau des Treibscheibenfutters dem ½–fachen Seilnenndurchmesser[ANM 1] entsprechen.[17] Sowohl die Nuten als auch das Treibscheibenfutter sind einem gewissen Verschleiß unterworfen, der sich durch Abrieb der Nuten bzw. des Treibscheibenfutters bemerkbar macht. Je nach Betriebszustand oder Verschleiß des Treibscheibenfutters kann der Reibungskoeffizient, der die Umschlingungsreibung an der Treibscheibe maßgeblich beeinflusst, verschlechtert werden.[19]

Umschlingungswinkel

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Abb. 5 Seilkräfte an der Treibscheibe a) und infinitesimaler Ausschnitt b)

Der Umschlingungswinkel beträgt je nach Führung des Förderseils zwischen 135° und 210°.[20] Ein größerer Umschlingungswinkel verringert die Seilrutschgefahr, da das Seil mehr Auflagefläche hat.[21] Er kann erzielt werden durch entsprechende Positionierung der Treibscheibe zur Seilumlenkscheibe. Durch Vergrößerung des horizontalen Abstands der Treibscheibe zu den Ablenkscheiben vergrößert sich auch bei Flurförderanlagen der Umschlingungswinkel.[20] Der Umschlingungswinkel ist im Wesentlichen bauartbedingt und ist nach der Fertigstellung der Förderanlage eine unveränderliche Größe.[21]

Herleitung der Treibfähigkeit

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Im Folgenden wird die Herleitung der Verhältnisse entsprechend der Eytelwein’schen Gleichung dargestellt (vgl.[22]).

Mit der Annahme, dass die Seilkraft größer als die Kraft ist, ergibt sich die modellhafte Darstellung nach Abbildung 5(a). Die Treibscheibe ist in ihrem Mittelpunkt gelagert und das Seil läuft auf dem Umfang. Für das Kräftegleichgewicht in x- und y-Richtung ergeben sich mit dem infinitesimalen Freischnitt aus Abbildung 5(b), den Winkeln der Seilauflagepunkte sowie , der tangentialen Kraft und normalen Kraft sowie den jeweiligen differentiellen Größen:

Beide Gleichgewichtsbedingungen sind über das Amontons’sche Gesetz

mit dem Reibungskoeffizienten verbunden und ergeben eingesetzt:

Unter den Bedingungen, dass es sich um kleine Winkel handelt und Differentiale höherer Ordnung als klein angesehen werden, lässt sich die Gleichung vereinfachen:[22][23]

Die Integration über den Seilabschnitt ergibt mit :

Die Seilkräfte und sind größer oder gleich null, da Seile nur Zugkräfte übertragen können.[23] Damit ist das maximal mögliche Kräfteverhältnis bestimmt. Da kleiner als sein kann, lässt sich die Bedingung, dass kein Rutschen auftritt, wie folgt formulieren:[23]

Wird nicht das maximal mögliche Verhältnis zwischen und ausgenutzt, erfolgt eine Aufteilung von in einen Nutz- und Sicherheitswinkel.[24]

Für größer als ist die Treibfähigkeit der Treibscheibe durch

definiert.(vgl.[25])

Flächenpressung

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Aufgrund des Verschleißes des Treibscheibenfutters ist besonders auf die Flächenpressung zu achten. Sie sollte nicht größer sein als

und lässt sich überschlägig ermitteln gemäß der Formel:

mit:

  • Kraft in Trum 1
  • Kraft in Trum 2
  • Treibscheibendurchmesser
  • Seilnenndurchmesser .

Im Blickpunkt der Entwicklung liegt besonders die Vergrößerung der Treibfähigkeit. Dazu werden verschiedene Ansätze verfolgt. Einer besteht darin, die Reibung durch den Einsatz neuartiger Kunststoffseile zu erhöhen.[26] Ein anderer in Verbindung mit Stahlseilen versucht, die Treibfähigkeit durch Einbringung von Permanentmagneten in die Treibscheibe zu vergrößern (Magnettreibscheibe).[27][28] Beide Ansätze haben das Ziel, bei gleichzeitiger Verschleißreduzierung, die bewegten Massen im Fördersystem zu verringern.

