Holomorphe Funktion – Wikipedia

Ein rechteckiges Gitter wird mit der holomorphen Funktion in sein Abbild übergeführt. Obwohl sich das Gitter unter der Abbildung verdreht, bleiben die rechten Winkel zwischen den abgebildeten Linienpaaren erhalten. Eine wesentliche Eigenschaft der Holomorphie ist ihre Winkeltreue.

In der Mathematik sind holomorphe Funktionen (von altgriechisch ὅλος holos „ganz, vollständig“ und μορφή morphē „Form, Gestalt“) komplexwertige Funktionen (Abbildungen von komplexen Zahlen in komplexe Zahlen), die in der Funktionentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, untersucht werden. Eine komplexwertige Funktion mit Definitionsbereich heißt holomorph, falls sie an jeder Stelle von komplex differenzierbar ist.

Die aus der Schulmathematik bekannten Rechenregeln zum Ableiten vormals reeller Funktionen gelten dabei weiterhin für komplexe Funktionen, obgleich der Holomorphiebegriff viel weitreichendere Konsequenzen nach sich zieht. Anschaulich bedeutet Holomorphie, dass sich die betroffene Funktion an jeder Stelle „fast“ wie eine aus mathematischer Sicht leicht zu verstehende (komplexwertige) lineare Funktion verhält. Erstmals eingeführt und studiert wurden holomorphe Funktionen im 19. Jahrhundert von Augustin-Louis Cauchy, Bernhard Riemann und Karl Weierstraß, obgleich sich die Terminologie der Holomorphie erst im 20. Jahrhundert flächendeckend durchsetzte. Besonders in älterer Literatur werden solche Funktionen auch „regulär“ genannt. Aufgrund ihrer breiten Anwendungsmöglichkeiten zählen sie zu den wichtigsten Funktionstypen innerhalb der Mathematik.

Durch die Möglichkeit der Linearisierung in jedem Punkt ihres Definitionsbereichs können für holomorphe Funktionen , wobei die Menge der komplexen Zahlen bezeichnet, sehr fruchtbare Resultate hervorgebracht werden. Anschaulich kann die mathematische Rechenvorschrift in der Nähe jedes Wertes ihres Definitionsbereichs sehr gut durch die lineare Funktion angenähert werden. Die Annäherung ist dabei so gut, dass sie für die lokale Analyse der Funktion bzw. der Rechenvorschrift ausreicht. Das Symbol bezeichnet dabei die komplexe Ableitung von in . Auch wenn diese Definition analog zur reellen Differenzierbarkeit ist, zeigt sich in der Funktionentheorie, dass die Holomorphie eine sehr starke Eigenschaft ist. Sie produziert eine Vielzahl von Phänomenen, die im Reellen kein Pendant besitzen. Beispielsweise ist jede holomorphe Funktion bereits beliebig oft differenzierbar und lässt sich lokal in jedem Punkt in eine Potenzreihe entwickeln. Das bedeutet, dass man die betreffende Funktion in ihrem Definitionsbereich lokal durch Polynome annähern kann, also unter Verwendung nur der vier Grundrechenarten, wobei zur Konstruktion dieser Polynome nur die Ableitungen der Funktion in einem einzigen Punkt, dem Entwicklungspunkt, benötigt werden. Besonders bei transzendenten holomorphen Funktionen, wie Exponentialfunktionen, trigonometrischen Funktionen (etwa Sinus und Kosinus) und Logarithmen, aber auch bei Wurzelfunktionen, ist dies eine sehr nützliche Eigenschaft, etwa dann, wenn man diese Funktionen und ihre Ableitungen im Entwicklungspunkt gut versteht. Dabei ist zu beachten, dass die genannten Funktionen natürliche Fortsetzungen von den reellen in die komplexen Zahlen besitzen.

Hintergrund der Begriffsstärke der Holomorphie ist, dass die Differenzierbarkeit im Komplexen auf einer offenen „Fläche“ statt nur einem offenen Intervall gelten muss. Dabei müssen beim Grenzübergang zum Differentialquotienten unendlich viele Richtungen (alle Kombinationen aus Nord, Ost, West und Süd) betrachtet werden – eine höhere Anforderung als nur die beiden Richtungen „positiv“ und „negativ“ auf dem reellen Zahlenstrahl. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurde darauf aufbauend im Rahmen der Funktionentheorie ein eigener Rechenkalkül für holomorphe Funktionen entwickelt. Während Begriffe wie Ableitung, Differenzenquotient und Integral weiterhin existieren, kommen zusätzliche Eigenschaften zum Tragen. Dies betrifft das Abbildungsverhalten holomorpher Funktionen, zusätzliche Techniken in der Integrationstheorie oder auch das Konvergenzverhalten von Funktionenfolgen.

In vielen Teilgebieten der Mathematik bedient man sich der starken Eigenschaften holomorpher Funktionen, um Probleme zu lösen. Beispiele sind die analytische Zahlentheorie, in der über holomorphe Funktionen auf Zahlen rückgeschlossen wird, sowie die komplexe Geometrie oder auch die theoretische Physik. Besonders im Rahmen der Theorie der Modulformen nehmen holomorphe Funktionen eine wichtige Position ein, wobei tiefe Verbindungen zur Darstellungstheorie und zu elliptischen Kurven aufgebaut werden können. Gleich zwei Millennium-Probleme der Mathematik, die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer und die Riemannsche Vermutung, drehen sich um das Nullstellenverhalten gewisser holomorpher Funktionen.

