Wahlbeteiligung – Wikipedia

Die Wahlbeteiligung oder die Stimmbeteiligung gibt den Anteil der Wahlberechtigten wieder, die bei einer Wahl oder einem Referendum tatsächlich gewählt haben. Abhängig von der jeweiligen Gebietskörperschaft werden diejenigen, die einen leeren oder ungültigen Wahlzettel abgegeben haben, entweder zu den Wählern oder zu den Nichtwählern gezählt. Diese sind bei vielen Wahlen de facto die stärkste „Partei“.[1]

In der Öffentlichkeit wird der Begriff meist im Zusammenhang mit politischen Wahlen gebraucht, allerdings kann er auch bezogen auf andere Wahlen benutzt werden. Bei politischen Wahlen ist sie eine Art der politischen Partizipation.

Die Wahlbeteiligung wird in der Regel als das Verhältnis der teilnehmenden Wähler zu der Gesamtzahl aller Wahlberechtigten definiert:

So betrug beispielsweise bei der österreichischen Nationalratswahl 2008 die Anzahl der Wahlberechtigten 6.333.109 Personen, von denen 4.990.952 Personen tatsächlich gewählt haben.[2] Daraus errechnet sich hier eine Wahlbeteiligung von 78,81 %. Es ist in diesem Beispiel auch ersichtlich, dass die Zahl der abgegebenen Stimmzettel (Zahl der Wähler) die Summe aus den gültigen (4.887.309) und den ungültigen (103.643) Stimmzetteln ist. Diese Berechnungsweise gilt auch in Deutschland und in der Schweiz.[3][4] Die Zahl der Wähler ergibt sich somit auch aus der Gesamtzahl der Wahlberechtigten abzüglich der Nichtwähler.

Bei dieser Definition ist zu berücksichtigten, dass in einigen Ländern eine Registrierung erforderlich ist, um ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. So betrug 2004 in den USA der Anteil der registrierten Wahlberechtigten 79 % der Personen im Wahlalter. Die Wahlbeteiligung bezogen auf alle Personen im Wahlalter betrug somit nur 55,27 %.[5]

In der politikwissenschaftlichen Forschung wird aggregierte Wahlbeteiligung als eine Kernvariable zur Beurteilung der politischen Partizipation herangezogen.[6] Sehr niedrige und sinkende Wahlbeteiligungsquoten werden häufig in Verbindung mit einer Krise der Demokratie gebracht.[7][8][9] Zudem wird Wahlbeteiligung im Vanhanen-Index genutzt, um den Demokratisierungsgrad eines Landes zu messen.

Zur Erklärung unterschiedlicher Niveaus der Wahlbeteiligung haben sich verschiedene Theorien herausgebildet. Einflussreich ist das sogenannte Paradox der Wahlbeteiligung nach Anthony Downs. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass sich Menschen nur dann an einer Wahl beteiligen, wenn der individuelle Nutzen größer ist als die Kosten. Dies trifft nur in dem unwahrscheinlichen Fall zu, dass die eigene Stimme entscheidend für den Wahlausgang ist.[10] Diese Theorie wird häufig als ökonomische Theorie bezeichnet. Davon abzugrenzen sind soziologische Erklärungsansätze, die Wahlbeteiligung auf Basis von Gruppenzugehörigkeiten und Identitäten erklären. Sozialpsychologische Erklärungsansätze fokussieren sich eher auf Parteiidentifikation sowie Kandidaten- und Sachfragenorientierung, die jeweils eine Beteiligung an der Wahl begünstigen.[11]

In der empirischen Untersuchung unterschiedlicher Niveaus der Wahlbeteiligung werden institutionelle Variablen (Wahlpflicht, Wahlsystem, Regierungssystem etc.) und das sozioökonomische Umfeld (Bruttoinlandsprodukt, wirtschaftliche Entwicklung etc.) herangezogen.[12] Empirische Untersuchungen beziehen sich dabei sowohl auf Demokratien[13][14] als auch auf Diktaturen.[15][16]

