Ungarische Magnatentracht – Wikipedia

Béla Vay, Obergespan von Borsod, in ungarischer Magnatentracht

Die Ungarische Magnatentracht bzw. Ungarische Galatracht, ungarisch Díszmagyar ist eine im 19. Jahrhundert entwickelte Festkleidung des ungarischen Adels und des gehobenen und nationalbewussten ungarischen Bürgertums.

Bereits im 17. Jahrhundert gab es im ehemaligen Königreich Ungarn Tendenzen zum Tragen einer ausgesprochen ungarischen Kleidung bzw. Tracht. Man kreierte Kleidungen nach Mustern der inzwischen aus dem Lande vertriebenen Türken.[1] Aber es wurden auch Anleihen aus der Volkstracht entnommen. Aber ein tatsächlicher Erfolg dieser Kleidung stellte sich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. In der Reformzeit sollte mit den tragen einer typischen ungarischen Kleidung auch eine politische Botschaft der Welt übermittelt werden. Mit dem Ende der Reformzeit waren die Grundsteine eines bürgerlichen Ungarns gelegt.[2] In dieser Zeit war man bestrebt auch mit einer „künstlich entwickelten“ Kleidung das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl der ungarischen Nation zu stärken.

Erstmals wurde diese Kleidung am 14. November 1814 in der Spanischen Hofreitschule zu Wien öffentlich vorgestellt. Vier Damen der Gesellschaft erschienen damals erstmals in der ungarischen Magnatentracht. Von ungarischen Magnaten getragen fiel diese Kleidung auch bei der Krönung von Kaiser Ferdinand den Gütigen (ung. V. Ferdinand) zum König von Ungarn am 28. September 1830 im St. Martinsdom zu Preßburg auf. Seither erschienen regelmäßig Bilder von dieser Kleidung in den verschiedensten Blättern der Modejournale der westlichen Länder. Selbst Kaiser Franz Joseph I. und Elisabeth, erschienen nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich am 8. Juni 1867 zur Krönung zu Königen von Ungarn in der Matthiaskirche zu Ofen in ungarischer Magnatentracht.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich diese Art Kleidung zur Alltagskleidung der gehobenen Schichten in Ungarn. In späterer Zeit wurde diese Kleidung jedoch nur noch ausschließlich zu besonderen festlichen Anlässen getragen (Königskrönungen, Statsfeiertage, Audienzen bei Hofe etc.). Bis zum Zusammenbruch Österreich-Ungarns im Jahre 1918 wurde diese Kleidung auch als die „Galakleidung“ der ungarischen Aristokratie betrachtet. In der Zwischenkriegszeit wurde sie von konservativen Kreisen in Ungarn auch noch vereinzelt getragen, die Beliebtheit nahm jedoch rapide ab und nach 1945 war sie im „volksdemokratischen“ Ungarn als Kleidung der Bourgeoisie verpönt und kam gänzlich aus der Mode.

Magnatentracht für Männer

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Die Ungarische Magnatentracht ist in erster Linie eine Festkleidung für Herren, da diese am ehesten ihre historischen Formen, die bis in das 16. Jahrhundert zurückgehen, beibehalten hat. Die Hose wurde ursprünglich von der türkischen „Pluder-Hose“ (ung. kaftán-nadrág) entwickelt. Dazu gehört der Überrock eine häufig mit Pelz verbrämte Art Joppe (ung. mente[3]), die mit einer Zierkette verbunden in der Regel nur über eine Schulter getragen wurde. Darunter trug man den sog. Dolman, eine mit Schnüren versetzte eng anliegende Jacke mit Stehkragen.[4] Als Kopfbedeckung trug man eine Mütze (ung. „süveg“[5]), die mit einem Federbusch verziert war. Als Accessoires zur Tracht gehörte eine Krawatte, ein Gürtel, ein Degen mit entsprechenden Halter und bis an die Knie reichende Stiefel. Zur Galatracht wurden Orden und Ehrenzeichen und teilweise sehr teurer Silberschmuck getragen. Die Ungarische Magnatentracht war sehr kostspielig und deshalb konnten sich solch eine Tracht nur sehr wohlhabende Leute leisten.

Magnatentracht für Frauen

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Die Magnatentracht für Frauen war wesentlich variabler, als die sehr konservativen Formen der Herren. Sie war eher an die aktuelle Mode angepasst. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Formen vom Empire sehr beeinflusst, gefolgt von Biedermeier. Um 1860 wurden Krinoline-artige Formen modern. Lediglich die sog. „Hof-Gala“ der Ungarischen Magnatentracht für Frauen blieb in ihren Formen unverändert. Sie bestand aus einem aus dem Empire stammenden Kleid mit langer Schleppe und mit einer Damenschürze (ung. kötény[6]). Als Kopfbedeckung wurde die sog. párta[7] eine Art Kranz getragen. In vielen Fällen wurde die párta durch ein Kopftuch ersetzt.

  • Magyar Néprajzi Lexikon. 5 Bände, Akadémiai Kiadó, Budapest 1977 bis 1982, ISBN 963-05-1285-8 (ungarisch)

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Das Osmanische Reich hielt große Teile Ungarns nach der Schlacht bei Mohács (29. August 1526) besetzt. Erst in der Schlacht bei Zenta am 11. September 1697 gelang es, die Türken endgültig aus Ungarn zu vertreiben.
  2. Während der Reformzeit, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlief, war man bestrebt das wirtschaftlich relativ rückständige Ungarn zu modernisieren. Gleichzeitig wurde diese Ära auch als die Zeit des „Erwachens“ der ungarischen Nation bezeichnet.
  3. Die Mente ist ein aus Wolle, bzw. Walkloden gefertigter Überrock, der in der Regel bis an die Knie reicht. (Magyar Néprajzi Lexikon, Band 3, S. 560; siehe Literatur)
  4. Der Dolman war ursprünglich ein Kleidungsstück der ungarischen Husaren, er wurde in späterer Zeit ein Teil der Ungarischen Magnatentracht. (Magyar Néprajzi Lexikon, Band 1, S. 599; siehe Literatur)
  5. Der Süveg ist eine Kopfbedeckung für Herren, die in verschiedenen Ausführungen hergestellt wurde. Meistens war es eine mit Pelz verbrämte Mütze die mit einem Federbusch verziert war. (Magyar Néprajzi Lexikon, Band 4, S. 514; siehe Literatur)
  6. Ursprünglich dienten die Schürzen zum Schutz der darunter liegenden Kleidung bei der Arbeit. Sie wurden im Laufe der Zeit zu einem Kleidungsstück der ungarischen Bauerntracht, von wo sie auch in die Ungarische Galatracht Eingang fanden. In den meisten Fällen handelte es sich um sehr aufwendig gearbeitete und von Hand bestickte Stücke. (Magyar Néprajzi Lexikon, Band 3, S. 312f.; siehe Literatur)
  7. Die párta war eine Art Jungfernkranz, bzw. Seidenkranz, den in der Regel nur Mädchen und unverheiratete Frauen tragen durften. Zu Hofe war dieser Kopfschmuck zugelassen, da die Hofdamen unverheiratet sein mussten. (Magyar Néprajzi Lexikon, Band 4, S. 198f.; siehe Literatur)