Komplexe Zahlen

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Komplexe Zahlen erweitern den Bereich der reellen Zahlen durch Hinzunehmen sog. imaginärer Zahlen. Diese sollen die Eigenschaft haben, algebraische Gleichungen zu lösen, die im Reellen nicht lösbar sind. Ein Beispiel ist die quadratische Gleichung . Sie hat keine reelle Lösung, da das Quadrat einer reellen Zahl stets nicht-negativ ist. Fügt man jedoch den reellen Zahlen eine imaginäre Zahl mit der Eigenschaft hinzu, so kann die obige Gleichung gelöst werden.

Die komplexen Zahlen spannen eine Ebene auf. Dabei existiert die „reelle Richtung“ (Achsenbeschriftung: Re) und die „imaginäre Richtung“ (Achsenbeschriftung: Im).

Während die reellen Zahlen eine Zahlengerade aufspannen, breiten die komplexen Zahlen eine Ebene aus. Jede komplexe Zahl ist von der Form mit reellen Zahlen und . Geht man Schritte in „reelle Richtung“ und Schritte in „imaginäre Richtung“, so wird die komplexe Zahl mit dem Punkt in der Euklidischen Ebene identifiziert. Dabei wird als Realteil und als Imaginärteil von bezeichnet.

Eine wichtige Eigenschaft komplexer Zahlen ist, dass man mit ihnen, wie im Falle der reellen Zahlen, rechnen kann. Damit ist gemeint, dass Plus, Minus, Mal und Geteilt auch für komplexe Zahlen definiert ist. Um dies umzusetzen, ist lediglich das Beherrschen der reellen Rechenregeln sowie die Regel vonnöten. Die Addition wird in Real- und Imaginärteil separat ausgeführt, also zum Beispiel , und beim Multiplizieren müssen die Klammern verrechnet werden:

Dabei entsteht der Term beim Ausmultiplizieren aus dem Produkt . Auch die Division ist möglich, etwa dadurch, den Nenner durch passendes Erweitern und die dritte binomische Formel reell zu machen:

Somit bilden auch die komplexen Zahlen eine Zahlenstruktur, in der algebraisch gerechnet werden kann. Man sagt auch, dass die Menge der komplexen Zahlen , genau wie die reellen Zahlen , einen Körper bilden.

Komplexe Funktionen

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Die Holomorphie ist eine Eigenschaft komplexer Funktionen. Dabei stellt eine Funktion ganz allgemein eine Beziehung zwischen zwei Mengen und über eine Abbildungsvorschrift her. Funktionen müssen die Regel erfüllen, dass jedem Element aus genau ein Element in zugeordnet wird.

Einige Beispiele reeller Funktionen lassen sich direkt auf die komplexen Zahlen übertragen. Dazu zählt etwa die quadratische Funktion .

Schaubild der reellen Vorschrift

Reelle Funktionen induzieren Tabellendaten der Form , wobei die Eingabewerte den Definitionsbereich von durchlaufen. Die Analogie zu einer Tabelle entsteht dadurch, dass Daten und in Zeilen- oder Spaltenform zusammengestellt werden können. Es ist jedoch nicht möglich, alle Werte einer reellen Funktion in eine Tabelle einzutragen, da es zum Beispiel bereits nicht möglich ist, alle Werte aufzulisten. Alle nicht leeren, echten Intervalle der reellen Zahlen sind überabzählbar. Daher ist die Darstellung einer reellen Funktion anhand eines Schaubildes üblich. Dabei macht man sich zunutze, dass der Definitionsbereich ein Teil eines Zahlenstrahles ist, ebenso der Wertebereich. Ergo sammeln sich die Informationen zu Punkten in einer zweidimensionalen Ebene. Hebt man diese in der Ebene hervor, bekommt man einen Überblick über das Verhalten einer reellen Funktion.

Für komplexe Funktionen ist die Situation anders. Hier ist bereits der Eingangsbereich eine Fläche. Von daher müsste ein Schaubild nach Art reeller Funktionen vierdimensional sein, was nicht verständlich darstellbar ist.[1] Ein Weg, komplexe, insbesondere holomorphe, Funktionen darzustellen, bedient sich eines Farbschlüssels. Einer komplexen Zahl wird je nach „Himmelsrichtung“ eine Farbe zugeordnet, wobei der Ursprung, also die Null, den Orientierungspunkt bildet. Zusätzlich wird mit der Helligkeit des Farbtons die Größe im Sinne des Abstands zum Ursprung visualisiert. Dabei bedeutet „dunkel“ nahe bei Null, und „hell“ nahe bei „Unendlich“.

Die Darstellung komplexer Funktionen durch Kolorierung ist besonders zur Hervorhebung von Null- oder Polstellen sowie anderer Singularitäten einer Funktion üblich.[2] Die Software Wolfram Mathematica bietet seit Version 12 ein entsprechendes Werkzeug an.[3]

Im Englischen trägt eine solche Art der Visualisierung die Bezeichnung domain coloring. Diese wurde von Frank Farris geprägt.[4] Es gab viele frühere Verwendungen von Farbe zur Visualisierung komplexer Funktionen, typischerweise die Zuordnung von Argumenten (Phasen) zu Farbtönen.[5] Larry Crone verwendete die Methode in den späten 1980er Jahren.[6] Die Technik der Verwendung kontinuierlicher Farbe zur Abbildung von Punkten des Definitionsbereiches in die Zielmenge wurde 1999 von George Abdo und Paul Godfrey verwendet, und farbige Raster wurden in Grafiken von Doug Arnold benutzt, die er auf 1997 datiert.[7] Menschen, die farbenblind sind, können jedoch Schwierigkeiten haben, solche Diagramme zu interpretieren, wenn sie mit Standard-Farbkarten erstellt werden.[8] Dieses Problem kann möglicherweise durch die Erstellung alternativer Versionen unter Verwendung von Farbkarten behoben werden, die in den Farbraum passen, der für Menschen mit Farbenblindheit erkennbar ist. Zum Beispiel kann eine Farbkarte, die auf Blau/Grau/Gelb basiert, für Menschen mit vollständiger Deuteranopie besser lesbar sein als das herkömmliche Schaubild, das auf Blau/Grün/Rot basiert.[9]

