Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer – Wikipedia

Auftragung (in blauer Farbe) des Logarithmus von für die elliptische Kurve anhand der senkrechten Achse, wobei die erste Million Primzahlen durchläuft. Aufgetragen ist auf der horizontalen Achse , sodass die BSD-Vermutung eine Annäherung auf die rot eingezeichnete Gerade vorhersagt (Steigung gleich Rang der Kurve, hier 1).
Schaubild der L-Funktion zu mit einfacher Nullstelle in . BSD sagt voraus, dass die rationalen Punkte auf dieser Kurve im Wesentlichen auf einem „Strahl“ – einem eindimensionalen Gebilde – liegen.

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, kurz BSD, ist eines der bedeutendsten ungelösten Probleme der modernen Mathematik und macht Aussagen zur Zahlentheorie auf elliptischen Kurven. Benannt wurde sie nach den Mathematikern Bryan Birch und Peter Swinnerton-Dyer, die sie erstmals im Jahr 1965 aufstellten, wobei sie ihre Vermutung auf eine bereits 1958 gestartete Serie von Berechnungen an den EDSAC-Computern stützten. Diese hatten zum Ziel gehabt, eine zur Klassenzahlformel von Dirichlet „analoge Theorie“ für elliptische Kurven zu entdecken. Die Vermutung wurde im Jahr 2000 vom Clay Mathematics Institute in die Liste der sieben Millennium-Probleme der Mathematik aufgenommen. Das Institut in Cambridge (Massachusetts) hat im Zuge dessen ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für eine schlüssige Lösung des Problems in Form eines mathematischen Beweises ausgelobt. Hinsichtlich des Auffindens potenzieller Gegenbeispiele existieren in der Preisausschreibung jedoch Sonderregeln, insbesondere dann, wenn diese mit der Rechengeschwindigkeit moderner Computer erlangt wurden, und keinerlei „tiefere Einsicht“ in das Problem geben können.

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist für Mathematiker von großem Interesse, da sie eine überraschende und sehr tiefe Beziehung zwischen zwei völlig verschiedenen mathematischen Theorien, nämlich komplexer Analysis und Zahlentheorie, aufbaut. Die Lösung des Problems würde demnach zwingend erfordern, bisher völlig unbekannte und äußerst tiefe Strukturen in der „Architektur der Mathematik“ an die Oberfläche zu fördern. Dabei hilft die Vorstellung, dass die Mathematik ein Gespinst aus zahllosen „Punkten“ (= Aussagen) ist, die durch „Pfeile“ (= logische Schlussfolgerungen) teilweise direkt miteinander verbunden sind. Brücken zwischen zwei vormals völlig verschiedenen Theorien helfen nun zahlreiche „neue Pfeile“ in diesem Graphen zu erhalten, was zur Folge hat, dass viele weitere Probleme gelöst werden können und einige neue Anwendungsmöglichkeiten entstehen. In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass gerade das Bauen solcher Brücken eine mathematisch besonders schwierige Aufgabe ist.

Trifft die Vermutung zu, existiert ein enger Zusammenhang zwischen den Lösungsanzahlen bestimmter Gleichungen und dem Nullstellenverhalten gewisser, eben diesen Gleichungen zugehöriger mathematischen Funktionen. Die Lehre der Gleichungen ist dabei zentraler Gegenstand der Algebra. Von den Lösungen wird in der Formulierung des Problems jedoch verlangt, dass diese rationale Zahlen sind, also Quotienten ganzer Zahlen. Dies bringt neben der Algebra die mathematische Disziplin der Zahlentheorie mit ins Spiel. Im Gegensatz dazu sind mathematische Funktionen Teil der Analysis, die sich mit Aspekten wie Stetigkeit, Nullstellen und auch Differentialrechnung beschäftigt. Die große Herausforderung besteht also darin, diese völlig verschiedenen mathematischen Gebiete – Zahlentheorie und Analysis – im Rahmen einer sehr schweren Fragestellung zu vereinen. Kurz gesprochen besagt die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, dass sich die Häufigkeit der Lösungen zu gewissen, für die Mathematik sehr bedeutenden, Gleichungen an der Ordnung der Nullstelle diesen Gleichungen zugehöriger Funktionen an der Stelle ablesen lässt.

Konkret besagt das Problem: Sei eine elliptische Kurve über den rationalen Zahlen und ihre L-Funktion (die Variable ist in diesem Kontext üblich). Nach dem Satz von Mordell bildet die Menge aller rationalen Punkte die Struktur einer endlich erzeugten abelschen Gruppe, ist also isomorph zu , wobei den Torsionsteil von bezeichnet und der sog. Rang von ist. Die Vermutung sagt, dass gelten sollte. Dabei bezeichnet allgemein die Nullstellenordnung einer mathematischen Funktion an der Stelle .

Über die bloße Angabe einer Beziehung zwischen Rängen und Nullstellenordnungen geht das Problem sogar noch tiefer. Eine besonders wichtige Größe hierbei ist die Tate-Shafarevich-Gruppe einer elliptischen Kurve. Sie misst ab, wie stark das sog. Lokal-Global-Prinzip an dieser Kurve scheitert. Gegenstand der starken Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist, dass die Tate-Shafarevich-Gruppe elliptischer Kurven stets endlich ist und deren Mächtigkeit zusammen mit anderen Invarianten der Kurve in der Taylor-Entwicklung der L-Funktion an der Stelle kodiert ist.

Trotz immenser Anstrengungen ist man bis heute sehr weit von einer Lösung des Problems entfernt. Dennoch konnte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Vermutung für die Ränge und positiv entschieden werden. Darüber hinaus existiert starke numerische Evidenz, die die Vermutung auch für die Ränge stützt und ihre Richtigkeit plausibel macht. Theoretische Resultate für Ränge sind aus Expertensicht wegen des Scheiterns der Heegner-Punkt-Methode bisher nicht mal auf der Ebene einzelner Kurven erreicht worden. In jüngster Vergangenheit wurden auch zunehmend Methoden im Umfeld der künstlichen Intelligenz verwendet in der Hoffnung, Strukturen hinter der Verteilung der Ränge elliptischer Kurven zu finden.