  • Heinz M. Hiersig: Lexikon Maschinenbau. VDI-Verlag, Düsseldorf 1997, ISBN 3-540-62133-4.
  • Markus Michael, Thomas Risch, Klaus Nendel: Untersuchung der Treibfähigkeit von hochfesten Faserseilen an Treibscheiben. In: 4. Fachkolloquium der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Technische Logistik an der Technischen Universität Chemnitz. 9. und 10. Oktober 2008. s. n., Chemnitz 2008, ISBN 978-3-9812554-0-9, S. 73 ff., (Digitalisat (PDF; 31,35 KB)).

Einzelnachweise

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  1. Technische Anforderungen an Schacht und Schrägförderanlagen (TAS) Blatt 11/1. (Memento des Originals vom 26. Juni 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/esb.bezreg-arnsberg.nrw.de Kapitel Begriffsbestimmungen. (zuletzt abgerufen am 30. Oktober 2012).
  2. Walter Bischoff, Heinz Bramann, Westfälische Berggewerkschaftskasse Bochum: Das kleine Bergbaulexikon. 7. Auflage. Verlag Glückauf GmbH, Essen 1988, ISBN 3-7739-0501-7.
  3. F. Hymans, A. V. Hellborn: Der neuzeitliche Aufzug mit Treibscheibenantrieb. Verlag von Julius Springer, Berlin 1927, S. 24–29.
  4. Bruno Grösel: Bühnentechnik: mechanische Einrichtungen. 4. Auflage. Oldenbourg Verlag im Veritas Bildungsverlag, Wien 2007, ISBN 978-3-7029-0555-2, S. 283.
  5. a b c d Martin Scheffler (Hrsg.), Klaus Feyrer, Karl Matthias: Fördermaschinen, Hebezeuge, Aufzüge, Flurförderzeuge. Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden 1998, ISBN 3-663-16319-9, S. 273.
  6. Technische Anforderungen an Schacht und Schrägförderanlagen (TAS). Kapitel 3.3. Seilträger.
  7. Patentanmeldung WO0204081A1: Prospektkonterzug. Angemeldet am 10. Juli 2001, veröffentlicht am 17. Januar 2002, Anmelder: Mannesmann Rexroth AG, Erfinder: Karl Hessdörfer et al.
  8. 70-Tonnen-Koloss schwebt am Haken. In: k+S Information. 4/2005.
  9. a b Thomas Gärtner: News vom Aufzug. In: T. G. Consult (Hrsg.), Ausgabe 7. September 2003.
  10. a b Aufzug, Treibscheibenrillen (S. 8), sowie: Die Seillebensdauer (S. 9) In: Gustav Wolf Seil- und Drahtwerke (Hrsg.): Aufzugseile. Ausgabe 07/03. Online (Memento vom 16. März 2007 im Internet Archive), (abgerufen per Archive Org. am 26. März 2015.)
  11. Thomas Barthel, Wolfgang Scheunemann, Wolfram Vogel: Seile und Seilkonstruktionen. (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lift-report.de Kapitel Treibscheiben. In: Lift Report. 6/2008. Abgerufen am 21. Juli 2011.
  12. Olaf Döring: Aufzüge I. Technik und Funktion. Folie 8.: Treibscheibenantrieb. Ausbildungsmaterial, Hrsg.: Freiwillige Feuerwehr Telgte. (ppt, abgerufen am 21. Juli 2011.).
  13. Jürgen Mayer (Hrsg.): Fördertechnik. Treibscheibenformen. In: Klausurvorbereitung 2007, Online (Memento vom 23. März 2015 im Internet Archive) (abgerufen per Archive Org am 14. Januar 2016)
  14. TRa 1100 Bauaufzüge mit Personenbeförderung. Kapitel: 1122 Treibscheiben. (zuletzt abgerufen am 30. Oktober 2012).
  15. Michael Pyper: Doppelt hält besser. In: Fachaufsatz, Hrsg.: Wittur AG System Antriebstechnik Dresden.