Von reeller zu komplexer Differenzierbarkeit

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Im Reellen kann man sich im Differenzenquotienten nur von zwei Seiten nähern: Eine Zahl ungleich liegt entweder links oder rechts von auf der Zahlengeraden. In dieser Graphik wird die Annäherung von rechts illustriert.

Da mit komplexen Zahlen im Wesentlichen genau wie mit reellen Zahlen gerechnet werden kann, stellt sich die Frage, inwieweit sich die reelle Analysis, mit Begriffen wie Funktionen, Ableitung oder auch Integral, auf die komplexen Zahlen ausweiten lässt.

Im Reellen ist eine Funktion in einem Punkt differenzierbar, wenn sie dort linearisiert werden kann. Das bedeutet, dass sie sich um herum sehr ähnlich zu einer linearen Funktion verhält. Es gilt also für sehr kleine Werte die Approximation , wobei man mit auch erhält. Um die Begriffe „Linearisierung“, „sehr ähnlich“ und „Approximation“ präzise zu fassen, bedient man sich des Konzepts des Grenzwertes. Demnach ist in genau dann differenzierbar, wenn der Differentialquotient

existiert, der auch als Ableitung von an der Stelle bezeichnet wird. Da bei der Berechnung dieses Quotienten nur die Grundrechenarten Addition, Subtraktion und Division verwendet werden, stellt sich die Frage nach einem Analogon im Komplexen. Da die komplexen Zahlen diese Rechnungen auch zulassen, kann die Bedingung

existiert

eins zu eins übernommen werden. Der entscheidende Unterschied ist hier aber, dass bei der Berechnung des komplexen Differenzenquotienten das kleiner werdende eine komplexe Zahl sein kann. Es kann sich also aus jeder Richtung in der komplexen Ebene genähert werden. Im Gegensatz dazu sind im Reellen nur endlich viele, nämlich zwei, Richtungen möglich, von links () und von rechts ().

Für das Verständnis der komplexen Differenzierbarkeit ist essentiell, den Definitionsbereich der komplexen Funktion auch geometrisch wahrzunehmen. Eingabewerte in die Funktion sind somit nicht bloß komplexe Zahlen, sondern auch Punkte einer Ebene. Auf dieser Ebene ist ein Abstandsbegriff definiert, also können Punkte „nah“ und „weit weg“ zu anderen Punkten liegen. Erst diese Vorstellung erlaubt die Formulierung des für die Differenzierbarkeit essentiellen Lokalitätsbegriffs: Eine in einem Punkt komplex differenzierbare Funktion sieht an Punkten sehr nahe zu einer linearen Funktion „sehr ähnlich“. Genau diese Aussage wird durch den Differentialquotienten analytisch präzisiert. Nach Umformung des Differentialquotienten erhält man

wobei der Fehler in dieser Annäherung „viel kleiner“ ist als der „kleine“ Wert .

Veranschaulichung

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Zum Holomorphiebegriff

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Ist eine komplexe Funktion in ihrem Definitionsbereich holomorph, bedeutet dies, dass sie in jedem Punkt komplex differenzierbar ist. Wegen der ohnehin restriktiveren Bedingung der komplexen (statt nur reellen) Differenzierbarkeit, gepaart mit deren Gültigkeit für alle Punkte auf einer Fläche statt nur eines Intervalls (einer Linie), ist die Holomorphie eine sehr starke Eigenschaft.

Analytische Motivation

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Ein zentrales Problem der Analysis besteht darin, „komplizierte“ Funktionen zu studieren. Dabei bedeutet „kompliziert“ zum Beispiel, dass die Rechenvorschrift nicht aus einer endlichen Abfolge aus Anwendungen der vier Grundrechenarten besteht. Eine in diesem Sinne „einfache“ Vorschrift wäre: Nimm die Eingangszahl mal Zwei, dann das Ergebnis plus Eins, multipliziere dies mit sich selbst, teile dann alles durch die Drei. In Kurzform: . Jedoch lassen sich sehr viele Phänomene in der Natur nicht so einfach beschreiben. Die Mathematik ist demnach bestrebt, Analyseverfahren nichttrivialer Funktionen zu entwickeln. Solche Verfahren kommen zum Beispiel dann zum Einsatz, wenn Änderungsraten bei Naturgesetzen oder Bilanzen in der Wirtschaft erstellt werden müssen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Funktion zunächst sehr stark einzuschränken, also nur Eingabewerte aus einem sehr „kleinen“ Vorrat einzusetzen. Klein bedeutet in diesem Kontext, dass die betrachteten Eingabewerte sehr nahe beieinander liegen. Soll eine Funktion etwa um 0 herum studiert werden, würden Werte wie 0,000001 möglicherweise noch in Betracht gezogen, möglicherweise aber nicht mehr 1, geschweige denn 100. In diesem Kontext nennt man die 0 auch den Entwicklungspunkt. Phänomene wie die Holomorphie besagen nun, dass betroffene Funktionen in sehr kleinen Bereichen deutlich verständlicheren Funktionen sehr stark ähneln. Diese verständlicheren Funktionen sind Vorschriften, die sich nur aus den vier Grundrechenarten zusammensetzen. Hinter diesem Prinzip steckt eine gewisse Form der „Stetigkeit“: Wurde eine holomorphe Funktion im Punkt 0 gut verstanden, so lässt sich daraus schon auf ihr Verhalten in z. B. 0,000001 schließen, und das nur anhand der vier Grundrechenarten. Präziser wird die Annäherung über Polynome realisiert, also Ausdrücke wie , und ganz allgemein