Problembeschreibung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer sagt voraus, dass sich die Anzahlen der Lösungen zu gewissen Gleichungen an Stellen der modernen Mathematik wiederfinden lassen, wo man nicht mit ihnen rechnet. Dies ist gleichzeitig der Grund, weshalb sie als so schwer zu beweisen gilt: Bis heute verfügt man über keine Theorie, die eine Erklärung für diesen Zusammenhang liefern kann. Mathematische Theorien sind auf Axiomen (= Grundannahmen) aufgebaut, die als wahr angenommen werden, aber trotzdem „einfach da sind“, und deshalb kommt es bis in die Gegenwart häufig vor, dass Probleme formuliert wurden, die erst weit nach Gründung der mathematischen Methodik gefunden oder gelöst wurden. Vergleichbar ist dies mit dem Schachspiel: Durch Angabe der einfachen Regeln ist das Spiel „vollständig vorhanden“, aber dennoch bis heute nicht „gelöst“ in dem Sinne, dass es keinen „perfekten Schachspieler“ gibt.

Bild 1: Schaubild der Geraden . Die Bezeichnung „Gerade“ rührt von der Formung der Kurve her.
Bild 2: Schaubild der elliptischen Kurve

Zur Einordnung der Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist ein Verständnis des Konzepts der mathematischen Gleichung zentral. Beispiele für Gleichungen sind , und . Bei letzterer muss das Symbol erst „sichtbar“ gemacht werden, bevor mit endlich der einfache Zusammenhang klar erkannt wird. Gleichungen können umgeformt werden. Dahinter steckt die Idee, dass, wenn zwei identische Größen auf identische Weise manipuliert werden, die Resultate wieder identisch sein müssen. Addiert man beidseitig mit , entsteht daraus – wieder eine gültige Gleichung. Dividiert man beidseitig durch , entsteht , was den Vorteil hat, die schon vorher eindeutig bestimmte Größe „sichtbar“ gemacht zu haben. In vielen Problemen der wissenschaftlichen Praxis entstehen aus bekannten Beziehungen zunächst unbekannter Größen abstrakte Gleichungen, weshalb Techniken zu deren Auflösen große Bedeutung zukommt: Die innerhalb einer wissenschaftlichen Theorie erarbeiteten kausalen Zusammenhänge „zwingen“ die Größen in einen begrenzten Raum an Möglichkeiten, doch erst ein Auflösen der entstehenden Gleichungen macht diese wenigen Möglichkeiten „sichtbar“.

Die Vermutung beschäftigt sich mit Gleichungen ganz bestimmten Typs, die in der Mathematik – auch bezüglich ihrer Anwendungen – eine besondere Rolle einnehmen. Bezeichnet werden diese als elliptische Kurven. Streng genommen beschreibt das Wort „Gleichung“ diese aber nur unzureichend: Das Wort Kurve hingegen präzisiert, dass es sich bei einer elliptischen Kurve um eine Ansammlung aller Lösungen einer ganz bestimmten Gleichung mit zwei Unbekannten im Raum handelt, die als geometrische Figur eine „kurvenförmige“ Gestalt hat.

Dieses Konzept ist auch aus Sicht der Schulmathematik keinesfalls neu: Eine Gerade – Prototyp der „einfachsten“ aller Kurven – besteht aus allen Punkten , die gemeinsam eine Gleichung der Form

mit festen Zahlen lösen (dabei werden die Komponenten und als Zahlen einzeln eingesetzt).

Dadurch, dass gleich zwei Größen, nämlich und , nicht näher benannt sind, ist eine größere Anzahl an Lösungen zu erwarten. Als Beispiel kann der Fall betrachtet werden: „Vollständig sichtbare“ Lösungen benennen beide Unbekannte, hier etwa , oder . Erst das Aufspannen zweier Dimensionen – also einer „x-Dimension“ und einer „y-Dimension“ – erlaubt es, dieses Kollektiv ganz zu fassen (siehe Bild 1). Wegen handelt es sich ferner um nichts anderes als eine tabellarische Auflistung aller Punkte der Form .[1] Aus geometrischer Sicht ist es naheliegend, die daraus entstehende Kurve als Gerade zu bezeichnen.

Bei elliptischen Kurven handelt es sich hingegen um eine Ansammlung von Punkten , die gemeinsam eine kubische Gleichung erfüllen, die meist in der Form

mit festen Zahlen

geschrieben wird.[Anm. 1] Die Zahlen und sind rational, und wegen deren Beliebigkeit[Anm. 2] gibt es eine „unendliche Familie“ elliptischer Kurven:

und eine unbegrenzte Zahl weiterer Beispiele. Das Beispiel soll ab jetzt öfter für Veranschaulichungen herangezogen werden.

Wie im Falle der Geraden werden beim Aufbau elliptischer Kurven nur die vier Grundrechenarten genutzt. Daher werden sie, genauso wie die Geraden, zu den algebraischen Kurven gezählt. Wie bei allgemeinen Gleichungen kann man auch hier nach Lösungen fragen. Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist jedoch ein zahlentheoretisches Problem. Im Vordergrund des Interesses stehen also rationale Lösungen von Gleichungen, die dann zu Punkten etwa der Formen

oder

korrespondieren. Man ist also ausschließlich an rationalen Punkten interessiert.

Die elliptische Kurve mit all ihren rationalen Punkten

Beispiel: Es liegt der rationale Punkt (d. h. und ) auf der elliptischen Kurve , denn es gilt

(auf beiden Seiten ist das Ergebnis ).

Dabei ist zu beachten, dass und analog . Ähnlich schnell lässt sich nachprüfen, dass die rationalen Punkte , , sowie auf der Kurve liegen.

Tatsächlich sind diese 5 Beispiele die – sieht man von einem „unendlich fernen Punkt“ ab, der nicht im Graphen enthalten ist – einzigen rationalen Punkte auf der elliptischen Kurve , also wird keine Kombination rationaler Zahlen außer den oben genannten die Gleichung erfüllen.[2] Dies zu sehen ist jedoch mathematisch eine schwierige Aufgabe.

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer beschäftigt sich mit der Anzahl rationaler Punkte auf elliptischen Kurven. Trifft sie zu, kann mit vergleichsweise wenig Aufwand „direkt ausgerechnet werden“, dass auf der Kurve nur endlich viele rationale Punkte liegen können.

