Sürü – Die Herde – Wikipedia

Film
Titel Sürü – Die Herde
Originaltitel Sürü
Produktionsland Türkei
Originalsprache Türkisch
Erscheinungsjahr 1978
Länge 129 Minuten
Stab
Regie Zeki Ökten
Yılmaz Güney
Drehbuch Yılmaz Güney
Musik Zülfü Livaneli
Kamera İzzet Akay
Schnitt Özdemir Aritan
Besetzung

Sürü – Die Herde (auch Die Herde) ist ein Film des kurdisch-türkischen Schauspielers, Regisseurs und Drehbuchautors Yılmaz Güney aus dem Jahr 1978. Da Güney während des gesamten Entstehungsprozesses inhaftiert war, führte Zeki Ökten in Absprache mit Güney die Regie.

Der junge Nomade Şivan versucht, sich gemeinsam mit seiner kranken Frau Berivan aus der anatolischen Hirtenkultur zu befreien. Şivan ist der Sohn Hamos, des Patriarchen des Veysikan-Stammes, der sich in einer Blutfehde mit dem Halilan-Stamm befindet. Berivan ist ebenfalls eine Angehörige der Halilans, die als Teil eines Friedensabkommens mit Şivan verheiratet wurde. Trotz der Feindschaft der beiden Stämme beruht die Beziehung der beiden auf Zuneigung. Doch obwohl Berivan dreimal schwanger war, kamen alle Kinder tot zur Welt. Patriarch Hamo gibt Berivan die Schuld an den Totgeburten und vermutet dahinter Absicht. Er will sie aus dem Stamm ausschließen, was zu erneuten Spannungen mit dem Halilan-Stamm führt. Şivan glaubt dagegen an eine Krankheit seiner Frau und möchte sie zu einem Arzt bringen, was ihm von Hamo verweigert wird.

Einen Ausweg aus diesem feindlichen Umfeld und eine Behandlung von Berivans Leiden hofft Şivan in der Großstadt zu finden. Als die Veysikans von Schafhändlern aufgefordert werden, eine Herde für einen Verkauf nach Ankara zu treiben, nutzt Şivan dies als Druckmittel, um Berivan für eine Behandlung mitzunehmen. Es gelingt ihm, seine Forderung gegen den anfänglichen Widerstand Hamos durchzusetzen. Zusammen mit seinem Vater und seinen Brüdern Abuzer und Silo treibt Şivan die Herde gen Ankara. Doch die Reise verläuft unglücklich. Unterwegs müssen sie zahlreiche Bestechungsgelder in Form von Schafen zahlen, einige Tiere vergiften sich, Abuzer wird schließlich mit den toten Tieren an einem Bahnhof zurückgelassen. In Ankara angekommen, weigern sich die Schafhändler, die Tiere zu bezahlen. Die Veysikans sind gezwungen, in Ankara auszuharren. Als Şivan seine Frau zu einem Arzt bringt, weigert sich diese, sich behandeln zu lassen. Eines Morgens findet Şivan sie tot im Bett vor. Verzweifelt bittet er seinen Vater um das Geld für die Überführung, die dieser ihm jedoch verweigert, da er Berivan nicht als Teil der Familie sieht. Durch die verächtliche Aussage eines umstehenden Schafhändlers gerät Şivan vollends in Rage und erwürgt den Mann, die Polizei nimmt ihn daraufhin fest. Später reißt sich auch Şivans Bruder Silo vom Vater los und verschwindet in den Straßen der Hauptstadt, Hamo bleibt letztlich allein zurück.

Beispielhaft an der Familie Veysikan zeigt der Film den Verfall der patriarchalischen Strukturen im Osten der Türkei. Hamo ist ein Tyrann, der alle Menschen in seinem Umfeld nach seinen Vorstellungen dirigiert und unterdrückt. Doch keiner wagt es, sich gegen ihn aufzulehnen, seine brutale Willkür bis hin zur Körperverletzung wird von allen Beteiligten widerstandslos hingenommen. Berivan dagegen steht symbolisch für die Unterdrückung der Frau in diesem System. Als Pfand für einen fehlgeschlagenen Friedensversuch bei einer Blutfehde ist sie der körperlichen Gewalt vollkommen ausgeliefert. Da sie zudem keine Kinder zur Welt bringen kann, ist die Verachtung für sie besonders groß und macht sie zum schwächsten Mitglied in der Hierarchie. Auch ihr eigener, sie vorgeblich liebender Ehemann wendet Gewalt gegen sie an. Berivans einzige Reaktion auf ihre Situation ist Schweigen. Doch die für viele so verlockende Großstadt entpuppt sich ebenfalls nicht als die erhoffte Befreiung. Ihre Repräsentanten werden durchgängig als korrupt dargestellt. An dieser Ausweglosigkeit zerbricht die Familie schließlich.[1]