Eine holomorphe Funktion kann also um jeden Wert ihres Definitionsbereichs durch Anwendung der Grundrechenarten entwickelt werden. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei hinreichend „komplizierten“ Funktionen nur um eine Näherung handelt. Eine zentrale Eigenschaft der Holomorphie ist aber, dass für solche komplizierten Funktionen beliebig lange Polynomketten, also addierte -Terme, zur Annäherung gefunden werden können. Je länger diese Terme sind, desto besser. Lässt man diesen Prozess gegen Unendlich streben, ist die Annäherung in den umliegenden Punkten perfekt, es herrscht also Gleichheit. In diesem Sinne sind also holomorphe Funktionen, zumindest lokal, gerade „unendlich lange Polynome“. Obwohl dabei unendlich viele Terme addiert werden, kann Konvergenz vorliegen, wenn das Funktionsargument nahe genug am Entwicklungspunkt liegt. Wählt man zum Beispiel den Entwicklungspunkt 0 und für die Koeffizienten die Dezimalstellen der Kreiszahl , also

so gilt

Für Werte wird dann „erst recht“ endlich sein. Dabei bezeichnet die Euklidische Länge der Zahl in der Ebene, was dem Abstand zum Punkt 0 entspricht. Diesem Gedanken folgend kann man zeigen, dass Potenzreihen entweder überall oder innerhalb von Kreisscheiben konvergieren. Dennoch kann es sein, dass im Falle der Potenzreihen nicht immer Holomorphie auf ganz vorliegt. Ein Beispiel ist die Funktion , die an der Stelle nicht komplex differenzierbar (ja nicht mal definiert) ist. Jedoch liegt Holomorphie im Bereich aller mit vor, und es gilt mit der geometrischen Reihe

Demnach ist Holomorphie stets zunächst nur eine lokale Eigenschaft.

Es folgen einige Beispiele für holomorphe Funktionen.

Sinus und Kosinus bilden die Länge eines Kreisbogens auf die Länge zweier gradliniger Lote ab. Zu beachten ist, dass die Kreisbogenlänge b eigentlich der krummen „Strecke“ zwischen den Punkten A und B (sprich b = OAB) entspricht. Wegen der Wahl
Radius = r = 1 beträgt der volle Kreisumfang Längeneinheiten, was auch im dimensionslosen Maß genau 360 Grad entspricht und damit eine Identifizierung des Kreisbogens mit dem einschließenden Winkel erlaubt.
  • Eine in der Schule behandelte Funktion, die sich im Allgemeinen nicht durch nur endlichfache Anwendung der vier Grundrechenarten berechnen lässt, ist der Sinus, also die Vorschrift . Hier wird die Vorschrift im Reellen zunächst nicht über eine Zahlenrechnung, sondern geometrisch erklärt. Zur Länge eines Kreisbogens soll die zugehörige gerade Strecke gefunden werden, die den Endpunkt des Bogens mit der Grundachse verbindet, analog beim Kosinus (siehe Bild). Alle betrachteten Strecken haben Längen, im Verhältnis zur Einheit dimensionslos, also entspricht dies einer Abbildung von Zahlen auf Zahlen. Krumme Kreislinien („komplizierte Strecken“) werden auf ungleich lange gerade Linien („einfache Strecken“) abgebildet, was vermuten lässt, dass sich diese Umrechnung nicht in einfacher Weise mit den vier Grundrechenarten darstellen lässt. Es zeigt sich jedoch, dass der Sinus eine holomorphe Funktion ist, weshalb eine Annäherung durch einfache Terme möglich ist. Es gilt zum Beispiel für sehr kleine Werte von
Dies entspricht einem „Studium“ der Sinusfunktion in oben erklärtem Sinne, da die komplizierte Sinusfunktion durch eine einfache Abbildung angenähert wurde. Dabei war der Entwicklungspunkt 0, in der Tat ist wegen die Annäherung hier perfekt, doch auch für umliegende Werte ist sie brauchbar. Es gilt zum Beispiel und . Für eine exakte Berechnung erhält man für den Sinus
wobei die Fakultät bezeichnet und das Summenzeichen. Die Formel erweitert sich auf alle komplexen Zahlen und setzt den Sinus dort als Funktion fort, wobei dort keine geometrische Interpretation über Dreiecke mehr zur Verfügung steht.
  • Für das lokale Verständnis holomorpher Funktionen werden Polynome herangezogen, jedoch ist die Frage entscheidend, wie man auf die Koeffizienten dieser Polynome schließt, also auf die Zahlen vor den Termen . Dafür werden die komplexen Ableitungen der Funktionen am Entwicklungspunkt benötigt. Genau gesagt gilt eine Formel, die in der Mathematik Taylorreihe genannt wird:
Hier ist eine Zahl, die nahe am Entwicklungspunkt liegen sollte. Dies lässt sich zum Beispiel an der Wurzelfunktion demonstrieren, etwa um den Punkt . Diese ist dort holomorph, man hat die Ableitungen und . Also gilt mit der Taylor-Formel die Approximation
für komplexe Zahlen , die nahe an liegen. Der Ausdruck auf der rechten Seite kann, wie oben, durch Anwendung nur der vier Grundrechenarten schnell berechnet werden. Er stimmt nach Einsetzen von exakt mit dem Funktionswert überein, doch auch in der näheren Umgebung von ist die Annäherung noch sehr genau. Man hat etwa
und es gilt für den exakten Wert . Da Holomorphie eine Eigenschaft komplexer Funktionen ist, gilt die Annäherung auch für nicht-reelle Zahlen in der Nähe von 25. Für erhält man zum Beispiel als Näherung für , und es gilt rückwirkend .