Dies demonstriert, dass Punkte auf Kurven durch geschicktes Raten gefunden werden können – und der einfache Aufbau einer Kurve macht die Probe sehr leicht. Bloßes Raten ist im Allgemeinen allerdings kein akzeptabler mathematischer Algorithmus (=  Vorgehensweise). Es gibt jedoch kein bewiesenes schnelles Verfahren, die Gleichungen einer elliptischen Kurve „aufzulösen“, also ohne naives Raten Punkte tatsächlich zu finden. Dafür ist in besonderem Maße der Term verantwortlich, der eine wesentliche Verkomplizierung der Gleichung zur Folge hat. Gerade aus zahlentheoretischer Sicht sind algebraische Kurven, die aus den vier Grundrechenarten hervorgehen, allerdings von sehr großem Interesse: In den Gleichungen werden die Rechendisziplinen der Addition und der Multiplikation vermischt, wie man beim Weglassen der Abkürzungskonventionen besonders gut erkennen kann:

Jedoch verbirgt sich die äußerst tiefe Struktur „hinter den Zahlen“ gerade in einem „möglichen Zusammenspiel“ aus Addition und Multiplikation, und was zuerst simpel klingt, ist ein extrem schwieriges Problem. Einige prominente ungelöste mathematische Probleme demonstrieren dies:

  • Es ist bis heute unbekannt, ob es unendlich oft vorkommt, dass zwei benachbarte Primzahlen den Abstand 2 haben. Beispiele für diese Primzahlzwillinge sind und . Primzahlen entspringen der multiplikativen Zahlentheorie, aber die Vorschrift, dass die Differenz den Wert haben soll, ist additiv.
  • Die abc-Vermutung bringt Eigenschaften der Primfaktorenzerlegungen teilerfremder Zahlen und mit der von in Verbindung.

Vergleichbar ist die Tatsache, dass es die theoretische Physik bis heute nicht schafft, die Grundkräfte in einer großen vereinheitlichten Theorie zu einen.

Linsenförmige Spielsteine in Schwarz und Weiß liegen unregelmäßig auf einem Holzbrett verteilt, das horizontal und vertikal liniert ist.
„Lokal-Global-Prinzip“: Jeder Stein in einer Go-Partie hat zunächst nur einen lokalen Einfluss, und dennoch ist das Spiel durch die Positionen der einzelnen Steine (die „lokalen Faktoren“) eindeutig bestimmt. Obwohl die Regeln des Spiels leicht zu erklären sind, erhält es eine ungeheure Komplexität durch das globale Zusammenspiel aller „lokalen Faktoren“.

Dem Problem des Auffindens von rationalen Lösungen algebraischer Gleichungen, wie etwa , stand die Mathematik viele Jahrhunderte ratlos gegenüber. Bei der Entwicklung und Etablierung moderner mathematischer Methoden kam man jedoch zu dem Schluss, dass es helfen kann, eine Gleichung wie als ein „System“ aufzufassen. Bei dessen Untersuchung hilft es, dieses in sehr viele kleine „Teilsysteme“ zu „zerlegen“ und diese „Einzelteile“ separat zu studieren. Gegebenenfalls sagen dann Muster in diesen lokalen Teilen etwas über das globale System aus. Die lokalen Untersysteme sind dabei im Wesentlichen wieder die Gleichung , aber mit dem Unterschied, dass es nur eine endliche Anzahl an Möglichkeiten für die Größen und zur Auswahl gibt. Diese endlich vielen Größen formen jedoch in Analogie zu den rationalen Zahlen wieder einen hinsichtlich der vier Grundrechenarten abgeschlossenen Bereich (sodass algebraische Gleichungen weiterhin einen Sinn ergeben). In der Zahlentheorie nennt man dieses Prozedere auch Lokal-Global-Prinzip.

Jedes „Teilsystem“ kann nun wegen des deutlich eingeschränkten „Definitionsbereichs“ für und einfacher analysiert werden. Zählt man dort die Lösungen (etwa über eine Computerberechnung), gewinnt man über diese Strategie ein Verfahren

Teilsystem Ganze Zahl.

Daraus ergibt sich eine Folge ganzer Zahlen, die nicht endet (da es unendlich viele „Teilsysteme“ gibt). Etwa ergibt sich für den Fall [3]

Aus diesen Zahlen, den lokalen Komponenten, kann man nun eine globale mathematische Funktion erzeugen (das im Index notiert, dass diese von der fest gewählten elliptischen Kurve abhängt). Dieser Konstruktionsprozess ist mathematisch keine einfache Aufgabe, wird aber in diesem Artikel weiter unten beschrieben. Von großem Vorteil ist dabei, dass das Verständnis auf Seiten der lokalen Komponenten vollständig vorhanden ist: So konnte etwa der deutsche Mathematiker Helmut Hasse bereits 1936 die Riemannsche Vermutung für diese lokalen Zetafunktionen zeigen.[4] Dies zieht ein ziemlich präzises Verständnis der obigen Zahlenfolge nach sich. Zur Formulierung der Vermutung ist jedoch nur das Verhalten der globalen Funktion an der Stelle entscheidend, weshalb ihr „Funktionsterm“ gar nicht genauer bekannt sein muss. Eine erste, sehr grobe Formulierung ist:

Trifft die Vermutung zu, sagt das Nullstellenverhalten von  an  etwas darüber aus, wie viele rationale Punkte die elliptische Kurve  hat. 

Dabei wird nicht bloß zwischen „endlich“ und „unendlich“ unterschieden, sondern es gibt sogar verschiedene Ausprägungen von unendlich – dies äußert sich in der Nullstellenordnung bei : Es bezeichnen

die Prototypen der Funktionen mit Nullstellenordnungen 0, 1, 2, 3, 4 usw. an der Stelle .

Dieses Muster setzt sich weiter fort, wobei ab Dimension 4 jedoch keine anschauliche Darstellung mehr möglich ist. Sehr wichtig ist zudem, dass dies nur exemplarische Darstellungen der Lösungen sind, also die Lösungen per se nicht Punkte in sehr hochdimensionalen Räumen sind – haben sie doch stets die Form . Diese Darstellung über eine „Gitterstruktur“ der Lösungen macht dennoch Sinn – und motiviert sich rechnerisch: Auf den rationalen Punkten elliptischer Kurven ist nämlich eine Form der „Addition“ erklärt. Es ist also möglich, über ein rechnerisches Verfahren

aus zwei bekannten Punkten und auf einer elliptischen Kurve einen neuen Punkt auf eben dieser zu gewinnen. Dieses Verfahren ist mühsam, beruht aber ausschließlich auf den vier Grundrechenarten. Hat man also zwei rationale Punkte durch geschicktes Raten gefunden, so kann man durch eine Rechenoperation einen dritten, möglicherweise völlig neuen, rationalen Punkt auf eben jener Kurve erzeugen. Eine Folgerung ist, dass viele „komplizierte Punkte“ auf der Kurve durch häufige „Addition“ oder „Subtraktion“ „simplerer Punkte“ entstehen, und so reicht es gewissermaßen aus, die „simplen Punkte“ zu zählen, um ein Verständnis für die Anzahl aller Punkte zu gewinnen. Dies motiviert die oben angedeutete Form der „Dimension“: Die Elemente und etwa erzeugen auf Ebene der klassischen Addition alle Punkte mit ganzen auf eindeutige Weise, zum Beispiel ist

Genauso muss auf Ebene der Punkte auf einer elliptischen Kurve gedacht werden: Gibt es genau zwei Punkte und , die im Wesentlichen alle anderen auf eindeutige Weise erzeugen, so entsteht gedanklich durch eine „P1“-Achse und „P2“-Achse ein zweidimensionales Gitter.

