Reglerkirche (Erfurt) – Wikipedia

Vorderansicht
Innenansicht
Kleiner Mildenfurther Kreuzmensch von Volkmar Kühn

Die Reglerkirche (auch Augustinuskirche genannt) ist eine Kirche in der Altstadt von Erfurt. Sie dient einer evangelischen Gemeinde als Gottesdienststätte und zählt zu den größeren Kirchen der Altstadt. Sie galt in der DDR als ein Zentrum für die Kirchenmusik in Erfurt.[1]

Der Bau der romanischen Reglerkirche wurde 1130 von den „regulierten“ Augustiner-Chorherren begonnen. Die Fertigstellung erfolgte im Jahr 1238. Hervorgegangen ist die Kirche aus einer romanischen Stiftskirche,[2] welche schon 1117 gegründet worden sein soll.[3] Die Anfänge des Stifts sind bis heute nicht richtig geklärt. Im Jahr 1362 werden die Pfarrrechte für Taufe, Predigt, Beichte und Krankenbesuch eingeräumt.[4]

Der erste Bau wies vermutlich Formen einer dreischiffigen Basilika von vier Jochen mit eingezogenem, rechteckig geschlossenen Chor und einem Turmpaar an der Westseite auf.[3] Die Westfassade des Sakralbaus ist für die Kirchen in der Stadt einmalig,[4] Langhaus und Chor sind von gotischem Stil, trotz der romanischen Obergaden.[1]

Der große Stadtbrand vom 1. April[4] 1291, der nahezu den gesamten östlichen Teil der Stadt vom Neuwerkskloster bis zum Krämpfertor zerstörte, veranlasste dazu, dass mit Ausnahme des Turmblocks ein Großteil der Kirche abgetragen werden musste. Im Jahr 1293 heißt es in einer erzbischöflichen Dotation: „durch den Feuerbrand stark zerstörte Kirche“ – ein Neubau soll bald erfolgen.[3]

1525 wurde die Kirche im Rahmen der Reformation in eine evangelische Pfarrkirche umgewandelt. Bei einem Feuer im Jahre 1660 brannten weite Teile der angeschlossenen Klostergebäude ab. Während der französischen Besatzung unter Napoleon diente die geplünderte und im Inneren verwüstete Kirche als Lazarett. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfielen Bau und Ausstattung der Kirche weiter, sodass sie 1845 geschlossen werden musste. Mit einem Staatszuschuss des preußischen Königs konnte sie 1857 bis 1860 wiederhergestellt und in den Jahren 1890 bis 1901 durchgehend rekonstruiert werden. Bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg erlitt der Dachstuhl Schäden.

Von 1919 bis 1955 war Martin Jentzsch Pfarrer an der Reglerkirche und hatte prägenden Einfluss auf das kirchliche und städtische Leben.[5]

Zwischen 1960 und 1973 wurde die Kirche erneut umfassend saniert. Vor der Kirche befand sich nach dem Ersten Weltkrieg das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 6; es wurde aber bereits 1939 auf Betreiben des NS-Oberbürgermeisters Walter Kießling demontiert. Es zeigte auf einem aufwendig gestalteten Sockel einen Jäger vor aufsteigendem Pferd. Neben dem Hauptportal außen steht aktuell die vom Thüringer Bildhauer Volkmar Kühn im Jahre 2002 geschaffene Bronzestatue Mildenfurther Kreuzmensch.

Der spätgotische Flügelaltar
Kanzel von 1687

Von kunstgeschichtlich hohem Rang ist der spätgotische Flügelaltar. Erschaffen von den namentlich nicht bekannten „Meistern des Regleraltars“ um 1465, ist es einer der qualitätsvollsten und besterhaltenen Altäre dieser Zeitepoche in Mitteldeutschland. Er bietet sich in drei verschiedenen Zuständen dar:

  • Der geschlossene Altar zeigt 12 Apostel, Märtyrer und Heilige, die die Verbundenheit der Gemeinde mit der Geschichte der Kirche darstellen, unter ihnen und an erster Stelle der Kirchenlehrer Augustinus.
  • Der geöffnete Altar präsentiert 4 große Tafelbilder vor goldenem Hintergrund, der Gottes Gegenwart in der Welt versinnbildlicht. Links Jesu Christi Dornenkrönung und Geißelung, rechts Himmelfahrt und Pfingsten.
  • Weiter geöffnet sind 13 Schnitzreliefs vor reich vergoldetem Hintergrund zu sehen, als größtes in der Mitte die Krönung Marias.

