Victor Gardthausen – Wikipedia

Victor Emil Gardthausen (* 26. August 1843 in Kopenhagen; † 27. Dezember 1925 in Leipzig) war ein deutscher Althistoriker, Paläograph und Bibliothekar.

Victor Gardthausen war der Sohn des Juristen Emil Gardthausen, der Postmeister in Neumünster und Bevollmächtigter der Schleswig-Holsteinischen Kanzlei in Kopenhagen war. Er war verheiratet mit Sophie, geb. Rehwald. Victor Gardthausen studierte nach dem Schulbesuch in Altona ab 1865 an der Universität Kiel bei Alfred von Gutschmid Altertumswissenschaften, insbesondere Alte Geschichte. Er wechselte für einige Zeit an die Universität Bonn, wo er bei Arnold Schaefer und Heinrich Nissen studierte. Nach Kiel zurückgekehrt, wurde Gardthausen dort 1869 mit einer Arbeit über Ammianus Marcellinus promoviert. Er ging nach Dienst im Krieg von 1870/71 zu Forschungsaufenthalten nach Italien und Griechenland und habilitierte sich 1873 an der Universität Leipzig, wiederum mit einer Arbeit über Ammianus, von dessen Werk er in den folgenden Jahren auch eine Ausgabe veröffentlichte. 1873 wurde Gardthausen Bibliothekar an der mit der Leipziger Stadtbibliothek vereinigten Pölitzschen Bibliothek. 1874 trat er als Assistent in den Dienst der Universitätsbibliothek Leipzig, wo er 1875/76 als Kustos tätig war. Seit 1877 war er außerordentlicher Professor für Alte Geschichte und Epigraphik an der Universität Leipzig. 1887/1888 war er als Bibliothekar wiederum an der Universitätsbibliothek tätig, wo er 1901 Oberbibliothekar wurde. Nachdem er 1907 nicht zum Direktor der Bibliothek berufen worden war, verließ Gardthausen den Bibliotheksdienst.

Als Althistoriker ist Gardthausen vor allem durch sein mehrbändiges Werk Augustus und seine Zeit bekannt. Der Frankfurter Althistoriker Klaus Bringmann schreibt über dieses Opus: „Das umfangreiche Werk war damals insofern eine Ausnahmeerscheinung, als Augustus seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz im Schatten Caesars stand. Das war eine Wirkung der Römischen Geschichte Theodor Mommsens, die in einer Apotheose Caesars endete und keinen Raum mehr für eine unbefangene Würdigung seines Adoptivsohnes ließ.“[1] Gardthausen bereitete somit „die überfällige Revision“ des Augustus-Bildes durch Eduard Meyer in den 20er Jahren vor.[2] Diverse Forschungsaufenthalte in Italien, Russland, Spanien, Griechenland (Patmos) und Ägypten (Sinai) führten Gardthausen zur griechischen Paläographie, der er sich sein Leben lang widmete. Seine Griechische Paläographie, 1879 in Leipzig erschienen, wurde in der zweiten Auflage 1910/1911 völlig neu gestaltet und gilt bis heute als Standardwerk.[3] Mit seinen Handschriftenkatalogen (u. a. der griechischen Handschriften der Leipziger Universitätsbibliothek), seiner Untersuchung zu den griechischen Monogrammen und seinem Werk Die griechischen Schreiber des Mittelalters und der Renaissance (mit Marie Vogel) schuf Gardthausen wichtige Hilfsmittel der Byzantinistik. Im Bibliotheksbereich verfasste er ein Handbuch der wissenschaftlichen Bibliothekskunde (1920).

Werke (Auswahl)

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  • Coniectanea Ammianea: codice adhibito Vaticano, Kiel: Schwews, 1849.
  • Die geographischen Quellen Ammians. Probevortrag; Montag den 20. Januar 1873, Leipzig: Teubner 1873 (Leipzig, Univ., Phil. Fak., Diss., 1873).
  • Griechische Palaeographie, Leipzig: Teubner 1879.
  • Mastara oder Servius Tullius. Mit einer Einleitung über die Ausdehnung des Etruskerreiches, Leipzig: Veit 1882.
  • Catalogus codicum graecorum Sinaiticorum, Oxford: Clarendon 1886.
  • Augustus und seine Zeit, 2 Bände, Leipzig: Teubner 1861–1904.
  • Katalog der griechischen Handschriften der Universitäts-Bibliothek zu Leipzig, Leipzig: Harrassowitz 1898 (= Katalog der Handschriften der Universitäts-Bibliothek zu Leipzig. 3).
  • Sammlungen und Cataloge griechischer Handschriften, Leipzig: Teubner 1903 (= Byzantinisches Archiv. 3).
  • Der Altar des Kaiserfriedens, Ara Pacis Augustae, Leipzig: Veit 1908.
  • zusammen mit Marie Vogel: Die griechischen Schreiber des Mittelalters und der Renaissance, Leipzig: Harrassowitz 1909.
  • Amtliche Zitate in römischen Urkunden. In: Archiv für Urkundenforschung, Band 3 (1911), S. 1–22.
  • Griechische Palaeographie, 2 Bände, 2. Aufl., Leipzig: Veit 1911–1913;
    • Bd. 1: Das Buchwesen im Altertum und im byzantinischen Mittelalter, 2. Aufl., Leipzig: Veit 1911.
    • Bd. 2: Die Schrift, Unterschriften, und Chronologie im Altertum und im byzantinischen Mittelalter, 2. Aufl., Leipzig: Veit 1913.
  • Handbuch der wissenschaftlichen Bibliothekskunde, 2 Bände, Leipzig: Quelle und Meyer 1920.
  • Die Alexandrinische Bibliothek, ihr Vorbild, Katalog und Betrieb, Leipzig: Deutsches Museum für Buch und Schrift 1922.
  • Das alte Monogramm, Leipzig: Hiersemann 1924.
  • [Autobiographie]. In: Die Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 2, Leipzig 1926, S. 85–110.
Wikisource: Viktor Gardthausen – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Klaus Bringmann: Augustus (= Gestalten der Antike). Primus, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-89678-605-0, S. 285 f.
  2. Klaus Bringmann: Augustus. Darmstadt 2007, S. 286.
  3. Ernst Gamillscheg (Byzantinist) u. a.: Palaeography. In: The Oxford Dictionary of Byzantium, edited in chief Alexander P. Kazhdan. Oxford University Press, New York/Oxford 1991, ISBN 978-0-19-504652-6, S. 1557 (englisch).