Der Ausdruck „im Wesentlichen“ bedeutet, dass es bei elliptischen Kurven stets endlich viele „Ausnahmepunkte“ geben kann, die sich „gänzlich“ nicht aus den Erzeugern generieren lassen. Genauer gesagt gibt es stets eine (sogar eindeutige) Zerlegung

Somit muss stets bis auf diese endlich vielen Ausnahmepunkte gedacht werden.

Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer: Die Nullstellenordnung der zur elliptischen Kurve  zugeordneten mathematischen Funktion  an der Stelle  ist eine „Dimensionszahl“. Sie gibt exakt an, wie viele rationale Punkte man mindestens braucht, um im Wesentlichen alle anderen rationalen Punkte auf  durch „Addition“ und „Subtraktion“ zu generieren. 

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist also eine Variante der Lokal-Global-Prinzips: Da alle lokalen Teilsysteme der elliptischen Kurve gleichzeitig die Funktion in ihrem „Zusammenspiel“ definieren, sollten diese der Lokal-Global-Philosophie folgend etwas über die Gleichung in den rationalen Zahlen wissen.

Die Existenz einer Form der „Addition“ auf elliptischen Kurven wird auch in den sogenannten „Elliptic-curve“-Primzahltests, in HW Lenstras „Elliptic-curve“-Faktorisierungsmethode[8] und in „public-key“-Verschlüsselungsverfahren in der Kryptographie ausgenutzt.[9] Dazu braucht man Kurven mit möglichst vielen rationalen Punkten und nutzt die Schwierigkeit aus, die Ausgangsdaten für die additive Erzeugung großer rationaler Punkte der Kurve zu finden. Siehe dazu Elliptische-Kurven-Kryptosysteme.

Benötigte Grundlagen und Formulierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es werden die folgenden üblichen Notationen verwendet:

  • für die natürlichen Zahlen.
  • für die ganzen Zahlen.
  • für die rationalen Zahlen.
  • für die reellen Zahlen.
  • für die komplexen Zahlen. Es bezeichnen und den Real- bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl .
  • Es bedeutet , dass ein Element der Menge ist, und dass es kein Element der Menge ist. Zum Beispiel ist und .
  • Es bezeichnet die natürliche Exponentialfunktion und den natürlichen Logarithmus.

Rechnen mit rationalen Zahlen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer beschäftigt sich mit sog. rationalen Punkten. Für ein näheres Verständnis ist das Rechnen mit rationalen Zahlen bzw. „Brüchen“ also unverzichtbar. Eine reelle Zahl – anschaulich jede mögliche Länge auf einem Strahl ohne „kleinste Einheit“ – heißt rational, falls sie als Quotient zweier ganzer Zahlen geschrieben werden kann, also mit irgendwelchen ganzen Zahlen und . Dabei ist der Zähler und der Nenner. Beispiele für rationale Zahlen sind . Es handelt sich also anschaulich genau um jene Bruchteile, die entstehen, wenn eine „zählbare“ Anzahl von Dingen (wie „17 Euro“) auf eine ebenfalls „zählbare“ Personengruppe (zum Beispiel „4 Personen“) verteilt werden soll. Der entstehende Bruch kann dann als „Anteil für jede Person“ interpretiert werden.

Mit rationalen Zahlen kann gerechnet werden: Die Addition wird über Bildung des kleinsten gemeinsamen Nenners realisiert, und bei der Multiplikation werden Zähler und Nenner jeweils miteinander multipliziert.[10]

Algebraische Kurven

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zahlenstrahl (oben), ebene kartesische Koordinaten (unten)

Der Begriff des Punkts spielt für die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer eine wichtige Rolle. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Zusammenspiel zwischen dem örtlichen Aspekt eines Punktes (Geometrie) und dem quantitativen Aspekt (Zahlentheorie) zu. Anschaulich ist ein Punkt ein Objekt „ohne jede Ausdehnung“. In der Euklidischen Ebene kann ein Punkt stets durch Angabe kartesischer Koordinaten angegeben werden, man schreibt dann . Bei und handelt es sich um reelle Zahlen, und die Ebene wird dadurch definiert, dass man jede mögliche Kombination von Längen und zweier Zahlenstrahlen betrachtet. Diese Zahlenstrahlen lassen sich als zwei Achsen visualisieren, die die Ebene „aufspannen“ (siehe Bild).[11]

Ein bedeutender Gegenstand der ebenen Geometrie ist das Studium von Figuren in der Ebene. Dazu zählen zum Beispiel Geraden, Kreise, Hyperbeln, Parabeln oder auch Ellipsen. All diese Figuren haben gemeinsam, dass sie aus einer Teilmenge aller Punkte der Ebene entstehen. Zum Beispiel ist jeder Punkt auf einem Kreis Teil der Ebene, aber nicht jeder Punkt der Ebene ist Teil des Kreises. Mehr noch: Gerade die explizite Auswahl bestimmter Punkte und deren „Zusammenwirken“ ergibt den Kreis. Entscheidend ist daher die Frage, nach welchen Kriterien man alle Punkte auf einer Figur bestimmen kann. Gleichbedeutend kann gefragt werden, in welcher Gemeinsamkeit sich die Punkte einer Figur von all den anderen Punkten in der Ebene unterscheiden.

Theoretisch lassen sich beliebig willkürliche „Figuren“ durch Auswahl völlig zufälliger Punkte formen – die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Dennoch wird, angefangen in der Schulmathematik, gleich zu Beginn der Fokus auf ganz bestimmte Figuren gelegt, angefangen mit der Geraden. Ihre geometrische Natürlichkeit korrespondiert zur Algebra, denn die Gemeinsamkeit der Punkte auf einer Geraden kann mit den vier Grundrechenarten erklärt werden. Verläuft die Gerade nicht parallel zur „y-Achse“, so existieren stets zwei Zahlen und , sodass ihre Punkte sämtlich von der Gestalt sind. Da die zweite Koordinate traditionell als geschrieben wird, ist die (äquivalente) Beschreibung als Gleichung sehr gebräuchlich. Während in der Ebene bei der Wahl eines Punktes völlige Offenheit herrschte, ist die Geradenvorschrift mathematisch diskriminierend, denn durch die (freie) Auswahl der ersten Koordinate bleibt für die zweite Koordinate lediglich der Wert übrig, alle anderen „Kandidaten“ scheiden aus und sind nicht Teil der Geraden.[12]