Die Kanzel (wohl 1687) stammt aus der Klosterkirche St. Pankratius Hamersleben und zeigt die vier Evangelisten.

Orgel von Friedrich Löbling

Ein früherer Orgelprospekt wurde von dem bekannten Künstler Alexander Linnemann aus Frankfurt entworfen.[6]

Die heutige Orgel der Reglerkirche wurde in den Jahren 1968 bis 1977 vom Orgelbauer Friedrich Löbling (Erfurt) in mehreren Bauabschnitten erbaut. Das Brustwerk wurde 1983 eingebaut. Das Instrument hat 38 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[7]

I Rückpositiv C–g3
Gedackt 8′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Quinte 223
Schwiegel 2′
Terz 135
Sifflöte 1′
Mixtur III 113
Krummhorn 8′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
Quintatön 16′
Prinzipal 08′
Rohrflöte 08′
Oktave 04′
Spitzflöte 04′
Großterz 0315
Quinte 0223
Prinzipal 02′
Mixtur IV 02′
Mixtur III 01′
Trompete 08′
III Brustwerk C–g3
Koppelflöte 08′
Schweizerpfeife 08′
Holzprinzipal 04′
Quintatön 04′
Oktave 02′
Quinte 0113
Terz-Septim II
Cimbel III
Rankett 16′
Pedal C–f1
Prinzipal 16′
Subbass 16′
Quinte 1023
Oktave 08′
Koppelflöte 08′
Choralbass 04′
Nachthorn 02′
Mixtur III 0223
Posaune 16′
  • Koppeln: I/II, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Gustav Bassin: Malereien an einem Pfeiler der Regler-Kirche zu Erfurt. In: Jahrbuch der Denkmalpflege in der Provinz Sachsen und in Anhalt 9 (1902), S. 66f.
  • Gerhard Kaiser, Roland Möller: Die Reglerkirche zu Erfurt. Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 1998, ISBN 3-7954-6109-X.
  • Karl-Heinz Meißner: Zur älteren Geschichte der Erfurter Reglerkirche. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 63 (2002), S. 35–64.
  • Peter Bühner: Altarstandort und Grundriss. Überlegungen zum romanischen Bau der Reglerkirche. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 67 (2006), S. 7–10.
  • Karl-Heinz Meißner: Wie das Reglerstift im Jahr 1539 beschaffen war. Untersuchungen zu einem Inventar und dem Testament seines Priors. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 70 (2009), S. 54–66.
  • Karl-Heinz Meißner: Die Reglerkirche in Erfurt und ihr Altar. Lukas Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86732-107-5.
  • Ernst Badstübner: Der Erfurter Regleraltar. Überlegungen zu den Tafelbildern der ersten Wandlung. In: Jahrbuch für Erfurter Geschichte 11 (2016), S. 63–87.
  • Benjamin Sommer: Mitteldeutsche Flügelretabel. Vom Reglermeister, Linhart Koenbergk und ihren Zeitgenossen (= Neue Forschungen zur deutschen Kunst 12). Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2018.
  • Rainer Müller: An welcher Stelle wurde das Allerheiligen-Spital gegründet? Anmerkungen zu einer alten Streifrage und zur Frühgeschichte der Reglerkirche. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 82 (2021), S. 7–13.

Einzelnachweise

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  1. a b Die evangelischen Kirchen in Erfurt. 2. Auflage, Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1989.
  2. Gerhard Haiser und Roland Möller: Die Reglerkirche zu Erfurt. Schnell Kunstführer Nr. 2332. Verlag Schnell & Steiner Regensburg 1998, ISBN 3-7954-6109-X.
  3. a b c Erich Wiemann: Die Reglerkirche zu Erfurt. Ohlenroth’sche Buchdruckerei, Erfurt 1949.
  4. a b c Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 63. Heft, Neue Folge, Heft 10, 2002, ISBN 3-9807188-2-4.
  5. Aribert Rothe: »Papa Jentzsch« – volksmissionarischer Pfarrer der Bekennenden Kirche. In: Andreas Fincke, Matthias Rein (Hrsg.): Gottes Wort in Erfurt: Protestantische Lebensbilder aus fünf Jahrhunderten. Leipzig 2021, S. 147–158 (Teildigitalisat).
  6. Vgl. Werkverzeichnis der Glasmalereiwerkstatt Linnemann im Linnemann Archiv.
  7. Orgel der Reglerkirche. (PDF; 15 kB) Kirchenmusik Erfurt der EKM, abgerufen am 18. Dezember 2021.
Commons: Reglerkirche Erfurt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 50° 58′ 30″ N, 11° 2′ 10,1″ O