XXII. Parteitag der KPdSU – Wikipedia

Das Wasserkraftwerk Wolgograd, das größte Wasserkraftwerk Europas, wurde am Vorabend des 22. Nationalen Parteitages der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gebaut (und nach diesem benannt)
Staatlicher Kremlpalast (der Ort des Parteitags)
Nikita Chruschtschow (1961)

Der XXII. Parteitag der KPdSU (22. Parteitag der KPdSU, russisch XXII съезд КПСС XXII sjesd KPSS) fand vom 17. bis 31. Oktober 1961 in Moskau, UdSSR, statt. Er wurde zum ersten Mal im neuerrichteten Kongresspalast des Kremls abgehalten. Anwesend waren 4394 Delegierte mit ausschlaggebender Stimme und 405 Delegierte mit beratender Stimme sowie Delegationen von 80 ausländischen Parteien. Während der 14 Tage des Kongresses (am 22. Oktober war ein Tag frei) hatte Nikita Chruschtschow, der Generalsekretär des ZK der KPdSU, den Vorsitz. Auf diesem Kongress kündigte Chruschtschow während seiner Rede an, dass bis 1980 in der UdSSR der Kommunismus aufgebaut werde und es wurde beschlossen, Stalins sterbliche Überreste aus dem Lenin-Mausoleum zu entfernen und separat zu bestatten.

Auf der Tagesordnung standen:

  • Der Bericht des Zentralkomitees der KPdSU (N. S. Chruschtschow);
  • Bericht der Zentralen Revisionskommission der KPdSU (A. F. Gorkin[1]);
  • Die Änderungen in der Verfassung der KPdSU (F. R. Koslow);
  • Wahlen der zentralen Organe der Partei.

Zu den Geschenken an den XXII. Parteitag der KPdSU gehörten der Bau des größten europäischen Wasserkraftwerks Wolgograd und die Explosion der stärksten thermonuklearen Bombe der Geschichte auf dem Testgelände Nowaja Semlja.

Maßstabsgerechtes Modell der Zar-Bombe im Sarower Atomwaffenmuseum

Der 22. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hat beschlossen:

  • Die Charta der KPdSU, die u. a. den Moralkodex der Erbauer des Kommunismus enthielt.
  • Das Dritte Programm der KPdSU wurde angenommen. Der Text des vom Kongress angenommenen Programms schließt mit dem berühmten (später gestrichenen) Satz: "Die Partei verkündet feierlich: "Diese Generation des Sowjetvolkes wird unter dem Kommunismus leben!

Der Kongress wählte das Zentralkomitee der KPdSU, das aus 175 Mitgliedern und 155 Kandidaten bestand, und das Zentrale Revisionskomitee, das aus 65 Mitgliedern bestand.

Dieser Kongress erließ als Teil des neuen Parteiprogramms den Moralkodex der Erbauer des Kommunismus, der im Programm und Statut der KPdSU angenommen wurde.[2] Dem Autor Leonid M. Archangelski[3] zufolge enthält dieser im Programm der KPdSU formulierte Moralkodex

„die kommunistischen Kriterien der sittlichen Begriffe einschließlich der Kategorien des Guten, der Pflicht, des Gewissens, der Ehre und des Glücks... Erst in allerletzter Zeit ist in den Arbeiten W. P. Tugarinows, G. M. Gabs und S. S. Utkins der unserer Ansicht nach erfolgreiche Versuch unternommen worden, den Begriff des Guten marxistisch zu behandeln.[4]

Bei diesem Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war es das letzte Mal, dass die Kommunistische Partei Chinas an einem Kongress der Sowjetunion teilnahm, und die chinesische kommunistische Delegation wurde von Zhou Enlai angeführt, auf dem es zu einem heftigen Zusammenstoß mit der sowjetischen Seite und dem allmählichen Beginn der chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses kam. Während des Parteitags kündigte Chruschtschow an, dass er am 30. Oktober die Zarenbombe testzünden würde, die an Größe, Gewicht und Leistung stärkste Bombe, die jemals gezündet wurde.

Der Kongress intensivierte die Maßnahmen gegen den Stalin-Personenkult, die auf dem XX. Parteitag (1956) eingeleitet worden waren.