Eine algebraische Kurve ist nun allgemein eine Familie von Punkten in der Ebene, deren Komponenten und alle eine gemeinsame algebraische Relation erfüllen. Das bedeutet, dass es eine Gleichung gibt, in der ausschließlich endlich oft addiert, subtrahiert, multipliziert und dividiert wird, die von allen Punkten gleichzeitig erfüllt wird.[13] Wie oben gesehen erfüllen die Punkte auf (den meisten) Geraden eine algebraische Relation mit festen Zahlen und . Aber auch algebraische Gleichungen höheren Grades sind möglich. Die Normalparabel besteht aus allen Punkten der Form ,[14] und der Kreis mit Radius 1 und dem Ursprung als Mittelpunkt besteht genau aus allen Punkten , sodass

gilt. Dies kann mit dem Satz des Pythagoras gezeigt werden (siehe Bild).[15] Die Formulierung, dass eine Kurve über den rationalen Zahlen definiert sei, bedeutet ferner, dass alle involvierten Polynome zur Definition der Kurve ausschließlich rationale Zahlen verwenden.

Bei einer elliptischen Kurve über den rationalen Zahlen handelt es sich um eine Kurve, deren Punkte eine Gleichung der Form

erfüllen (mit einer Zusatzbedingung an die Werte , siehe unten).[16][Anm. 6] Bei handelt es sich um feste, also kurvenspezifische, rationale Zahlen.[17] Dabei liegt das Augenmerk auf der dritten Potenz , die eine deutliche Verkomplizierung der Gleichung gegenüber quadratischen Kreisgleichungen mit sich bringt. Aus diesem Grund zählen elliptische Kurven nicht zu den linearen oder quadratischen Kurven, sondern sind kubische Kurven.[18] Explizites Beispiel einer elliptischen Kurve über den rationalen Zahlen ist (siehe Bild). Durch geeignete Variablenwechsel können elliptische Kurven über den rationalen Zahlen stets in die stark vereinfachte Form

mit gebracht werden.[19]

Algebraische Kurven können in ihrem Ausmaß, etwa bezüglich des Grades der involvierten Polynome, beliebig kompliziert sein. Etwa definiert auch

eine algebraische Kurve. In manchen Fällen kann es helfen, mit einer Parametrisierung zu arbeiten. Damit ist eine Abbildung gemeint, die einem „isolierten“ Parameter einen Punkt auf der Kurve zuordnet. Ohne Mühe ist erkennbar, dass die Abbildungen bzw. Geraden bzw. die Normalparabel parametrisieren. Mit etwas mehr Aufwand kann gezeigt werden, dass

den Einheitskreis parametrisiert, denn es gilt , also mit den Rechenregeln für Brüche[20]

Rationale Punkte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gegenseitige Lage der Punkte auf einer Kurve sagt etwas über ihre Geometrie aus. Eine zunächst andere Frage geht in die Richtung der Eigenschaften ihrer Punkte. Die „Zahlentheorie auf einer Kurve“ etwa fragt, „wie viele“ rationale Punkte auf einer bestimmten Kurve liegen. Ein Punkt heißt dabei rational, falls beide Komponenten und rationale Zahlen sind, wie zum Beispiel .[21]

Im Falle der Normalparabel, aber auch des Einheitskreises, sieht man über die Parametrisierungen bzw. recht schnell, dass unendlich viele rationale Punkte auf beiden Kurven liegen müssen. Wird der Parameter rational gewählt, so müssen die entsprechenden Punkte rational sein, da die rationalen Zahlen unter den vier Grundrechenarten abgeschlossen sind. Beispiel für einen rationalen Punkt auf dem Einheitskreis ist , denn es gilt

Multipliziert man beide Seiten mit , erhält man . Generell gibt es eine enge Korrespondenz zwischen rationalen Punkten auf dem Einheitskreis und sog. pythagoräischen Tripeln.[22]

Falls eine algebraische Kurve über den rationalen Zahlen definiert ist, heißt das allerdings noch nicht, dass sie viele rationale Punkte haben muss. Allgemein ist es mathematisch ein sehr schweres Problem, zu entscheiden, welche rationalen Punkte auf einer Kurve über den rationalen Zahlen liegen, oder überhaupt irgendeinen solchen Punkt zu finden.[23] Ein Grund dafür ist die Vermischung der Addition und Multiplikation, die beim Aufbau einer Kurve zwangsläufig entstehen kann, die sich aber im Allgemeinen nicht mehr „entwirren“ lässt. Einige Beispiele demonstrieren diese Problematik:

  • Während lineare und quadratische Gleichungen einer Variablen elementar aufgelöst werden können, letztere mit der aus der Schulmathematik bekannten Mitternachtsformel, gibt es zum Beispiel für Gleichungen der Form (und auch höheren Grades) kein allgemeines Lösungsverfahren, bzw. keine Möglichkeit, die Lösungen ganz allgemein geschlossen durch Wurzelausdrücke zu schreiben.[24]
  • Während die Gleichung unendlich viele nicht-triviale ganze Lösungen besitzt, wie zum Beispiel oder , war es lange Zeit eine offene Frage, ob auch für mit ganzzahlige Lösungen mit existieren. Das Problem korrespondiert dabei – nach beidseitiger Division durch  – zu den rationalen Punkten der algebraischen Kurven
,
,
usw.
Der Große Fermatsche Satz, der dies verneint, konnte erst Ende des 20. Jahrhunderts unter großen Anstrengungen gezeigt werden. Dabei wurde nicht die Gleichung umgeformt oder aufgelöst, etwa durch den wirkungslosen „Ansatz“ , sondern ein Resultat über elliptische Kurven bewiesen, die zu den Fermat-Gleichungen korrespondieren.[25]

Die Mathematik ist an rationalen Punkten auf Kurven, trotz der damit einhergehenden immensen Schwierigkeiten, interessiert, da sich die tiefere Natur der Zahlen gerade durch ihr Zusammenspiel mit Addition und Multiplikation offenbart. Während die obige Situation von Kurven mit linearen bzw. quadratischen Polynomen einfach zu behandeln ist, gibt es für elliptische Kurven bis heute kein (bewiesenes) allgemeines Verfahren, um zu entscheiden, wie viele rationale Punkte auf ihr liegen. Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer gibt sehr grob gesprochen ein solches Verfahren an.[26]

Die Diskriminante einer elliptischen Kurve

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Mathematik hilft es oft, komplizierten Objekten „Kennzahlen“ zuzuordnen. Diese sollen zum Beispiel dabei helfen, diese Objekte in ihrer Grundstruktur auseinanderzuhalten, oder entscheidende Informationen preiszugeben:

Auch elliptischen Kurven kann eine „Kennzahl“ zugeordnet werden. Man bezeichnet diese als Diskriminante. Für berechnet sich diese durch[27]

Ist , so nennt man nicht-singulär. Der Fall korrespondiert zu singulären kubischen Kurven. Letztere unterscheiden sich in der Theorie von den elliptischen Kurven und werden im Rahmen der Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer nicht untersucht. Anschaulich bedeutet singulär, dass die Kurve „Knicke“ oder „Schleifen“ hat.[28]

Definition und Anschauung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Achsendrehungen eines Zauberwürfels erzeugen eine Gruppe, nämlich die Menge aller Manipulationsmöglichkeiten: „Nichts tun“ entspricht dem neutralen Element, und jede Abfolge von Drehungen kann durch (umgekehrtes) nacheinander „in die andere Richtung drehen“ rückgängig gemacht werden, was die jeweils inverse Operation gibt.
24-Stunden-Anzeige in Brasilien für die Visualisierung der Gruppe aller vollen Stunden

Gruppen wurden in der Mathematik eingeführt, um das Rechnen mit Zahlen zu verallgemeinern. Bei einer Gruppe handelt es sich um eine Menge von Objekten, zum Beispiel die ganzen Zahlen

und eine Verknüpfung auf dieser Menge, sodass gewisse Eigenschaften erfüllt sind. Mit Verknüpfung ist gemeint, dass man aus je zwei Elementen der Menge ein neues Element derselben erzeugen kann. Im Falle der ganzen Zahlen ist eine solche zum Beispiel die Addition: Die Summe zweier ganzer Zahlen ist wiederum eine ganze Zahl. Zusätzlich soll für eine Gruppe mit Verknüpfung gelten:[29]

  • Assoziativgesetz: Die Klammerung bei der Verknüpfung ist egal. Zum Beispiel gilt für alle . Es ist also unerheblich, welche Verknüpfung in einer Kette von solchen zuerst ausgeführt wird, solange die Reihenfolge der Elemente nicht verändert wird. Dies ist offenbar bei der Addition in den ganzen Zahlen erfüllt, etwa gilt .
  • Existenz eines neutralen Elements: Es existiert ein Element , das bei Verknüpfung mit einem beliebigen anderen Element dieses unverändert lässt. Es gilt also für alle Elemente . In obigem Beispiel ist das neutrale Element die Null, denn es gilt und allgemein für jede (ganze) Zahl .
  • Existenz des Inversen: Zu jedem Element gibt es ein Inverses, allgemein bezeichnet mit , sodass gilt, also unter Verknüpfung das neutrale Element herauskommt. In obigem Beispiel der ganzen Zahlen ist das Inverse zu , da stets gilt.

Es gibt unter den Gruppen auch solche, die mit Zusatzeigenschaften auffallen.

  • Gilt zusätzlich zu den Gruppeneigenschaften noch das Kommutativgesetz, also für alle , so spricht man auch von einer abelschen Gruppe (zu Ehren von Niels Henrik Abel). Zum Beispiel ist eine abelsche Gruppe, da die Summe zweier Zahlen nach deren Vertauschung unverändert bleibt.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für Gruppen, etwa die Menge der rationalen Zahlen ohne die Null, in Zeichen , mit der Multiplikation als Verknüpfung (das neutrale Element ist dann die ). Von Interesse sind jedoch auch endliche Gruppen. Ein alltägliches Beispiel ist das Rechnen mit Stunden und Uhrzeiten. Da man sich bei Tageszeiten nicht immer für das genaue Datum interessiert, beginnt der neue Tag nach „Stunde Null“ nicht (nur) mit „Stunde 24“, sondern wieder mit „Stunde Null“ (erkennbar beim Übergang von 23:59:59 zu 00:00:00 auf einer digitalen Uhr). Die Stundenanzeige weist also ein 24-periodisches Muster auf. Es ist dennoch möglich, in diesem Stundensystem in einer Addition zu rechnen. Ist das Datum nicht von Belang, ändert eine Addition von usw. Stunden nichts. Es ist in diesem Sinne zum Beispiel

Somit bildet das Kollektiv „aller vollen Stunden“ zusammen mit der eben erklärten „Addition“ eine endliche, abelsche Gruppe (mit als neutralem Element). In endlichen Gruppen ist es zwangsläufig so, dass die ständige Verknüpfung eines Elementes mit sich selbst irgendwann wieder beim neutralen Element mündet, im Falle der Stunden zum Beispiel

Man nennt die kleinste benötigte natürliche Anzahl der Verknüpfungen zur Erreichung des neutralen Elements auch die Ordnung des betroffenen Elements.[30] Zum Beispiel ist in obigem Beispiel die Ordnung der gerade . Der Effekt des ständigen Verknüpfens eines Elements mit sich selbst bildet in endlichen Gruppen also einen „Kreislauf“, da ab dem neutralen Element wieder „von vorne“ begonnen wird. Zu beachten ist in diesem Kontext, dass analoge 24-Stunden-Uhren eine kreisförmige Form besitzen (siehe Bild). Zusätzlich kann bemerkt werden, dass sich dieses Beispiel an der Kuriosität von 24 Stunden orientiert, analoge Überlegungen aber für jede beliebige Zahl an Elementen funktionieren. Gruppen wie die obige mit allgemein Elementen bezeichnet man auch mit (im Falle der vollen Stunden also mit ).[31]

Erzeuger von Gruppen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Besonders „übersichtlich“ werden Gruppen, wenn man eine kleine Anzahl ihrer Elemente hinschreiben kann, die mit Hilfe der Verknüpfung jedes andere Element erzeugen können.

  • Es ist ein Erzeuger der additiven Gruppe , denn durch
werden alle positiven ganzen Zahlen durch sukzessive Addition erzeugt. Hierbei werden gleich zwei wichtige Prinzipien deutlich: Zu einem Erzeuger muss auch stets das inverse Element Beachtung finden (denn dieses ist eindeutig bestimmt, womit keine „wirklich neue“ Information hinzukommt), ergo ergänzen die Liste um die negativen ganzen Zahlen, und zweitens wird das neutrale Element stets trivial erzeugt, etwa durch . Man schreibt dann auch: .[32]
  • Es ist – nach demselben Prinzip wie oben – ein Erzeuger der Gruppe . Allerdings ist zum Beispiel auch ein Erzeuger: Es kann jede Stundenzeit durch Zeitintervalle von je 5 Stunden generiert werden:
und füllt man die Lücken, entsteht jede Uhrzeit genau einmal, bevor schließlich . Das zeigt, dass Erzeuger, selbst bis auf Invertierung, nicht eindeutig sind. Es gilt . Bei der Verwendung der Zeichen wird im Hintergrund stets in der Struktur der gerade untersuchten Gruppe gedacht.