Die Stärke des Holomorphiebegriffs stützt sich auf folgende Säulen.

  • Einfache Handhabung der Taylorpolynome: Durch die Eigenschaft einer holomorphen Funktion, durch Polynome, also Summen von Termen , lokal beliebig gut angenähert werden zu können, ist das Betreiben von Analysis für diesen Funktionstyp besonders einfach. So können etwa sowohl Ableitungen als auch Stammfunktionen der einzelnen Ausdrücke schnell bestimmt werden. Weiß man, dass die Ableitung von ist, so kann man aus bereits folgern.
Dies ermöglicht es, komplizierte Ableitungen oder Stammfunktionen erneut durch Polynome anzunähern und lokal zu beschreiben.
  • Jede Ableitung ist holomorph: Ist eine Funktion holomorph, so auch wieder ihre komplexe Ableitungsfunktion. Wie in einer Kettenreaktion kann gefolgert werden, dass jede holomorphe Funktion bereits unendlich oft komplex differenzierbar ist. Zu dieser Aussage gibt es im Reellen überhaupt keine Entsprechung. So gibt es etwa reelle Funktionen, die zweimal, aber nicht dreimal differenzierbar sind.
  • Gleichmäßige Approximation: Die lokale Approximation durch die Polynome erfolgt nicht „willkürlich“, sondern gleichmäßig. Zum Beispiel soll eine holomorphe Funktion auf einer Kreisfläche inklusive Rand bis auf einen Fehler von durch Polynome angenähert werden. Es soll also gelten. Nach Abbruch einer gewissen Schranke im Grad des Polynoms gilt dann für jeden Wert aus der Kreisfläche . Die Annäherung vollzieht sich also nicht unkontrolliert, sondern breitet sich mit „gleicher Geschwindigkeit“ auf Flächen aus. Die untere Bildserie illustriert diese Gleichmäßigkeit bei der Approximation des Sinus um den Nullpunkt anhand seiner Taylorpolynome Bereits im Fall ist um die Null (schwarzer Punkt im Zentrum) eine lokale Ähnlichkeit zu sehen. Erkennbar ist dies an der Farbverteilung und Intensität, die um das Zentrum herum (ganz linkes Bild) sehr ähnelt, etwa „gelb in Nord-Ost“.
Zu beachten ist, dass der ausgesuchte Fehler immer größer als 0 sein muss und die Approximation in der Nähe des Entwicklungspunktes grundsätzlich besser ist. Diese Eigenschaft der gleichmäßigen Konvergenz ist in der Mathematik enorm nützlich. Sie erlaubt es zum Beispiel, dass es bei der Ausführung nichttrivialer Prozesse, wie Ableiten, Integrieren oder unendliches Summieren holomorpher Funktionen, die Reihenfolge vertauscht werden darf. Im Falle unendlich vieler Terme ist dies mathematisch nicht trivial. Beispielsweise erhält man unter Kenntnis der Stammfunktionen von für die Logarithmusfunktion :
Aus der geometrischen Reihe kann also die Taylorreihe der Logarithmusfunktion in der Nähe von 1 bestimmt werden. In der Umformung wurde der Prozess „die Summe wird integriert“ durch „die integrierten Terme werden summiert“, ersetzt. Dies entspricht der Vertauschung , was wegen der gleichmäßigen Konvergenz der Taylorreihe aber erlaubt ist.
In wegzusammenhängenden Definitionsbereichen reicht es aus, eine holomorphe Funktion in abzählbar unendlich vielen Punkten um ein „Ballungszentrum“ zu kennen, um die Funktion an allen Orten zu bestimmen
  • Wenige Daten reichen aus: Die Regel, dass zwei Punkte eine „Gerade“, also eine lineare Funktion eindeutig bestimmen, gilt auch im Komplexen. Weiter sind es drei Punkte für quadratische Funktionen, vier Punkte für kubische Funktionen, und so weiter. Da holomorphe Funktionen lokal wie „unendlich lange Polynome“ aussehen, besagt dies heuristisch, dass auch hier „verhältnismäßig wenige“ Funktionswerte ausreichen sollten, die Funktion eindeutig zu charakterisieren. Stimmen zwei holomorphe Funktionen auf einer Menge von Zahlen überein, die sich einer Zahl beliebig stark annähern, und gilt auch Gleichheit in , dann sind diese schon lokal identisch. Sie sehen also um den Punkt herum absolut gleich aus. Die Bedingung der Übereinstimmung in unendlich vielen Zahlen wirkt zunächst schwach, es ist jedoch zu beachten, dass es möglich ist, diese Stellen wie aufzulisten. Im Gegensatz dazu kann der Definitionsbereich einer holomorphen Funktion niemals aufgelistet werden, da es sich dabei um zu viele Zahlen handelt. Dazu müssen zwei verschiedene Unendlichkeitsstufen unterschieden werden, nämlich Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit. Besonders in Definitionsbereichen, in denen es möglich ist, jeden Punkt durch einen Weg „zu Fuß zu erreichen“, ohne dabei die Fläche zu verlassen, entpuppt sich Holomorphie als sehr stark. Hier genügt die Kenntnis der Funktion in einem lokalen „Ballungsraum“ , um die Funktion im gesamten Bereich eindeutig zu charakterisieren. Würde eine Funktion etwa jedem Punkt des deutschen Festlandes – hier kann man zu Fuß jeden Ort von jedem Startpunkt aus erreichen, ohne Deutschland zu verlassen – einen komplexen Wert zuordnen, und wäre diese überall holomorph, so reichte die Kenntnis im Ballungsraum Hamburg aus, um ihr Verhalten in München oder Passau zu rekonstruieren, obwohl diese Orte weit weg liegen.