1979 65,7 1984 56,8 1989 62,3 1994 60,0 1999 45,2 2004 44,0 2009 43,3 2014 48,1 2019 61,4
Deutsche Wahlbeteiligung an den Europawahlen
Europawahlen in Deutschland mit Nichtwählern[17]
1983 89,1 1987 84,3 1990 77,8 1994 79,0 1998 82,2 2002 79,1 2005 77,7 2009 70,8 2013 71,5 2017 76,2
Wahlbeteiligung an den deutschen Bundestagswahlen
Bundestagswahlen[18]

Bei Bundestagswahlen lag die Wahlbeteiligung (Quote) bis 1983 meist über 85 Prozent, seit 1987 meist unter 80 Prozent.[19] Bei Landtagswahlen liegt sie in der Regel bei über 50 Prozent, bei Kommunalwahlen über 45 Prozent. Bei der Europawahl 2019 lag sie mit 61,4 Prozent deutlich höher als in den Europawahlen zuvor.[19]

Die bisher höchste Wahlbeteiligung bei freien Wahlen gab es bei der Volkskammerwahl 1990 in der DDR mit 93,4 Prozent und bei der Bundestagswahl 1972 mit 91,1 Prozent, die niedrigste (Stand 2023) bei der Bundestagswahl 2009 mit 70,8 Prozent.

Es gibt in Deutschland keine Mindestwahlbeteiligung, d. h., es gibt keine Mindestzahl an abgegebenen Stimmen, unterhalb derer die Wahl ungültig wäre. Leere Wahlzettel gelten nach dem Bundeswahlgesetz als ungültig (§ 39 BWahlG).

Auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Kommunalebene sinkt die Wahlbeteiligung seit ihrem Höhepunkt in den 1970ern. Die Gründe für diesen allgemein als Wahlmüdigkeit bezeichneten Abwärtstrend sind umstritten. Die Normalisierungshypothese verweist auf die historisch und im internationalen Vergleich ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung in den 50er und 60er Jahren in Deutschland und deutet das Sinken als Normalisierung. Manche Politikwissenschaftler und Soziologen führen dies auf das durch gebrochene Wahlversprechen sinkende Vertrauen in die Parteiendemokratie zurück. Außerdem seien die politischen Unterschiede zwischen den Parteien immer schwerer erkennbar („Politikverdrossenheit“). Es gibt auch die Theorie, die sinkende Wahlbeteiligung sei ein Generationeneffekt, d. h., die neu ins Wahlalter eintretenden Jahrgänge würden zu einem geringen Teil wählen gehen.[20][21]

Um das Ausmaß dieses Phänomens zu verdeutlichen, wird gelegentlich das Bild einer „Partei der Nichtwähler“ herangezogen: Hätten alle Nichtwähler für eine weitere, fiktive Partei gestimmt, wäre diese bei einigen Wahlen die stärkste Fraktion im Parlament. Aus der hohen Zahl von Nichtwählern und den steigenden Zahlen von ungültigen Stimmen ergibt sich ein großes Stimmenpotenzial.

Nationalsozialismus und DDR

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Bei den unfreien Wahlen zum Reichstag in der Zeit des Nationalsozialismus und der Volkskammer in der DDR wurden offiziell signifikant höhere Wahlbeteiligungen ausgewiesen, als dies bei freien Wahlen erreichbar gewesen wäre. Die Wahlbeteiligung wurde in der jeweiligen Propaganda als ein Ausdruck der Unterstützung der Bevölkerung für das Regime dargestellt.