Bei Weitem nicht alle Gruppen lassen sich durch ein einzelnes Element erzeugen. Gruppen, die das vermögen, nennt man zyklisch, und sind aus mathematischer Sicht besonders einfach.[33] Die obigen Beispiele zeigen, dass und zyklisch sind.

Gruppenisomorphismen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die „universelle Struktur“ hinter einer Gruppe, also quasi das detaillierte Netz des Zusammenspiels aller Elemente, zu erfassen, kann es hinderlich sein, sich zu sehr auf die gewählten Symbole für die Bezeichnung ihrer Elemente oder den Anwendungskontext zu fokussieren. Daher bezeichnet man zwei Gruppen und als isomorph, in Zeichen , falls es[34]

  1. eine Eins-zu-Eins-Korrespondenz zwischen ihren Elementen gibt,
  2. und sich die Gruppengesetze beim „Wechsel in die andere Gruppe“ nicht ändern.

So könnte die obige Gruppe auch als bezeichnet werden (mit , usw.), und gemäß des Isomorphismus würde sich zum Beispiel die Rechnung

in

übersetzen. Dies verdeutlicht erneut die Nützlichkeit von Isomorphismen: Die Untersuchung einer Struktur hängt nicht von kulturellen Aspekten, etwa der Benennung von Zahlen mit arabischen Symbolen, oder dem Untersuchungskontext, ab - es kommt nur auf das exakte Zusammenspiel ihrer Elemente an, egal wie sie „heißen“. Ferner wird damit ein „Brückenbau“ zwischen Theorien ermöglicht: Wie gesehen, hat die abstrakte endliche Gruppe Anwendungen auf die menschengewählten Stundenzeiten – taucht aber auch in der Zahlentheorie im Kontext der Zahl 24 auf.

Es kann auch passieren, dass zwei Gruppen mit scheinbar „unterschiedlichen“ Verknüpfungen isomorph sind, also letztlich über exakt die gleiche Struktur verfügen. Ein Beispiel ist der „2-Stunden-Tag“ mit und die multiplikative Gruppe , denn es gilt ebenso ; es liefert dann die Abbildung mit den Isomorphismus.

Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der zentrale Aspekt der Gruppenisomorphie macht es in der Gruppentheorie besonders einfach, mit „allen Gruppen“ zu arbeiten, da die Identifikation mittels Isomorphismen eine bequeme Form der Abstraktion ermöglicht. Ein, auch für die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer, sehr wichtiges Beispiel ist die Klassifikation aller endlich erzeugten abelschen Gruppen. Dazu ist zunächst eine einfache Beobachtung wichtig: Man kann aus zwei Gruppen und eine neue Gruppe „bauen“, indem man für und mit den Tupeln rechnet. Sind und additive Gruppen, definiert man folgende komponentenweise Verknüpfung auf

Auf diese Weise wird zu einer Gruppe, und es gilt . Es gibt keine Limitierung für diese sog. direkten Produkte, und so bilden auch usw. Gruppen mit entsprechend vielen „Komponenten“.[35] Es wird zudem abkürzend

geschrieben (in dieser Notation ist die triviale Gruppe). Ist nun eine endlich erzeugte abelsche Gruppe, so kann gezeigt werden, dass es stets Zahlen sowie gibt mit einem Isomorphismus der Form

Stellt man gewisse Forderungen an die , so können diese in Termen von eindeutig bestimmt werden.[36] Es wird der endliche Teil auch als Torsionsteil bezeichnet; er beinhaltet alle Elemente, die sich mit ständiger Verknüpfung mit sich selbst irgendwann zu Null addieren, also den oben beschriebenen Kreislauf bilden. Der (im Fall ) unendliche Teil der Gruppe ist im Kontext der Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer von besonders großem Interesse.

Das Gruppengesetz auf elliptischen Kurven und der Satz von Mordell-Weil

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einführung und Motivation durch Gerade und Kreis

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Punktaddition auf der Geraden mit durch komponentenweises Addieren
Durch wird der Kreis mit Radius 1 und Mittelpunkt im Ursprung in der Euklidischen Ebene parametrisiert. Bildliche Veranschaulichung der Punktaddition auf dem Kreis.

Auf den rationalen Punkten einiger algebraischer Kurven kann ein Gruppengesetz erklärt werden. Ein Beispiel ist die Gerade mit Steigung . Diese ist gegeben durch die Ansammlung aller Punkte der Form . Zum Beispiel liegen die Punkte

auf dieser Geraden. Wegen der Proportionalität beider Komponenten – sie unterscheiden sich bloß um den Faktor – können Punkte auf der Geraden komponentenweise zu neuen Punkten addiert werden. Etwa liegt

erneut auf der Geraden. Dies funktioniert auch für nichtganze Punkte, da aber die rationalen Zahlen unter Addition selbst abgeschlossen sind (auch bildet eine abelsche Gruppe), formen alle rationalen Punkte auf der Geraden mit Steigung eine abelsche Gruppe mit neutralem Element . Durch die 1:1-Korrespondenz ist diese Gruppe sogar isomorph zu .

Auch für den Kreis ist die Angabe eines Gruppengesetzes möglich (siehe auch Gruppe der rationalen Punkte auf dem Einheitskreis). Liegen die rationalen Punkte und auf dem Einheitskreis, so auch der rationale Punkt[37]

.

Das Symbol für die Gruppenverknüpfung deutet an, dass es sich nicht mehr um eine „gewöhnliche Addition“ handelt. Mit dieser Verknüpfung können aus bekannten rationalen Punkten auf dem Einheitskreis neue gewonnen werden; so gilt

wobei für die verknüpften Punkte und zu beachten ist. In der Tat gilt auch . Es kann dieses Gesetz zwar direkt nachgerechnet werden, allerdings rührt es auf natürliche Weise aus der Parametrisierung des Kreises durch Sinus und Kosinus (siehe Bild) und den Additionstheoremen der Winkelfunktionen her:

Das Gruppengesetz ergibt sich daraus unmittelbar durch und , und das Ergebnis kann geometrisch als der Punkt gedeutet werden, der sich nach Addition der Winkel der Ursprungspunkte ergibt. In der Winkelparametrisierung vereinfacht sich das Gruppengesetz also auf die Vorschrift[38]

Die genaue Struktur der Gruppe der rationalen Punkte auf dem Einheitskreis ist komplizierter als jene auf einer Geraden, kann aber auf mathematisch zufriedenstellende Art beschrieben werden.[39]