Einordnung der Anwendungsmöglichkeiten

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Berechnung reeller Integrale

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Bedeutsam sind holomorphe Funktionen auch in Anwendungen für reelle Integrale. Es lassen sich einige wichtige Integrale berechnen, ohne eine Stammfunktion angeben zu müssen. Dazu zählt zum Beispiel

,

und es ist zu beachten, dass zu keine geschlossene elementare Stammfunktion angegeben werden kann. Integrale wie das obige spielen eine Rolle in der Wahrscheinlichkeitstheorie, hier im Kontext mit der Gaußschen Normalverteilung.

Geschlossene Formeln für unendliche Reihen

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In der Analysis, die sich mit Grenzwerten von Funktionen oder Zahlenfolgen beschäftigt, treten auch Reihen auf. Diese sind spezielle Folgen, und werden durch unendliche Summen ausgedrückt. Wenn die Summanden schnell genug klein werden, hat die betroffene Reihe einen Grenzwert. Ein Beispiel ist

Mit holomorphen Funktionen können in manchen Fällen Grenzwerte weit komplizierterer Reihen bestimmt werden. Beispiele sind

(siehe auch Basler Problem),
(siehe auch Apéry-Konstante),[10]

aber auch Identitäten wie zum Beispiel die für alle gültige Transformation[11]

Es bezeichnen dabei die Eulersche Zahl und die Kreiszahl. Die letzte Identität geht auf den Mathematiker Carl Gustav Jacobi zurück und hat weitreichende Konsequenzen in der Zahlentheorie. So lässt sich jede positive ganze Zahl als Summe von vier Quadratzahlen schreiben,[12] zum Beispiel ist , siehe auch Satz von Jacobi.

In der Zahlentheorie

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Holomorphe Funktionen treten in der Zahlentheorie besonders dann in Erscheinung, wenn eine Folge von Zahlen studiert werden soll. Eine Folge ist wie eine Tabelle, wobei den Zahlen jeweils Zahlen zugeordnet werden. Berühmte Beispiele für Folgen sind die Folge der Quadratzahlen , die Folge der Primzahlen oder auch die Fibonacci-Folge Möchte man eine Zahlenfolge mit analytischen Mitteln, also holomorphen Funktionen, untersuchen, kann es helfen, die zugehörige Potenzreihe

zu betrachten. Wie oben gesehen, handelt es sich dabei um eine um 0 holomorphe Funktion, zumindest dann, wenn die nicht zu schnell anwachsen. ist durch die eindeutig festgelegt, und umgekehrt. Das bedeutet, dass die erzeugte Funktion gewissermaßen charakteristisch für die Zahlenfolge ist, sie also Eigenschaften der Folge „kodieren“ sollte. Im Allgemeinen ist es jedoch schwer oder nahezu unmöglich, daraus exakte Informationen zu erhalten. Allerdings kann in einigen Fällen das Wachstumsverhalten der für größer werdende ermittelt werden.

Historisches Beispiel ist die Analyse der Partitionsfunktion . Diese ordnet einer natürlichen Zahl die Anzahl der Möglichkeiten zu, diese als Summe kleinerer natürlicher Zahlen zu schreiben. Wegen

gilt . Die Folge der Partitionen wächst schnell an. So gilt bereits und

Lange Zeit galt ein „geschlossenes Verständnis“ dieser Folge als unerreichbar. Godfrey Harold Hardy und Srinivasa Ramanujan studierten intensiv die von den Partitionen (formal setzt man ) erzeugte holomorphe Funktion

Für jede komplexe Zahl mit ist diese Reihe im Grenzwert endlich (siehe oberes Bild). Es ist keine holomorphe Fortsetzung in den Bereich möglich, dieser Bereich ist in Grau gehalten. Hardy und Ramanujan konnten das Verhalten der Funktion nahe an der Kreislinie mit Radius 1 und Mittelpunkt 0, wo also Konvergenz endet, detailliert beschreiben, und rekonstruierten aus ihren Analysen die asymptotische Schätzformel[13]

die prozentual immer genauer wird, wenn anwächst. Es bezeichnet dabei die natürliche Exponentialfunktion, die Kreiszahl und die Quadratwurzel von 3.

Im Komplexen ist durch die dunkle Tönung ein starkes Abfallen des Quotienten für in sämtliche Richtungen zu sehen. Dennoch ist die Funktion unbeschränkt, da an manchen Stellen, an den weißen Punkten zu erkennen, durch 0 geteilt wird. Ohne diese Stellen wäre die Funktion global beschränkt, also konstant.