Auf dem Kongress erweiterten Chruschtschow und seine Unterstützer den Umfang der Enthüllungen im Vergleich zu 1956–1957 erheblich. In den Radioreportagen und auf den Zeitungsseiten, die die sowjetischen Bürger über den Kongress informierten, war zum ersten Mal die Rede von den "ungeheuerlichen Verbrechen" und der Notwendigkeit, die "historische Gerechtigkeit" wiederherzustellen, sowie von den Verhaftungen, Folterungen und Morden, die unter Stalin im ganzen Land stattgefunden hatten. Der ehemalige Häftling A. I. Solschenizyn war schockiert: "An eine so interessante Lektüre wie die Reden auf dem XXII. Parteitag kann ich mich schon lange nicht mehr erinnern!"[5] Nach dem XXII. Kongress wurden die nach Stalin benannten Städte und Objekte in der UdSSR und in der DDR umbenannt (im restlichen Ostblock hatte dieser Prozess schon früher begonnen), Denkmäler wurden entfernt (außer dem Denkmal in seiner Heimat – in Gori), und sein Leichnam wurde aus dem Mausoleum entfernt.

Entfernung von Stalins Leiche aus dem Mausoleum

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Nach Chruschtschows Abschlussrede am 30. Oktober meldete sich Spiridonow[6], Erster Sekretär des Leningrader Gebietskomitees, zu einer außerplanmäßigen Frage zu Wort und schlug vor, Stalins Leiche aus dem Mausoleum zu entfernen. Dora Lasurkina[7] (1884–1974), eine Delegierte des Kongresses und Parteimitglied mit fast sechzig Jahren Erfahrung, erklärte, dass sie am Tag zuvor Iljitsch konsultiert hatte, der "wie lebendig vor ihr zu stehen schien" und sagte, dass es ihm "unangenehm sei, in einem Sarg neben Stalin zu liegen, der so viel Ärger über die Partei gebracht hatte." («Стенографический отчёт…» / "Stenographischer Bericht...", Bd. 3, S. 121)[8]

In Sachen der Exhumierung Stalins kursierte zu Sowjetzeiten der Witz:

– какая высшая мера партийного наказания была введена на XXII съезде?
– эксгумация.

– Was ist das höchste Maß an Parteistrafe, das auf dem XXII. Parteitag eingeführt wurde?
– Exhumierung.

Sowjetische Briefmarke (1961)
Sowjetische Briefmarke (1961)

Zu den Gästen des Kongresses zählte unter anderem der prominente Politiker W. W. Schulgin[9] (1878–1976), eine öffentliche Figur des Russischen Reiches.

Das Wasserkraftwerk "Der XXII. Parteitag der KPdSU" an der Wolga (Wasserkraftwerk Wolgograd) wurde nach dem XXII. Parteitag benannt, auch der Gipfel des Hazrat Sulton im heutigen Tadschikistan und das Leningrader Metallwerk "XXII. Parteitag der KPdSU" u.v.a.m.