Wahlbeteiligungen bei den Reichstagswahlen im Nationalsozialismus, an denen lediglich eine Partei (NSDAP) zugelassen war:

Reichstagswahl Wahlbeteiligung in %
1933 95,2
1936 99,0
1938 99,6

Wahlbeteiligungen bei Volkskammerwahlen der DDR (Beispiele, da sich die Größenordnung nicht veränderte):

Volkskammerwahl Wahlbeteiligung in %
1950 99,7
1986 99,74

Aber auch bei den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 war die Wahlbeteiligung sehr hoch, fiel dann allerdings zu den ersten Landtagswahlen im Oktober und zur Bundestagswahl im Dezember des Jahres 1990 stark:

Volkskammerwahl Wahlbeteiligung in %[22]
1990 93,38

Bundestagswahlen

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Beteiligung an Bundestagswahlen (1949–2021)
in % der Wahlberechtigten
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
49
53
57
61
65
69
72
76
80
83
87
90
94
98
02
05
09
13
17
21/23
Bundestagswahl Wahlbeteiligung in %[23] Kommentar
1949 78,5
1953 86,0
1957 87,8 Kleine Wiedervereinigung
1961 87,7
1965 86,8
1969 86,7
1972 91,1
1976 90,7
1980 88,6
1983 89,1
1987 84,3
1990 77,8 Deutsche Wiedervereinigung
1994 79,0
1998 82,2
2002 79,1
2005 77,7
2009 70,8
2013 71,5
2017 76,2
2021/23 76,6

Im folgenden sind die Wahlbeteiligungen der jeweils letzten Landtagswahl in den deutschen Bundesländern gezeigt:

Liste (geordnet von hoch zu niedrig; Stand 13.09.2024)
Land Jahr Wahlbeteiligung
Sachsen Sachsen 2024 74,4 %
Thüringen Thüringen 2024 73,6 %
Bayern Bayern 2023 73,1 %
Brandenburg Brandenburg 2024 72,9 %
Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern 2021 70,8 %
Hessen Hessen 2023 66,0 %
Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz 2021 64,4 %
Baden-Württemberg Baden-Württemberg 2021 63,8 %
Hamburg Hamburg 2020 63,2 %
Berlin Berlin 2023 62,9 %
Saarland Saarland 2022 61,4 %
Niedersachsen Niedersachsen 2022 60,3 %
Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein 2022
Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt 2021
Bremen Bremen 2023 56,8 %
Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen 2022 55,5 %

Das Fürstentum Liechtenstein ist verfassungsmässig als eine „konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage“ definiert – mit zwei Souveränen. Das Volk einerseits, und der Landesfürst andererseits. Das Volk selbst kann sowohl direkt-, wie auch indirektdemokratisch in das Politgeschehen eingreifen. Die Landtagswahlen, in denen 25 Volksvertreter bestimmt werden, finden in der Regel alle 4 Jahre statt.

Traditionellerweise ist die Wahlbeteiligung im Fürstentum sehr hoch. Während sie bis in die 1980er Jahre jeweils bei über 90 % gelegen hat, sank sie bis zu der Landtagswahl 2009 auf rund 85 %.

Landtagswahlen Wahlbeteiligung in % Vergleich zur letzten
Wahl (in Prozentpunkten)
1945 93,3
1949 91,9 −1,4
1953a 90,7 −1,2
1953b 93,3 +2,6
1957 93,4 +0,1
1958 96,4 +3,0
1962 94,9 −1,9
1966 95,6 +0,7
1970 94,9 −0,7
1974 95,6 +0,7
1978 95,7 +0,1
1982 95,4 −0,3
1986 93,3 −2,1
1989 90,9 −2,1
1993a 87,5 −3,4
1993b 85,3 −2,2
1997 86,9 +1,6
2001 86,8 −0,1
2005 86,5 −0,3
2009 84,6 −1,9
2013 79,8 −4,8
2017 77,8 −2,0
2021 78,0 +0,2

Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen der ersten Republik ab 1919:

Nationalratswahl Wahlbeteiligung in %[24] Vergleich zur letzten
Wahl (in Prozentpunkten)
(1919) (93,27)
1920 84,4 (−8,87)
1923 87,0 +2,6
1927 89,3 +2,3
1930 90,2 +0,9

Anmerkung: Im Jahr 1919 fand keine Nationalratswahl statt, sondern eine Wahl der konstituierenden Nationalversammlung, daher die Einklammerungen.

Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen der zweiten Republik ab 1945:

Nationalratswahl Wahlbeteiligung in % Vergleich zur letzten
Wahl (in Prozentpunkten)
1945 93,27
1949 95,49 +2,22
1953 94,15 −1,34
1956 94,31 +0,16
1959 92,90 −1,41
1962 92,73 −0,17
1966 92,74 +0,01
1970 90,95 −1,79
1971 91,42 +0,47
1975 91,92 +0,50
1979 91,18 −0,74
1983 91,29 +0,11
1986 88,85 −3,07
1990 83,58 −5,27
1994 80,24 −3,34
1995 83,08 +2,84
1999 80,42 −2,66
2002 84,27 +3,85
2006 78,48 −5,79
2008 78,81 +0,33
2013 74,42 −4,39
2017 80,00 +5,58
2019 75,59 −4,41

Anmerkung: Die besonders hohen Wahlbeteiligungen von 1945 bis 1986 lassen sich unter anderem dadurch erklären, dass (in einem Teil der Bundesländer) in Österreich bis Anfang der 1990er Wahlpflicht herrschte.

Die Zahl der Möglichkeiten abzustimmen, der «Urnengänge», in der Schweiz ist weltweit einmalig hoch – alle Behördenwahlen und Volksabstimmungen über Verfassungen, Gesetze, Finanzvorlagen, Volksinitiativen, Referenden etc. in Bund, Kantonen und Gemeinden zusammengenommen.[25]

Im «halb-direktdemokratischen» politischen System der Schweiz sind die Stimm- und Wahlberechtigten (der Souverän, das Volk, auf Bundesebene seit 1971 nicht nur Männer →Frauenstimmrecht in der Schweiz) nicht nur berechtigt, ihre Repräsentanten zu wählen (Gemeinde-, Kantons-, National- und Ständeräte, sowie Exekutive), sondern auch über Abstimmungen direkten Einfluss auf die Regierungs- und legislativen Tätigkeiten zu nehmen. Dazu sind vier Abstimmungstermine jährlich vorgesehen.[26] Zu einem dieser «Urnengänge» finden auch Wahlen statt (im üblichen Rhythmus der Legislativen).

In der Schweiz errechnet sich die Stimm- und Wahlbeteiligung, indem man die Anzahl der abgegebenen und eingelegten Stimm- oder Wahlzettel durch die Anzahl der Wahl-/Stimmberechtigten teilt. Leere oder ungültig gemachte Stimmen fliessen in die Stimm-/Wahlbeteiligung ein.

Stimm- und Wahlbeteiligung

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An Abstimmungen und Wahlen nehmen in der Schweiz im langjährigen Durchschnitt rund 45 Prozent der Stimmberechtigten pro Abstimmung teil,[27][28] was im internationalen Vergleich an sich gering wäre. Allerdings berücksichtigen solche Vergleiche nicht, dass in einer Legislaturperiode von (üblicherweise) vier Jahren sechzehn Abstimmungstermine stattfinden, dazu noch zu mehreren Abstimmungsthemen (Vorlagen). So kommt es dazu, dass in solchen Vergleichen die politische Beteiligung in der Schweiz massiv unterschätzt wird.[29][30][31]

Durchschnittliche Stimmbeteiligung pro Abstimmung, seit 1951[27]
10-Jahresdurchschnitte 
1951–1960 
  50,3 %
1961–1970
  44,5 %
1971–1980
  41,2 %
1981–1990
  40,6 %
1991–2000
  43,0 %
2001–2010
  45,2 %
2011–2020
  46,4 %
  100 % (zum Vergleich)

