Cécile Brunschvicg – Wikipedia

Cécile Brunschvicg 1926

Cécile Brunschvicg, geboren als Cécile Kahn (* 19. Juli 1877 in Enghien-les-Bains; † 5. Oktober 1946 in Neuilly-sur-Seine), war eine französische Politikerin und Feministin.

Cécile Kahn wuchs in einer bürgerlichen, republikanischen Familie jüdischen Glaubens auf. Ihr Vater, Arthur Kahn, war ein elsässischer Industrieller und Ritter der Ehrenlegion.[1] Obwohl ihr Umfeld dies nicht förderte, gelang es ihr, im Alter von siebzehn Jahren ihr brevet supérieur[A 1][2] zu erwerben.[3]

Folgenreich war ihr Zusammentreffen mit Léon Brunschvicg, einem feministischen Philosophen, der Mitglied der Liga für Menschenrechte und später Vizepräsident der Liga der Wähler für das Frauenstimmrecht war. Die beiden heirateten 1899 und bekamen von 1901 bis 1919 vier Kinder.

Union française pour le suffrage des femmes 1909

Ihr soziales und feministisches Engagement begann 1908 mit ihrer Mitarbeit in der Sektion Arbeit des Conseil national des femmes françaises (CNFF)[4] und setzte sich 1909 mit ihrem Beitritt zur Union française pour le suffrage des femmes (Französische Union für das Frauenstimmrecht, UFSF) fort. 1910 wurde sie Generalsekretärin und 1924 Präsidentin dieser Vereinigung.[5] Im selben Jahr gründete sie die „Réchauds de midi“, die es Arbeiterinnen ermöglichten, mittags eine warme Mahlzeit zu erhalten.[6] 1920 trat sie dem Soroptimist Club und in den 1930er Jahren der Liga für die Hebung der öffentlichen Moral (Ligue pour le relèvement de la moralité publique) bei.[A 2]

Ab 1926 war Brunschvicg Direktorin der Wochenzeitung La Française und veröffentlichte dort zahlreiche Artikel.[7]

Cécile Brunschvicg trat 1924 der Parti républicain, radical et radical-socialiste (oder PRS) bei, die sich gerade für Frauen geöffnet hatte.

In der ersten Regierung von Léon Blum im Jahr 1936 wurde sie zur Unterstaatssekretärin für das Bildungswesen ernannt. Ihr zuständiger Minister war Jean Zay. Zusammen mit Suzanne Lacore und Irène Joliot-Curie war sie das erste weibliche Mitglied einer französischen Regierung, obwohl die Französinnen weder wählen durften noch gewählt werden konnten (erst 1944 erhielten sie das Wahlrecht).[8][9]

Sie beteiligte sich an der Einrichtung von Schulkantinen, an der Entwicklung der Überwachung von Kriminalität und Gesundheitsrisiken sowie an der Förderung der Mädchenbildung. 1937 veröffentlichte sie den Ministerialbericht: La Question de l’alimentation au ministère de l'Éducation nationale: les cantines scolaires (die Ernährungsfrage im Bildungsministerium: Schulkantinen). Frauen konnten sich von nun an für die Stelle einer „Gebietsredakteurin“ bewerben. Die Regierung Blum stürzte aufgrund des Widerstands des Senats und ihr Nachfolger Camille Chautemps verlängerte ihr Amt nicht.

Zweiter Weltkrieg und Tod

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Grab auf dem Friedhof Montmartre, Paris
Inschrift im Grab

Während des Zweiten Weltkriegs war sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer Beteiligung an der Volksfrontregierung gezwungen, sich in Südfrankreich zu verstecken. Sie änderte ihren Namen und konnte nicht an der Seite ihres Ehemannes sein, der im Januar 1944 in Aix-les-Bains starb. Sie arbeitete als Lehrerin an einem Mädcheninternat in Valence. Nach dem Krieg baute sie die UFSF wieder auf. Sie wurde Ehrenvorsitzende des Nationalen Rates der radikalen sozialistischen Frauen.[10][11]

Cécile Brunschvicg starb am 5. Oktober 1946 in Neuilly-sur-Seine. Sie wurde auf dem Friedhof von Montmartre (3. Abteilung) beigesetzt. Ihr Archiv wurde im Jahr 2000 im Centre des archives du féminisme an der Universität Angers hinterlegt.[A 3][12][13]

In Frankreich sind in verschiedenen Städten Straßen nach Cécile Brunschvicg benannt, beispielsweise in Rennes und Toulouse und Plätze wie in Paris. Sie wurde als Offizier der Ehrenlegion ausgezeichnet.

  • Marc-Olivier Baruch: Cécile Brunschvicg, l’engagement républicain. Les cahiers du judaisme, no 12, 2002, S. 55–57.
  • Muriel Pichon: Cécile Brunschvicg née Kahn, féministe et ministre du Front populaire. Archives Juives 1/, Vol. 45, 2012, S. 131–134 (wikiwix.com).
Commons: Cécile Brunschvicg – Sammlung von Bildern
  1. Das brevet de l’enseignement primaire ist ein altes französisches Diplom, das den Erwerb von Kenntnissen bescheinigt. Es gab das brevet élémentaire, das mit sechzehn Jahren abgelegt wurde und das brevet supérieur, das mit achtzehn Jahren abgelegt wurde. Siehe hierzu weiterführend auch fr:Brevet de l'enseignement primaire#Examen du brevet supérieur in der französischsprachigen Wikipédia.
  2. Die 1883 gegründete Ligue pour le relèvement de la moralité publique (LRMP) ist ein französischer Verband lokaler Vereine, die sich für die Einhaltung dessen einsetzen, was sie als „gute Sitten“ betrachteten. Sie wandte sich gegen Prostitution, Pornografie, Alkoholismus und Glücksspiel. Siehe hierzu auch weiterführend fr:Ligue pour le relèvement de la moralité publique in der französischsprachigen Wikipédia.
  3. Das Centre des archives du féminisme (CAF), das in der Universitätsbibliothek von Angers untergebracht ist, bewahrt die Archive französischer feministischer Vereinigungen und Persönlichkeiten von nationaler Bedeutung aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert auf.

Einzelnachweise

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  1. Dossier : 19800035/0247/32895. In: Base Léonore. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  2. Élisabeth Busser: Les examens en France de la IIIe à la Ve République. (PDF) Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  3. BRUNSCHVICG Cécile [née KAHN Cécile]. In: Maitron. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  4. Conseil national des femmes françaises. In: CNFF. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  5. Cécile Formaglio: Cécile Brunschvicg, au cœur de la République. In: Musea.fr. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  6. Cécile BRUNSCHVICGnée Cécile KAHN. In: Janine Tissot. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  7. La Française : journal de progrès féminin auf Gallica
  8. Les premières femmes au Gouvernement : les ministres du Front populaire. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 19. Juli 2023 (französisch).
  9. Yannick Ripa: Cécile Brunschvicg, adjointe aux mères. In: Libération. 14. Dezember 2017, abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  10. Cécile Brunschvicg: Métiers de femmes. Les carrières sociales. La Française, 2. März 1946.
  11. Ils ont fait le parti radical. In: Parti radical de gauche. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  12. Le Centre des archives du féminism. In: Archives du Feminisme. Abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  13. Archives Brunschvicg, Cécile (1 AF) (Memento vom 3. Januar 2014)
VorgängerAmtNachfolger

Henri Guernut
Sous-secrétaire im Bildungsministerium
04.06. 1936 – 21.06. 1937

Léo Lagrange

Marguerite de Witt-Schlumberger
Präsidentin der UFSF
1924–1946