Turbanauge – Wikipedia
Das Turbanauge (englisch turbinate eye) stellt die obere (dorsale) Augenhälfte der männlichen Imago vieler Eintagsfliegen (Ephemeroptera) dar.[1] Seinen Namen hat es wegen seines turbanartigen Aussehens erhalten.
Aufbau und Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Turbanauge besitzt zwei ungewöhnliche Eigenschaften: seine Empfindlichkeit ausschließlich im UV-Bereich und die fünfarmig-kandelaberähnliche Form seiner Rhabdomen.[1] Umgeben ist es von gelbem Pigment, welches dem Turbanauge eine gelbbraune Färbung verleiht.[2] Das Turbanauge von Baetis notos (aus der Familie Baetidae) ist cremeweiß und gelblich gefärbt.[3]
Aus dem Aufbau kann geschlossen werden, dass das dunkelgelbe Turbanauge keine scharfen Überlagerungsbilder (wie andere Komplexaugen) darstellen kann, sondern pro Ommatidium ein UV-Pixel produziert.[1]
Da das Turbanauge einen auffälligen Teil des Sexualdimorphismus darstellt, sollte es eine funktionale Rolle spielen in der Schwarmausbildung oder bei der Erkennung von Weibchen.
Männliche Eintagsfliegen (außer Angehörige der Familien Caenidae und Tricorythidae)[4] vollführen einen Schwarmtanz (englisch nuptial flight), wobei sie sich öfter in der Luft anrempeln. Nur wenige Weibchen begeben sich gleichzeitig in den Schwarm zur Paarung, die anderen halten sich solange abseits. Paare im Schwarm werden von den übrigen Männchen nicht behindert.[5] Wärme und Lichtintensität sind die wichtigsten Impulse der Schwarmbildung, ihre Tageszeit ist Art-abhängig,[6] in warmen Gebieten überwiegend während der Dämmerungszeit.[4]
Die nach oben gerichteten Turbanaugen sind für das Dämmerungssehen optimiert, um Weibchen im Schwarm (von unten) zu erkennen.[4] Aber auch bei nichtschwärmenden Arten oder asynchronem Erscheinen können Weibchen durch Männchen mit diesen Augen von unten wahrgenommen werden.[6]
Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Entwicklung des Turbanauges (beschrieben bei Cloeon dipterum)[2][7] kann in männlichen Larven ab etwa 4 mm, wohl dem 19. Larvenstadium entsprechend, als leichte Erhabenheit erkannt werden, deren Kutikula später gelbliche oder hellbräunliche Färbung annimmt und sich so von benachbarten Arealen stark unterscheidet. Bei der Häutung der Larve zur bereits beflügelten Subimago ist die Anlage des Turbanauges als dunklere und deutliche Erhebung auszumachen. 24 Stunden später findet die finale Häutung zur Imago statt, wobei die Turbanaugen sich nochmals erheben und eine zylindrische Form annehmen.
Auftreten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fossil sind Turbanaugen aus burmesischem Bernstein seit der Unterkreide bekannt.[8]
Turbanaugen besitzen männliche Imagines der Familie Baetidae und einige der Leptophlebiidae. Bei anderen wie der Caenidae, Leptohyphidae oder Polymitarcyidae tragen beide Geschlechter ähnliche Komplexaugen.[9] Die einzige bekannte Gattung der Eintagsfliegen ohne Turbanaugen innerhalb der Baetidae heißt bezeichnenderweise Aturbina.[10]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c G. A. Horridge, Miriam McLean: The Dorsal Eye of the Mayfly Atalophlebia (Ephemeroptera). In: Proceedings of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences. Band 200, Nr. 1139, 23. Februar 1978, S. 137–150.
- ↑ a b Hermann Priesner: Zur Entwicklungsgeschichte der Turbanaugen von Cloeon dipterum L. (PDF; 2,0 MB) In: Zoologische Jahrbücher Band 39, Nr. 3, 1916.
- ↑ Richard S. Durfee, B. C. Kondratieff: Description of adults of Baetis notos (Ephemeroptera: Baetidae). (PDF; 164 kB) In: Entomological News 106, 1995, S. 71–74.
- ↑ a b c K. G. Sivaramakrishnan, К. Venkataraman: Behavioural strategies of emergence, swarming, mating and imposition in mayflies. (PDF) In: Proc. Indian Acad. Sci. Band 94. Nr. 3, Juni 1985, 351–357.
- ↑ Janet E. Harker: Swarm behaviour and mate competition in mayflies (Ephemeroptera). In: Journal of Zoology 228, Nr. 4, 1992, S. 571–587, doi:10.1111/j.1469-7998.1992.tb04456.x.
- ↑ a b Eduardo Domínguez: Ephemeroptera de América del Sur. Band 2. Aquatic biodiversity in Latin America. Pensoft Publishers, 2006, ISBN 954-642-259-2, ISBN 978-954-642-259-0, S. 23.
- ↑ W. La Baume: Über die Metamorphose der Epherimeriden. In: SB. Ges. naturf. Frde. Berlin, Nr. 3, 1909, S. 137–153.
- ↑ George Poinar Jr: Vetuformosa buckleyi n. gen., n. sp.(Ephemeroptera: Baetidae; Vetuformosinae n. subfam.), a new subfamily of mayflies in Early Cretaceous Burmese amber. In: Historical Biology 23, Nr. 4, 2011, S. 369–374, doi:10.1080/08912963.2011.559084.
- ↑ Eduardo Domínguez: Ephemeroptera de América del Sur. Band 2. Aquatic biodiversity in Latin America. Pensoft Publishers, 2006, ISBN 954-642-259-2, ISBN 978-954-642-259-0, S. 20.
- ↑ C. R. Lugo‐Ortiz, W. P. McCafferty: Aturbina georgei gen. et sp. n.: A Small Minnow mayfly (Ephemeroptera: Baetidae) without turbinate eyes. In: Aquatic Insects: International Journal of Freshwater Entomology Band 18, Nr. 3, 1996, 175–183, doi:10.1080/01650429609361619.