  16. M. Kaufhold: Über Hauptschacht-Förderung mit Koepe-Scheibe. In: Polytechnisches Journal. 322, 1907, S. 753–756.
  17. a b Paul Burgwinkel: Fachartikel Schachtfördertechnik. In: Lehrmaterial, Hrsg.: RWTH Achen.
  18. J. Maerks: Eine neuartige Treibscheibe. In: Glückauf, Berg- und Hüttenmännische Zeitschrift. Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund (Hrsg.), Nr. 50, 67. Jahrgang, 12. Dezember 1931, S. 1541–1544.
  19. Dynamische Bestimmung der Treibfähigkeit bei Treibscheiben-getriebenen Aufzuganlagen. In: Patentschrift DE 102006042909A1. 11. Oktober 2007, TSG Technische Dienste Service Gesellschaft mbH, Erfurt.
  20. a b Oliver Berner: Lebensdauer von Drahtseilen in Treibscheibenaufzügen bei der Kombination von Rillenprofilen. Hrsg. Institut für Fördertechnik und Logistik.
  21. a b Hans Bansen (Hrsg.): Die Bergwerksmaschinen. Dritter Band: Die Schachtfördermaschinen. Verlag von Julius Springer, Berlin 1913, S. 90–95.
  22. a b W. H. Müller, F. Ferber: Technische Mechanik für Ingenieure. 3. Auflage. Berlin, Paderborn, Fachbuchverlag Leipzig im Carl-Hanser-Verlag 2008.
  23. a b c U. Gabbert, I. Raecke: Technische Mechanik für Wirtschaftsingenieure. 5. Auflage. Hanser, München/ Wien 2010.
  24. H. Martin, P. Römisch, A. Weidlich: Materialfusstechnik Auswahl und Berechnung von Elementen und Baugruppen der Fördertechnik. 9. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2008.
  25. DIN EN 81 - 1 : Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen Teil 1: Elektrisch betriebene Personen- und Lastenaufzüge. 2010 Anhang M
  26. G. Thumm: Einsatz von textilverstärkten Kunststoffen in Leichtbaufahrkörben. In: ThyssenKrupp techforum 2004. Band 6, ThyssenKrupp, Stuttgart-Vaihingen 2004, S. 60–63.
  27. R. Herhold, T. Leonhardt: Einsatz von Magnettreibscheiben zur Erhöhung der Treibfähigkeit. In: Von innovativer Krantechnik bis Virtual Reality. Band 16, Magdeburg Internationale Kranfachtagung 2008, S. 109–121.
  28. T. Schmidt, T. Leonhardt, M. Anders: Multiple-Grooved Magnetic Traction Sheaves. In: International Material Handling Research Colloquium. Band 11, Milwaukee: Material Handling Industry of America. S. 391–405. 2010
  1. Der Seilnenndurchmesser ist der für die Berechnung des Seiles verwendete Durchmesser, er wird in mm gemessen. (Quelle: Klaus Feyrer: Drahtseile. Bemessung, Betrieb, Sicherheit.) Bei der Seilberechnung unterscheidet man zwischen dem optimalen und dem wirtschaftlichsten Seilnenndurchmesser. Der optimale Seilnenndurchmesser ist der Seildurchmesser bei dem die schädigenden Einflüsse aus Zugbeanspruchung und Biegespannung am minimalsten sind. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Seilnenndurchmesser spielen auch die Kosten des Seiles eine Rolle. Der wirtschaftlichste Seilnenndurchmesser liegt geringfügig, in der Regel mehr als zehn Prozent, unterhalb des optimalen Seilnenndurchmessers. (Quelle: Roland Verreet: Die Berechnung der Lebensdauer von laufenden Drahtseilen.)