Gründlichere, fundiertere politologische Untersuchungen ergeben ein anderes Bild – drei Viertel aller Stimmberechtigten gehen «mehr oder weniger» regelmässig «an die Urne», wie eine Studie der Universität Zürich und des Zentrums für Demokratie Aarau zeigte, die Daten aus den Kantonen Genf und St. Gallen auswertete. In der Stadt St. Gallen in einem Zeitraum von etwa einer halben Legislaturperiode (sieben Abstimmungstermine). Die Auswertung zeigt, dass in diesem Zeitraum 75 % der Stimmberechtigten an mindestens einem von sieben «Urnengängen» (mit mehreren Vorlagen) teilnehmen, welche die Studie erfasste. Weiter, dass rund 25 % der Stimmberechtigten an allen Wahlen und Abstimmungen teilnehmen, 20 % an keinen, und 55 % unregelmässig.[32][33][34][35]

Im von Uwe Serdült et al. untersuchten Zeitraum 2010 bis Anfang 2012 mit damals drei Abstimmungsterminen jährlich – also je drei Termine 2010 und 2011, einer 2012, insgesamt sieben in etwas über eine halbe Legislaturperiode – beteiligten sich in der Stadt St. Gallen (siehe auch Grafik unten) 47 % bis 55 % an einzelnen Abstimmungen, 58 % bis 63 % an einer von zwei, 66 % bis 67 % an einer von drei, 69 % bis 71 % an einer von vier, 71 % bis 73 % an einer von fünf, 74 % an einer von sechs, 75 % an einer von sieben. Für den ganzen Zeitraum einer Legislatur (plus weitere sechs Abstimmungen, 2. Q 2010 bis 1. Q 2014) war die Beteiligung 81,3 % (an einer von fünfzehn Abstimmungen).[36] Dazu kämen noch die, in der Untersuchung nicht erfassten, Wahlen (auf Bundesebene Nationalrat und Ständerat), womit die gesamte Stimm- und Wahlbeteiligung noch etwas höher ist.[37]

Durchschnittliche Stimmbeteiligung, Stadt St. Gallen[33][34][37]
Beteiligung an
sieben Abstimmungen, 2010 bis Anfang 2012
 
einzelnen Abstimmungen 
  47 % bis 55 %
einer von zwei
  58 % bis 63 %
einer von drei
  66 % bis 67 %
einer von vier
  69 % bis 71 %
einer von fünf
  71 % bis 73 %
einer von sechs
  74 %
einer von sieben
  75 %
 
fünfzehn Abstimmungen, 2. Q 2010 bis 1. Q 2014[36]
einer von fünfzehn
  81 %
  100 % (zum Vergleich)

Wahlbeteiligung

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Die Wahlbeteiligung in der Schweiz wird – in denjenigen Untersuchungen, die sie per isolierten Stimm-/Wahlgang betrachten[29][30][31] – als die «niedrigste in einem demokratischen Land» betrachtet. Die Gründe dafür werden allgemein in ihrem politischen System gesehen. Durch das Konkordanzprinzip sind abrupte, grössere Machtwechsel – wie sie in Anfängen der Schweizer Demokratie auch üblich waren – ausgeschlossen. Wodurch die Wahlen, im Vergleich zu Ausland – wo Wahlen der Schwerpunkt der politischen Beteiligung sind – an «Brisanz» verlieren.

Die politische Beteiligung in der Schweiz ist aber «massiv höher» – etwa 75 % bis 80 %.[36] Dafür massgeblich ist die hohe «Dichte» der politischen Beteiligung,[32][33][34][35] die in der Schweiz vor allem in Abstimmungen stattfindet (siehe auch oben Stimm- und Wahlbeteiligung). Die Stimmberechtigten werden jeden dritten Monat «aufgerufen», sich an Volksabstimmungen auf kommunaler, kantonaler und Bundesebene zu beteiligen. Die Wahlen, ebenfalls auf kommunaler, kantonaler und Bundesebene, finden zusätzlich zu einem der Abstimmungstermine statt, in auch anderswo üblichem Rhythmus der jeweiligen Legislaturperiode (i. d. R. vier Jahre).