  • N. Chrustschow: Schlusswort auf dem XXII. Parteitag der KPdSU am 27. Oktober 1961. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau, 1961
  • Walter Ulbricht: Der XXII. Parteitag der KPdSU ist ein Lehrbuch für unseren sozialistischen Aufbau. DDR Berlin Kongreß Verlag Berlin o.A.
  • Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion XXII. Parteitag der KPdSU – 1961. Botschaft der UdSSR. Bonn, 1961
  • Wolfgang Schiel: Militärische Probleme des XXII. Parteitages der KPdSU. [Lektion]. Deutscher Militärverlag, Berlin 1962
  • N. S. Chrustschow: Referat über das Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion auf dem XXII. Parteitag (1961) Verlag für Fremdsprachige Literatur, Moskau, 1961
  • Programm und Statut der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Angenommen auf dem XXII. Parteitag der KPdSU, 17.–31. Oktober 1961. Berlin: Dietz, 1961
  • Nikita S. Chruschtschow: XXII. Parteitag der KPdSU: Der Triumph des Kommunismus ist gewiss. Rechenschaftsbericht an den XXII. Parteitag. Über das Programm der KPdSU. Dietz Verlag 1961
  • XXII. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Hrsg. vom Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR. Berlin. Kongreß 1961. Die Presse der Sowjetunion, Nr. 124–144, 1961. Dokumentiert Reden und Diskussionen des Parteitages der KPdSU, mit Stichwortverzeichnis u. chronologischer Reihenfolge der Berichte und Diskussionsreden auf dem außerordentlichen XXII. Parteitag der KPdSU - INHALT : Tagesordnung: ---- Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU - Berichterstatter N. S. Chrustschow, ---- Erster Sekretär des ZK; ---- Rechenschaftsbericht der Zentralen Revisionskommission - Berichterstatter A. F. Gorkin, ---- Vorsitzender der Revisionskommission; ---- Entwurf des Programms der KPdSU - Berichterstatter N. S. Chrustschow; über Änderungen des Statuts der KPdSU - Berichterstatter F. K. Koslow, Sekretär des ZK; ---- Wahl der Zentralen Organe der Partei // Diskussion zu den Referaten des Genossen N. S. Chrustschow: Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU und über das Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sowie zum Rechenschaftsbericht der Zentralen Revisionskommission, gegeben vom Genossen A. F. Gorkin ---- Rede des Genossen L. I. Breshnew, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR ---- Rede des Genossen W. P. Mshawanadse, Erster Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Grusiens ---- Rede des Genossen G. J. Woronow, Stellvertreter des Vorsitzenden des Büros des ZK der KPdSU für die RSFSR ---- Rede des Genossen W. J. Achundow, Erster Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Aserbaidshans . ---- Rede der Genossin J. A. Furzewa, Minister für Kultur der UdSSR ---- Rede des Genossen L. N. Jefremow, Erster Sekretär des Gebietskomitees Gorki der KPdSU ---- Rede des Genossen M. W. Keldysch, Präsident der Akademie der Wissenschaften der UdSSR // Diskussion zu den Referaten des Genossen N. S. Chrustschow: Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU und über das Programm der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sowie zum Rechenschaftsbericht der Zentralen Revisionskommission, gegeben vom Genossen A. F. Gorkin ---- Rede des Genossen N. M. Schwernik, Vorsitzender des Komitees für Parteikontrolle beim ZK der KPdSU ---- Rede des Genossen F. N. Petrow, Parteimitglied seit 1896, Parteiorganisation Moskau-Stadt ---- Rede des Genossen I. A. Kairovv, Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der RSFSR ---- Rede des Genossen A. A, Gromyko, Minister für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR ---- Rede des Genossen P. A. Satjukow, Chefredakteur der "Prawda" ---- Rede des Genossen N. N. Semjonow, Akademiemitglied, Vorsitzender der Leitung der Unionsgesellschaft zur Verbreitung politischer und wissenschaftlicher Kenntnisse ---- Rede des Genossen O. W. Kuusinen, Sekretär des ZK der KPdSU ---- Rede des Genossen W. E. Dymschiz, Erster Stellvertreter des Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission der UdSSR (u.v.a.m.)
  • Curt W. Gasteyger (Hrsg.): Perspektiven der Sowjetischen Politik. Der XXII. Parteitag und das neue Parteiprogramm. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln Berlin, 1962
  • Rudolf Weiler: (Sozial)ethische Fragen in russischen Publikationen der letzten Jahre (Bericht). JCSW 13 (1972): 311–323 – Online abrufbar unter uni-muenster.de
Commons: 22nd Congress of the Communist Party of the Soviet Union – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. russisch Александр Фёдорович Горкин; wiss. Transliteration Aleksandr Fëdorovič Gorkin
  2. deutsch: Berlin 1961, abgedruckt z. B. bei Wolfgang Leonhard: »Sowjetideologie heute«, 2, Fischer Bücherei, Bücher des Wissens, Nr. 461, Frankfurt/M.1962, 261.
  3. Leonid Michailowitsch Archangelski (russisch Леонид Михайлович Архангельский) (1925–1982) war ein sowjetischer Gelehrter, Philosoph und Pädagoge, Doktor der Philosophie (1963), Professor (1966), Mitglied des Präsidiums der Philosophischen Gesellschaft der UdSSR.
  4. L. M. Archangelski: Kategorien der marxistischen Ethik (Kategorii marksistskoj ėtiki, dt.). Übers. von Erich Salewski, Berlin 1965, 7 f. (zitiert nach Rudolf Weiler, S. 314)
  5. «Давно я не помнил такого интересного чтения, как речи на XXII съезде!», zit. nach: Коэн С.: Жизнь после ГУЛАГа: Возвращение сталинских жертв. М., АИРО-XXI, 2011, S. 60 (Серия «АИРО — первая публикация в России», ISBN 978-5-91022-150-9)
  6. russisch Иван Васильевич Спиридонов; wiss. Transliteration Ivan Vasil'evič Spiridonov
  7. russisch Дора Абрамовна Лазуркина; wiss. Transliteration Dora Abramovna Lazurkina
  8. vgl. Secretly Removing Stalin's Body
  9. russisch Василий Витальевич Шульгин; wiss. Transliteration Vasilij Vital'evič Šul'gin