Das Skript stammt aus der Feder des kurdischen Schauspielers und Regisseurs Yilmaz Güney,[2] der 1974 für den angeblichen Mord an einem türkischen Richter zu 18 Jahren Haft verurteilt worden war. Güney erarbeitete das Skript unter dem Titel Berivan ile Şivan (deutsch: Berivan und Şivan). Über einen Mithäftling machte er die Bekanntschaft mit dem Grafiker Uğurcan Yüce. Dieser überredete ihn schließlich dazu, den Film Sürü (deutsch: Die Herde) zu nennen, und gestaltete für Güney auch das türkische Filmplakat.[3] Die Regie für den inhaftierten Güney übernahm Zeki Ökten.

Sürü hat ähnlich wie Umut – Die Hoffnung, Yol – Der Weg und Duvar – Die Mauer eine dokumentarische Basis.[4] Der Film reflektiert die Geschichte und Situation der Kurden in der Türkei. Nach Aussage Güneys ist der Film beeinflusst von der Geschichte des Jibran-Stammes, dem seine Mutter entstammte. In einem Interview bedauerte Güney, dass er den Film nicht in der kurdischen Sprache drehen konnte, da ansonsten für alle Beteiligten die Gefahr einer Verhaftung bestanden hätte.[5]

„Eine harte Anklage gegen Korruption und Gewalt in der türkischen Gesellschaft und eine überzeugende Studie über das Aufeinanderprallen zweier Kulturkreise, formal perfekt und im politischen Engagement von überzeugender Kraft.“

2004 wurde Sürü bei einer vom türkischen Ministerium für Kultur und Tourismus unterstützten Umfrage des Filmverbands Ankara (Ankara Sinema Derneği) zu den zehn besten türkischen Filmen gewählt, ebenso wie Güneys Filme Umut – Die Hoffnung und Yol – Der Weg. Diese wurden beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary vom 2. bis 10. Juli 2004 gezeigt.[7]

Berlin International Film Festival 1979

  • INTERFILM Award – Otto-Dibelius-Preis
  • OCIC Award

British Film Institute Awards 1979

  • Sutherland Trophy

Locarno International Film Festival 1979

Antwerp Film Festival 1979

  • Grand Prize

17. Antalya Golden Orange Film Festival 1980/2011

  • Bester Hauptdarsteller
  • Beste Hauptdarstellerin
  • Beste Regie
  • Bester Film
  • Beste Musik
  • Bester Nebendarsteller

London Film Festival 1980

  • Most Original and Imaginative Film

Valencia Film Festival 1980

  • Grand Prize

Einzelnachweise

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  1. Sema Poyraz: Informationsblatt vom 9. Internationalen Forum des jungen Films Berlin (1979) (PDF; 1,6 MB)
  2. : „Die Befreiung wird wie ein Erdbeben sein“. In: Der Spiegel. Band 48, 29. November 1982 (spiegel.de [abgerufen am 27. August 2018]).
  3. Ugurcan Yüce Video Game Credits and Biography - MobyGames. Abgerufen am 27. August 2018.
  4. Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Freiburg: Portrait und Filmographie von Ylmaz Güney (Seminararbeit). Abgerufen am 8. März 2013.
  5. Chris Kutschera: Interview mit Yilmaz Güney von 1983 auf Englisch (Memento des Originals vom 24. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.chris-kutschera.com
  6. Die Herde. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 3. Juni 2017.
  7. Hürriyet (11. Juni 2006): En iyi 10 Türk filmi Karlovy Vary'de (türkisch), abgerufen am 8. März 2013.