Wahlbeteiligung Nationalratswahlen

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Die Wahlbeteiligung in der Schweiz sank im 20. Jahrhundert. Lag diese bei den ersten Nationalratswahlen nach dem Proporzsystem im Jahr 1919 noch bei 80,4 %, waren es im Jahr 1999 nur noch 43,4 % der Stimmberechtigten, die sich an der Wahl beteiligten. Die grössten Verluste waren in den drei Legislaturperioden von 1967 bis 1979 zu beobachten – die Wahlbeteiligung sank von 65,7 % (1967) um mehr als ein viertel auf 48,0 % (1979).

Die folgende Tabelle zeigt die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen seit der Einführung der Proporzwahl:

Nationalratswahl Wahlbeteiligung in %[38] Vergleich zur letzten
Wahl (in Prozentpunkten)
1919 80,4
1922 76,4 −4,0
1925 76,8 +0,4
1928 78,8 +2,0
1931 78,8 0,0
1935 78,3 −0,5
1939 74,3 −4,0
1943 70,0 −4,3
1947 72,4 +2,4
1951 71,2 −1,2
1955 70,1 −1,1
1959 68,5 −1,6
1963 66,1 −2,4
1967 65,7 −0,4
1971 56,9 −8,8
1975 52,4 −4,5
1979 48,0 −4,4
1983 48,9 +0,9
1987 46,5 −2,4
1991 46,0 −0,5
1995 42,2 −3,8
1999 43,3 +1,1
2003 45,2 +1,9
2007 48,3 +3,1
2011 48,5 +0,2
2015 48,5 0,0
2019 45,1 −3,4

Die Wahlbeteiligung bei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in den USA ist signifikant niedriger als im europäischen Durchschnitt. Bei den Präsidentschaftswahlen schwankt die Wahlbeteiligung nach 1900 zwischen 49 % und 65 %.

Jahr Wahlberechtigte
(in Millionen)
Registrierte Wähler
(in Millionen)
Wahlbeteiligung
(in %)[5][39][40]
1824 26,9
1860 81,2
1900 73,2
1944 56,1
1948 51,1
1952 61,6
1956 59,3
1960 109,67 63,85 62,8
1964 114,09 73,71 61,4
1968 120,33 81,66 60,7
1972 140,78 97,28 55,1
1976 152,31 105,02 53,6
1980 164,60 113,04 52,8
1984 174,47 124,18 53,3
1988 182,63 126,38 50,3
1992 189,04 133,82 55,2
1996 196,51 146,21 49,0
2000 205,81 156,42 50,3
2004 197,01 142,07 63,8
2008 206,07 146,31 63,6
2012 215,08 153,16 61,8
2016 157,60 60,2
2020 66,3

In Frankreich ist es üblich, nicht die Wahlbeteiligung anzugeben, sondern Abstentions, also die relative Anzahl der Stimmenthaltungen oder der Nichtwähler, bezogen auf alle (eingetragenen) Wähler.

In Spanien werden bei Wahlen immer auch die Ungültigen (esp.: nulos) und die Leeren (esp.: votos en blanco), die ebenfalls ungültig sind, aufgeführt. Wie in Deutschland und der Schweiz zählen sie mit den gültigen zu den Wahlteilnehmern.

Es gibt in verschiedenen anderen Ländern, wie Belgien oder Australien anstelle eines Wahlrechts die Wahlpflicht. Bürgern, die nicht zur Wahl gehen, droht dann zumeist eine Geldstrafe, was die Wahlbeteiligung hoch ausfallen lässt.

