Gottfried Bermann Fischer – Wikipedia

Gottfried Bermann Fischer[1] (ursprünglich Gottfried Bermann, * 31. Juli 1897 in Gleiwitz; † 17. September 1995 in Camaiore, Toskana) war ein deutscher Verleger.

Gottfried Bermann wurde im oberschlesischen Gleiwitz als Sohn des jüdischen Sanitätsrats Salomon Bermann[2][3] geboren und meldete sich nach der Absolvierung des humanistischen Gymnasiums als Kriegsfreiwilliger. Nachdem er als Offizier im Ersten Weltkrieg gedient hatte, studierte er an den Universitäten Breslau, Freiburg und München Medizin. Anschließend arbeitete er als chirurgischer Assistent im Berliner Krankenhaus Friedrichshain.

Bermann lernte 1924 die ältere Tochter des Verlegers Samuel Fischer, Brigitte (genannt „Tutti“, 1905–1991), kennen. Das Paar heiratete im Februar 1926 und wurde Eltern von drei Töchtern: Gabrielle (1926–1972), Gisela (1929–2014) und Annette (1931–1996).

Samuel Fischer, zu seiner Zeit der erfolgreichste Verleger für Belletristik, suchte seit dem frühen Tod seines Sohnes Gerhart im Jahre 1913 einen Nachfolger für die Führung seines Unternehmens und gewann Bermann dazu, im Oktober 1925 in den Verlag einzutreten. Bermann stieg drei Jahre später zum Geschäftsführer auf und gründete in Anbetracht der immer stärker sich anspannenden politischen Verhältnisse bereits 1932 in der Schweiz eine AG für Verlagsrechte. Er brachte in diese AG neu geschlossene Verträge mit Autoren ein und schützte die Betreffenden dadurch vor möglichen Zugriffen der Nationalsozialisten.

Bermann bestimmte 1932 als redaktionellen Leiter der Neuen Rundschau Peter Suhrkamp, der im Herbst 1933 darüber hinaus auch in den Vorstand einrückte. Die verlegerische Arbeit konnte auch noch fortgesetzt werden, nachdem Samuel Fischer sich immer stärker ins Private zurückzog und am 15. Oktober 1934 starb, da die Nationalsozialisten im Ausland zunächst noch versuchten, den Eindruck einer gewissen Liberalität am Leben zu erhalten. Mehrere der lieferbaren Titel des Hauses fielen trotzdem bereits 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer. Bermann entschloss sich 1936, einen Teil des Unternehmens in Deutschland zu lassen und unter dem Namen S. Fischer an einen Verlag zu verkaufen, der dem Propagandaministerium nicht ein Dorn im Auge sei. Dieser Teil sollte von Peter Suhrkamp geleitet werden und für „unbelastete“ Autoren bestimmt sein. Den anderen Teil mit den kritischen Schriftstellern wollte Bermann nach Wien transferieren und unter dem Namen Bermann-Fischer Verlag als GmbH fortführen. Sein Vorhaben wurde von den Behörden bewilligt, und im März wanderte er mit seiner Frau und den drei Töchtern nach Österreich aus. Hier gelang es ihm, weiterhin Werke von Autoren wie Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Hesse, Mechtilde Lichnowsky und Carl Zuckmayer neu herauszubringen und auf dem Markt zu halten.

Bermann war allerdings schon im März 1938 durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich genötigt, über Italien in die Schweiz zu fliehen. In Zürich traf er auf den ebenfalls geflohenen Franz Werfel, der ihn auf die Idee brachte, sich in Stockholm niederzulassen. Bermann nahm mit der schwedischen Verlagsgesellschaft Bonnier Kontakt auf und erreichte, dass man ihm genehmigte, sich in Stockholm mit seinem Verlag niederzulassen, da die Bonnier-Firma sich mit 51 Prozent an einer neuen Gründung beteiligen wollte. Bermann konnte, jetzt unter dem Namen Bermann Fischer, die anderen 49 Prozent durch seine Verlagsrechte AG von 1932 einbringen. Er publizierte in Schweden erneut Literatur deutscher und österreichischer Autoren wie Martin Gumpert, Karl Otten, Stefan Zweig und Franz Werfel, ohne seine Bücher jedoch in Deutschland weiter vertreiben zu können. Nachdem auch in Schweden eine Atmosphäre heraufzog, die mit dem nationalsozialistischen Deutschland sympathisierte, und Bermann für fünf Wochen in „Schutzhaft“ genommen wurde, wich die Verlegerfamilie im Juni 1940 in die Vereinigten Staaten aus, wo Bermann Fischer seine verlegerische Tätigkeit fortführte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete Bermann Fischer den Verlag zunächst weiter von Stockholm aus, ab 1948 zusammen mit Fritz H. Landshoff, dem Leiter der deutschsprachigen Abteilung des Querido Verlages (1933–1940), als Bermann Fischer/Querido Verlag von Amsterdam aus; auch Wien wird weiter als Verlagsort angegeben.[4] 1950 kam es endgültig zur Trennung von Peter Suhrkamp, der, wie vorgesehen, den in Deutschland verbliebenen Teil des Verlages durch die Hitler-Ära hindurchgebracht hatte. Die Autoren konnten sich zwischen Bermann Fischer und Suhrkamp entscheiden.