Das Gruppengesetz auf elliptischen Kurven

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch auf elliptischen Kurven über den rationalen Zahlen kann ein Gruppengesetz auf den rationalen Punkten definiert werden. Dieses lässt sich am besten geometrisch erklären. Werden zwei Punkte auf der Kurve verknüpft, wird zur Bestimmung des neuen Punktes die Gerade durch beide addierten Punkte gelegt, und der dritte Schnittpunkt mit der elliptischen Kurve an der x-Achse gespiegelt (zumindest dann, wenn Symmetrie zur x-Achse vorliegt, siehe Bild). Das neutrale Element dieser Verknüpfung ist ein „Punkt“, der „unendlich weit entfernt“ liegt, und formal zur Kurve hinzugefügt wird. Dies bedeutet insbesondere, dass das Inverse eines Punktes stets die Spiegelung des Ursprungspunktes an der x-Achse ist (sofern die Terme und in der Kurve nicht auftauchen). Der Beweis, dass die Kollektion aller rationalen Punkte inklusive tatsächlich eine Gruppe bildet, ist wegen des notwendigen Nachweises des Assoziativgesetzes mühsam.[40]

Das Phänomen des „unendlich fernen Punktes“ wird mathematisch mittels der projektiven Geometrie rigoros beschrieben. Erster Schritt ist dabei die Homogenisierung der Kurve unter Hinzufügung einer dritten Variable , also , sodass alle Monome den gleichen Grad 3 haben.[43]

Zwar lässt sich die Punktaddition auf einer elliptischen Kurve geometrisch anschaulich erklären, fußt aber – ähnlich wie beim Einheitskreis – auf der rechnerischen Seite vollends auf den vier Grundrechenarten. Eine geschlossene Formel ist jedoch mühsam hinzuschreiben.[44][45] Dies ist von großer Wichtigkeit, weil es von Vorteil ist, elliptische Kurven auch über anderen Körpern als nur den reellen oder rationalen Zahlen zu studieren. Dazu gehören auch Körper, in denen eine oben angeführte geometrische Sichtweise gar nicht mehr möglich ist.

Es existieren auch Gruppengesetze für singuläre kubische Kurven. Diese Gruppen sind jedoch auf bestimmte Art andersartig als jene der elliptischen Kurven, durch rationale Parametrisierung vollständig beschrieben, und spielen bei der Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer daher keine Rolle.[46]

Der Satz von Mordell-Weil

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis heute existiert kein Verfahren, zu entscheiden, wie viele rationale Punkte eine beliebige elliptische Kurve hat. Allerdings weiß man, dass es stets „deutlich weniger“ rationale Punkte als im Falle etwa der Geraden oder des Einheitskreises sind, sofern die Kurve nicht-singulär ist. Der Satz von Mordell-Weil besagt, dass die abelsche Gruppe der rationalen Punkte auf einer elliptischen Kurve endlich erzeugt ist.[47] Es gibt also stets eine endliche Anzahl von fest gewählten Punkten , sodass sich jeder Punkt in der Form

(dabei ist für definiert: bzw. )

mit irgendwelchen schreiben lässt. Die Anzahl der benötigten Erzeuger kann selbstverständlich mit der Wahl der Kurve variieren. Nach der Klassifikation endlich erzeugter abelscher Gruppen gibt es also ein , sodass

wobei der Torsionsteil ist, also alle Punkte, die sich bei ständiger Addition mit sich selbst „im Kreis bewegen“.[48] Die Zahl ist durch die Kurve fest bestimmt, also eine ihr zugehörige Größe, und heißt der algebraische Rang, oft aber auch einfach nur Rang, von . Sie misst ab, „wie viele“ rationale Punkte auf liegen. Etwa sind es im Fall stets nur endlich viele, und ab Rang unendlich viele, aber das „Maß der Unendlichkeit“ nimmt mit steigendem algebraischem Rang zu. Die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer macht eine Aussage über den algebraischen Rang einer elliptischen Kurve über den rationalen Zahlen.

Elliptische Kurven über endlichen Körpern

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Mathematik bezeichnet ein Körper eine Menge, innerhalb der, einfach gesprochen, mit den vier Grundrechenarten gerechnet werden kann. Dabei sollen die aus der Schulmathematik bekannten Regeln des Kommutativgesetzes (Vertauschbarkeit bei „Plus“ und „Mal“), Assoziativgesetzes (Vertauschbarkeit von Klammern bei „nur Plus“ oder „nur Mal“) und Distributivgesetzes („Ausklammern“ und „Ausmultiplizieren“) gelten. Außerdem muss stets das Element (neutrales Element der Addition) und (neutrales Element der Multiplikation) Teil eines Körpers sein. Insbesondere soll durch jede Zahl ungleich der dividiert werden können. Wichtige Beispiele sind der Körper der reellen Zahlen (Bezeichnung: ) oder der Körper der rationalen Zahlen (Bezeichnung: ).[49]

In exakter mathematischer Fachsprache ist genau dann ein Körper, wenn bzw. eine additive bzw. multiplikative abelsche Gruppe formen, und gleichzeitig das Distributivgesetz (als „Verträglichkeit“ zwischen Plus und Mal) gilt.

Neben den etwa aus der Schulmathematik bekannten Körpern der rationalen und reellen Zahlen existieren viele weitere Beispiele, darunter sogar auch endliche Körper. Die einfachsten endlichen Körper entstehen nach Wahl einer beliebigen Primzahl . Wie bereits gesehen, bildet dann eine additive abelsche Gruppe. Die Primzahleigenschaft ermöglicht aber auch eine Multiplikation und Division (durch Zahlen ungleich ) innerhalb . Ist zum Beispiel , so ist das multiplikative Inverse von , denn

Elliptische Kurven können auch über den Körpern betrachtet werden. Dort existiert weiterhin eine Punktaddition, da diese lediglich die vier Grundrechenarten benötigt. Auch ist es möglich (und notwendig), einen „unendlich fernen“ Punkt zu betrachten. Für die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer ist es nun essentiell, die Anzahl der Punkte für jeden der Körper usw. zu betrachten (es werden stets endlich viele sein). Die Anzahl der Punkte auf der reduzierten Kurve wird oft mit bezeichnet (nimmt man also den unendlich fernen Punkt hinzu, ist die Anzahl genau ). Bei diesem Reduktionsverfahren muss allerdings beachtet werden, dass für eine endliche Anzahl von Primzahlen eine singuläre Kurve entstehen kann.[50] Diese „bad primes“ (dt.: „schlechten Primzahlen“), welche die Diskriminante von teilen, müssen in der Theorie gesondert betrachtet werden.[51]

Beispiel: Es hat die elliptische Kurve genau fünf Punkte über dem Körper , nämlich und (die Kurve hat Diskriminante