In der Schweiz betrifft dies den Kanton Schaffhausen. Als Buße werden sechs[41] Schweizer Franken erhoben.[42]

  • Markus Freitag: Wahlbeteiligung in westlichen Demokratien. Eine Analyse zur Erklärung von Niveauunterschieden. In: Swiss Political Science Review, 2.4, 1996, S. 1–35
  • Klaus Armingeon: Gründe und Folgen geringer Wahlbeteiligung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 46.1, 1994, S. 43–64

Deutschland

  • Rolf Becker: Wahlbeteiligung im Lebensverlauf. In: KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 54.2, 2002, S. 246–263
  • Ursula Feist: Niedrige Wahlbeteiligung–Normalisierung oder Krisensymptom der Demokratie in Deutschland. In: Protestwähler und Wahlverweigerer. Krise der Demokratie. 1992, S. 40–57
  • Lüeße, Thiemo: Bürgerverantwortung und abnehmende Wahlbeteiligung. Lang, Frankfurt/M. 2007, ISBN 3-631-57350-2.
  • Dieter Roth: Sinkende Wahlbeteiligung–eher Normalisierung als Krisensymptom. In: Karl Starzacher, Konrad Schacht, Bernd Friedrich, Thomas Leif (Hrsg.): Protestwähler und Wahlverweigerer. Krise der Demokratie. 1992, S. 58–68

Schweiz

Wiktionary: Wahlbeteiligung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Es gibt auch eine Partei der Nichtwähler
  2. Nationalratswahl 2008 – Wahltag, Stichtag, endgültiges Gesamtergebnis. BMI Österreich
  3. Ergebnis der Bundestagswahl 2009. Bundeswahlleiter Deutschland
  4. Wahlbeteiligung in % 1971–2007. (Memento vom 16. November 2012 im Internet Archive) Statistik Schweiz
  5. a b The American Presidency Project, Voter Turnout in Presidential Elections 1824–2008 (engl.)
  6. Meredith Rolfe: Voter Turnout: A Social Theory of Political Participation. Cambridge University Press, 2012, ISBN 978-1-107-37913-8 (google.de [abgerufen am 1. Juli 2022]).
  7. Wolfgang Merkel: Die Herausforderungen der Demokratie. In: Demokratie und Krise. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-05944-6, S. 7–42, doi:10.1007/978-3-658-05945-3_1.
  8. Armin Schäfer: Der Verlust politischer Gleichheit: warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet. Campus Verlag.
  9. Martin Rosema: Low turnout: Threat to democracy or blessing in disguise? Consequences of citizens' varying tendencies to vote. In: Electoral Studies. Band 26, Nr. 3, 1. September 2007, ISSN 0261-3794, S. 612–623, doi:10.1016/j.electstud.2006.10.007 (sciencedirect.com [abgerufen am 1. Juli 2022]).
  10. Anthony Downs: An Economic Theory of Political Action in a Democracy. In: Journal of Political Economy. Band 65, Nr. 2, 1957, ISSN 0022-3808, S. 135–150, JSTOR:1827369.
  11. Thorsten Faas, Oscar W. Gabriel, Jürgen Maier: Politikwissenschaftliche Einstellungs- und Verhaltensforschung: Handbuch für Wissenschaft und Studium. Nomos Verlag, 2019, ISBN 978-3-8452-6489-9 (google.de [abgerufen am 1. Juli 2022]).
  12. André Blais: WHAT AFFECTS VOTER TURNOUT? In: Annual Review of Political Science. Band 9, Nr. 1, 1. Juni 2006, ISSN 1094-2939, S. 111–125, doi:10.1146/annurev.polisci.9.070204.105121.
  13. Markus Freitag: Wahlbeteiligung in westlichen Demokratien. Eine Analyse zur Erklärung von Niveauunterschieden. In: Swiss Political Science Review. Band 2, Nr. 4, Dezember 1996, S. 1–35, doi:10.1002/j.1662-6370.1996.tb00186.x.
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  35. a b Beiträge von Uwe SerdültRitsumeikan University und Universität Zürich, auf seinem Blog (uweserdult.wordpress.com, siehe dort auch Publications; engl.)
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