Codex Montpellier (Musikhandschrift) – Wikipedia
Der Codex Montpellier (auch Mo) ist eine Musikhandschrift der Bibliothèque Interuniversitaire de Médecine in Montpellier mit der Signatur H196. Sie ist eine der wichtigsten Quellen für die frühe Motette.
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein erster Teil von fol. 1–269 entstand ca. 1280, ein zweiter Teil (fol. 270–333) am Ende des 13. Jahrhunderts. Weitere Stücke wurden auf fol. 334–345 und 346–349 zu Beginn des 14. Jahrhunderts nachgetragen. Es wird angenommen, dass die Handschrift ursprünglich aus Paris stammt. Die Stücke sind in prä-frankonischer und frankonischer Mensuralnotation aufgezeichnet. Es gibt einige illuminierte Initialen, und auf diesen Seiten meist auch Randzeichnungen, die entweder Tiere oder aber Menschen bei Freizeitbetätigungen zeigen.
Der Codex Montpellier ist die umfangreichste erhaltene Mottetenhandschrift dieser Zeit. Er enthält 328 Kompositionen, überwiegend Motetten, nur 11 Kompositionen gehören anderen Gattungen an (Conductus- und Organum-Kompositionen im Stile der Notre-Dame-Schule). Bei den Motetten überwiegen die zwei- und dreistimmigen Stücke, ein Teil der Handschrift enthält aber auch vierstimmige Motetten. Es gibt einerseits Motetten mit geistlicher Thematik, etwa das bekannte Stück „Alle psallite cum luya“; besonders zahlreich sind darunter solche, in denen es um Maria geht. Andererseits gibt es aber auch zahlreiche Motetten mit weltlichen Themen – etwa die Motette „On parole“ / „A Paris“ / „Frese nouvelle“, in der es um Wein und frische Erdbeeren geht.
Die Handschrift zeigt eine planmäßige Anlage, in der die Stücke nach Gattung, Stimmenzahl und Sprache der Oberstimmen geordnet gesammelt wurden:
- Teil 1 (fol. 1–22): Organa und Conductus;
- Teil 2 (fol. 23–62): Vierstimmige Motetten;
- Teil 3 (fol. 63–86): Dreistimmige Motetten, Texte in der Triplum-Stimme französisch, in der Motetus-Stimme lateinisch;
- Teil 4 (fol. 87–110): Dreistimmige Motetten, Triplum- und Motetus-Stimme lateinisch;
- Teil 5 (fol. 111–230): Dreistimmige Motetten, Triplum- und Motetus-Stimme französisch;
- Teil 6 (fol. 231–269): Zweistimmige Motetten;
- Teil 7 (fol. 270–349) und 8 (fol. 350–397): Dreistimmige Motetten, teilweise im Stil von Petrus de Cruce.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Edmond de Coussemaker: L’art harmonique aux XIIe et XIIIe siècles. Paris 1865.
- Gustav Jacobsthal: Die Texte der Liederhandschrift von Montpellier H 196. In: Zeitschrift für romanische Philologie. Band III, 1879, S. 526 ff. und Band IV, 1880, S. 278 ff.
- Gustav Jacobsthal: Der Codex Montpellier. Beschreibung und Untersuchung, herausgegeben von Peter Sühring, nur online: urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-337475, doi:10.25366/2018.49
- Henri Lavoix: La musique au siècle de St. Louis. In: Gaston Raynauds Recueil de motets français de XIIe et XIIIe siècles publiés d’après les manuscripts. Avec introduction, notes, variantes et glossaires. Band 2. Paris 1883.
- Oswald Koller: Der Liederkodex von Montpellier. Eine kritische Studie. In: Guido Adler (Hrsg.): Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft. 4, 1888, S. 1–82.
- Friedrich Ludwig: Studien über die Geschichte der mehrstimmigen Musik im Mittelalter II: Die 50 Beispiele Coussemaker’s aus der Handschrift Montpellier. In: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft. Band 5. 1903/1904, S. 177–224.
- Yvonne Rokseth (Hrsg.): Schwarzweiß-Faksimile der Handschrift: Polyphonies du XIIIe siecle. Le manuscrit H 196 de la Faculté de Médecine de Montpellier. Reproduction phototypique du manuscrit. Paris 1935.
- Yvonne Rokseth: Polyphonies du XIIIe siècle. Le manuscrit H. 196 da le Faculté de médecine de Montpellier. 4 Bände:
- Tome I: Réproduction photographique du manuscrit. Paris 1935.
- Tome II/III: Transcription intégrale du manuscrit. Paris 1936/1939.
- Tome IV: Etudes et commentaires. Paris 1948.
- Ernst Apfel: Anlage und Struktur der Motetten im Codex Montpellier. (= Annales Universitates Saraviensis. Reihe: Philosophische Fakultät. Band X). Heidelberg 1970.
- Hans Tischler: Why a New Edition of the Montpellier Codex? In: Acta musicologica. 46, 1974, S. 58–75.
- Wolf Frobenius: Zum genetischen Verhältnis zwischen den Notre-Dame-Klauseln und ihren Motetten. In: Archiv für Musikwissenschaft. 44, 1987, S. 1–39.
- Mary E. Wolinski: The Compilation of the Montpellier Codex. In: Early Music History. 11, 1992, S. 263–301.
- The Montpellier Codex. The Final Fascicle. Contents, Contexts, Chronologies. Edited by Catherine A. Bradley, Karen Desmond, Woodbrige 2018.
- Peter Sühring: Die Macht der Refrains im Codex Montpellier. Verborgene französisch-deutsche Interpretationslinien zwischen Jacobsthal und Rokseth. Mit einem Brief von Heinrich Besseler aus dem Jahr 1934. In: Die Musikforschung 72 (2019), S. 38–52, [auch online abrufbar: https://journals.qucosa.de/mf/article/view/59/2294, abgerufen am 20. Januar 2023].
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Faksimiles des Codex Bibliothèque Interuniversitaire Médecine de Montpellier
- Informationen zum Manuskript und kompletter Index. Digital Image Archive of Medieval Music (englisch)