Familiengrab (Ehrengrab) in Berlin-Weißensee

Bermann Fischer zog sich 1963 in den Ruhestand zurück, nachdem er den Verlag 1962 an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck verkauft hatte, und widmete seine Zeit fortan der Bildhauerei, zuletzt der Malerei. In seinem letzten Interview erklärte er: „Meine Lebensarbeit stand unter zwei verpflichtenden Aufgaben: den Verlag zu erhalten und gemäß seiner Tradition fortzuführen und meine Familie vor der Vernichtung durch die Naziherrschaft zu bewahren. Daß mir beides […] gelungen ist, erfüllt mich mit unendlichem Dank“ (Haufler / Vogel, S. 19). Bermann Fischer starb 1995 in der Toskana und ist auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.

  • Bedroht – bewahrt: der Weg eines Verlegers. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-21169-7 (Erstausgabe: 1967).
  • Wanderer durch ein Jahrhundert. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-12176-0.
  • Briefwechsel mit Autoren. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-021602-4.
  • Lebendige Gegenwart: Reden und Aufsätze. 2. Aufl. Classen, Zürich/Stuttgart 1987, ISBN 3-7172-0348-7.
  • Peter de Mendelssohn (Hrsg.): Thomas Mann. Briefwechsel mit seinem Verleger Gottfried Bermann Fischer 1932–1955. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-10-048173-9.
  • Briefwechsel. Mit Carl Zuckmayer. Band 1: Briefe 1935–1977 / Band 2: Kommentar. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17055-5.

Als Herausgeber

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  • Die Neue Rundschau vom 6. Juni 1945. Faksimileausgabe. S. Fischer: Frankfurt a. M. 2001, ISBN 3-10-048184-4.
  • In Memoriam S. Fischer: 24. Dezember 1859–1959. Zus. mit Brigitte Bermann Fischer. S. Fischer: Frankfurt a. M. 1960, ISBN 3-10-050303-1.
  • Florian Bruns: Gottfried Bermann Fischer. Bewahrer und Erneuerer des S. Fischer Verlags. Hentrich & Hentrich, Berlin 2020, ISBN 978-3-95565-387-3.
  • Florian Bruns: Vom Chirurgen zum Verleger – Das Jahrhundertleben des Gottfried Bermann Fischer (1897–1995). In: Deutsche Medizinische Wochenschrift 143 (2018), S. 1866–1870.
  • Irene Nawrocka: Verlagssitz: Wien, Stockholm, New York, Amsterdam. Der Bermann-Fischer Verlag im Exil (1933–1950). Ein Abschnitt aus der Geschichte des S. Fischer Verlages (= Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band 53, herausgegeben von der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.). Walter de Gruyter, Buchhändler-Vereinigung, Frankfurt am Main 2000 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Daniel Haufler / Sabine Vogel: Der Letzte seines Stammes. Ein Gespräch mit Gottfried Bermann Fischer. In: ZEIT Magazin vom 7. Oktober 1994, S. 12–19.
  • Harald Wieser: Der Dichter und das Krokodil. Gespräch [mit Brigitte und Gottfried Bermann Fischer] zum 100. Geburtstag des Samuel Fischer Verlages. In: Harald Wieser: Von Masken und Menschen. Band 2. Zürich, Haffmans Verlag 1991, S. 273–296; erstmals erschienen in: Der Spiegel 1 (1987) unter dem Titel: Nach Hause sind wir nie zurückgekehrt. (Artikel online)
  • Bermann Fischer, Gottfried. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 2: Bend–Bins. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 1993, ISBN 3-598-22682-9, S. 208–213.
  • Bermann-Fischer, Gottfried, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München: Saur, 1980, S. 57
  1. „Nach der Hochzeit ergänzte Bermann seinen Nachnamen und zeichnete fortan mit Bermann-Fischer; der Bindestrich entfiel im amerikanischen Exil.“ (Bruns, Florian: Gottfried Bermann Fischer. Bewahrer und Erneuerer des S. Fischer Verlags (Bd. 251 der Reihe Jüdische Miniaturen, hrsg. v. Hermann Simon), Hentrich & Hentrich Verlag: Berlin & Leipzig 2020, S. 29.)
  2. SPIEGEL ONLINE, Hamburg, Germany: GESTORBEN: Gottfried Bermann Fischer – DER SPIEGEL 39/1995. Abgerufen am 16. Juli 2017.
  3. Munzinger-Archiv GmbH, Ravensburg: Gottfried Bermann Fischer – Munzinger Biographie. Abgerufen am 16. Juli 2017.
  4. z. B. Zweig, Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters. Die verfolgungsbegründete Unsicherheit über den Verlagsort führt dazu, dass eine Lizenzausgabe der Stuttgarter Hausbücherei 1949 beide Verlagsorte für B. F. nennt: Amsterdam für den Lizenzgeber, Wien für den ersten Druck nach dem Krieg (1948)