Viele Anwendungen machen sich die starken Eigenschaften holomorpher Funktionen zu Nutze. So kann zum Beispiel anhand logischer Argumente, die sich auf die grundlegenden Eigenschaften der Holomorphie gründen, bewiesen werden, dass jede in allen komplexen Zahlen holomorphe Funktion, die global beschränkt ist, bereits konstant sein muss. Interessanterweise ist die analoge Aussage im Reellen falsch. So ist zum Beispiel die Funktion in ganz differenzierbar und außerdem beschränkt (da der Nenner niemals kleiner und der Zähler niemals größer als 1 wird), aber ganz offensichtlich keine konstante Funktion . Für reelle Eingaben beschränkte Funktionen wie der Sinus, die überall komplex differenzierbar sind, müssen folglich durch Eingabe beliebiger komplexer Werte über alle Grenzen hinauswachsen. Es gilt zum Beispiel

Mit Hilfe dieser Aussage kann man logisch begründen, dass jede Gleichung der Form

mit und , eine komplexe Lösung besitzt. Das Argument kann exemplarisch am Beispiel

nachvollzogen werden. Die Funktion ist, da sie ein Polynom ist, holomorph für alle komplexen Zahlen. Wegen der Quotientenregel ist auch ihr Kehrwert komplex differenzierbar an Punkten mit , da sonst durch 0 geteilt wird. Geht man davon aus, dass die Gleichung nicht lösbar ist, so ist

ebenfalls auf ganz holomorph. Da als Polynom aber in jeder Richtung für wachsende langfristig beliebig anwächst, kann man folgern, dass beschränkt ist. Damit ist es als global holomorphe Funktion konstant. Das ist offenbar falsch, somit ist ein Widerspruch gefunden, und die Gleichung muss über den komplexen Zahlen lösbar sein.[14]

Dieses Resultat wird auch als der Fundamentalsatz der Algebra bezeichnet.

In der theoretischen Physik

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Auch in der theoretischen Physik treten holomorphe Funktionen auf. Ein Anwendungsgebiet betrifft die sogenannte Stringtheorie. Der Ausgangsgedanke dieser Theorie entspringt der „klassischen“ Quantenfeldtheorie (QFT). In der QFT sind die grundlegenden Objekte Teilchen. Während sie sich durch den Raum ausbreiten und miteinander interagieren, beschreiben sie einen Graphen, der als Feynman-Diagramm bezeichnet wird. Diese Diagramme dienen also der Veranschaulichung von Wechselwirkungen zwischen Teilchen, die unsere bekannte Welt aufbauen. In der Stringtheorie sind die grundlegenden Objekte 1-dimensional (Linien bzw. Strings) und nicht 0-dimensional (Punkte bzw. Teilchen). Sie können sich durch den Raum ausbreiten und interagieren, genau wie Punktpartikel, aber anstatt einen Graphen aufzufächern, fächern sie eine Oberfläche auf.[15] Diese Oberflächen können mit Hilfe der Theorie der Riemannschen Flächen beschrieben werden. Das sind zweidimensionale Strukturen im Raum, die lokal wie eine flache Ebene aussehen, deren Koordinaten sich also durch komplexe Zahlen beschreiben lassen. Auf diesen Ebenen können holomorphe Funktionen definiert werden. Diese helfen dabei, alle möglichen Flächen eines Typs zu charakterisieren, wobei nur „geschlossene Flächen mit Henkeln“ interessant sind.

Obwohl etwa verschiedene Tori (Donuts), Flächen vom Geschlecht 1, aus Sicht der Topologie („Theorie der Formen“) nicht zu unterscheiden sind, können sie als Riemannsche Flächen aufgefasst in eine sehr große Schar verschiedener Klassen unterteilt werden. In diesem Sinne „ungleiche“ Riemannsche Flächen können allgemein durch sogenannte Moduli unterschieden werden. Anschaulich sind Moduli Parameter, in etwa Zahlen, die ohne Doppelungen alle Riemannschen Flächen eines Geschlechts bis auf „holomorphe Äquivalenz“ auflisten. Alle Riemannschen Flächen mit ihren zugehörigen Moduli zu konstruieren, ist ein schwieriges mathematisches Problem. Untersuchungen der Stringwechselwirkungen liefern jedoch deutliche Hinweise darauf, dass die sogenannten world-sheets (dt.: „Weltblätter“) der wechselwirkenden Strings genau diese Konstruktion wiedergeben.[16] Bei world-sheets handelt es sich um Einbettungen von Strings in die Raumzeit.

Historisches zum Begriff

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Die Redeweise „holomorph in (einer offenen Menge) “ für „komplex differenzierbar in allen Punkten in “ hat sich in der deutschen Literatur erst in den letzten Jahrzehnten etabliert. Etwa noch bei Marvin Knopp war der Begriff „regulär“ bzw. „analytisch“ üblich. Letzterer wird jedoch in manchen Lehrbüchern bis heute konsequent verwendet, etwa bei Eberhard Freitag. Das Wort „holomorph“ wurde im Jahr 1875 von den Mathematikern Charles Briot und Jean-Claude Bouquet im Rahmen ihres Werkes „Théorie des fonctions elliptiques“ eingeführt.[17] Dabei handelt es sich um das erste Lehrbuch zur Funktionentheorie.[18] Allerdings tauchte „holomorph“ erst in der zweiten Auflage auf; in der ersten Auflage verwendeten sie noch die auf Cauchy zurückgehende Bezeichnung „synectisch“.[17]

Es werden durchweg folgende Bezeichnungen verwendet:

  • , , , und bezeichnen die natürlichen, ganzen, rationalen, reellen bzw. komplexen Zahlen. Zudem bedeutet die offene Einheitskreisscheibe.
  • Es bezeichnen bzw. den Real- bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl .
  • ist eine (nicht leere) offene Menge, speziell ist ein Gebiet und die offene Kreisscheibe um mit Radius .
  • Es bezeichnet den Ring der holomorphen Funktionen auf der offenen Menge .
  • Das Symbol bezeichnet den Rand der (offenen) Menge .
  • Das Symbol bezeichnet ein geschlossenes Integral, also ein Integral gebildet über eine geschlossene Kurve .
  • Es bezeichnet die -te (komplexe) Ableitung der (holomorphen) Funktion . In den Fällen , bzw. werden auch die Kurzschreibweisen bzw. benutzt.

Komplexe Differenzierbarkeit

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ℂ als topologischer Raum

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Die Euklidische Norm induziert auf den komplexen Zahlen eine Topologie. Analog wie in gilt für die Norm . Eine Menge heißt offen, wenn jeder Punkt innerer Punkt ist. Für jedes gibt es also ein , sodass die Kreisscheibe ganz in liegt. Es gilt also

Für die Definition der komplexen Differenzierbarkeit ist der Begriff der offenen Menge essentiell. Er stellt sicher, dass für jeden Punkt des Definitionsbereichs das Verhalten der Funktion in einer Umgebung dieses Punktes studiert werden kann.

Es sei eine offene Teilmenge der komplexen Ebene und ein Punkt dieser Teilmenge. Eine Funktion heißt komplex differenzierbar im Punkt , falls der Grenzwert

existiert. Man bezeichnet ihn dann als .[19] Bei dieser Definition ist zu beachten, dass der Limes eine Annäherung aus beliebiger Richtung in der komplexen Ebene darstellt. Äquivalent ist also, dass für jede komplexe Nullfolge , mit für alle , der Wert

existiert und das Ergebnis unabhängig von der gewählten Folge ist.

Zu bemerken ist, dass der Differentialquotient von allen Richtungen gebildet werden kann, da offen ist und somit um jeden Punkt aus eine umliegende Kreisscheibe auch noch in enthalten ist. Ist hinreichend klein, liegt also in , egal welches komplexe Argument besitzt.

Vergleich zur reellen Differenzierbarkeit und die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen

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Jede komplexwertige Funktion lässt sich in der Form schreiben. Dabei sind reellwertige Abbildungen. Man sagt, dass genau dann reell differenzierbar in einem Punkt ist, wenn

wobei die -Fehlerterme, siehe Landau-Symbol, für kleiner werdende gegen 0 gehen. Es gilt also[20]

für

Dabei handelt es sich bei um reelle Zahlen, die sich über die partiellen Ableitungen der Funktionen und bestimmen lassen. Präziser gesagt, bilden sie die sog. Jacobi-Matrix von als Abbildung von in sich selbst aufgefasst, via

Die reelle Differenzierbarkeit impliziert unter anderem, dass Differentialquotienten existieren, wenn separat die reellen Variablendifferenzen und in bzw. betrachtet werden. Die Richtungsableitungen können sich indes, je nach Gewichtung von und , unterscheiden.

Bei der komplexen Differenzierbarkeit liegt insbesondere reelle Differenzierbarkeit vor, allerdings kommt hinzu, dass die Richtungsableitungen alle identisch sein müssen. Es werden also die Komponenten und zu Gunsten einer zusammenfassenden Komponente „vergessen“. Es gilt im Falle komplexer Differenzierbarkeit an einer Stelle also

mit .

Die Körperstruktur von erlaubt es, diesen Sachverhalt nach gewohntem Rechenverfahren in die Gleichung

, wobei ,

umzuwandeln. Spaltet man dies nun rückwirkend in den reellen Fall auf, so ergibt sich mit und die Gleichheit:

.

Es folgt für die Jacobi-Matrix zwingend die Gleichheit

Dies impliziert

und

was den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen entspricht. Eine Funktion ist also genau dann komplex differenzierbar an einer Stelle , wenn sie dort reell stetig differenzierbar ist und zusätzlich die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllt.[21] Es ergibt sich daraus, dass die Funktion genau dann holomorph auf ist, wenn sowohl Realteil als auch Imaginärteil überall in stetig partiell differenzierbar sind und die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllen.

Bourbaki-Mitgründer Henri Cartan prägte die -Notation für Holomorphie

Die komplexe Differenzierbarkeit in einem einzelnen Punkt bietet noch nicht viel Struktur. Wichtig für die Funktionentheorie ist der Fall, wenn eine Funktion in ihrer Gänze komplex differenzierbar ist. Die Funktion heißt holomorph in , falls sie in jedem Punkt komplex differenzierbar ist.[22] Ist zudem sogar , so nennt man eine ganze Funktion.[23]

In der Fachliteratur werden die Begriffe holomorph und analytisch häufig synonym verwendet. Dies hat den keinesfalls trivialen Hintergrund, dass eine in holomorphe Funktion eine in analytische Funktion ist, und umgekehrt.[24]

Die Menge der auf einer offenen Menge holomorphen Funktionen wird in der Literatur häufig mit bezeichnet. Diese Schreibweise wird etwa seit 1952 von der französischen Schule um Henri Cartan vor allem in der Funktionentheorie mehrerer Veränderlicher verwendet. Aussagen, es handele sich bei um eine Ehrung des japanischen Mathematikers Oka Kiyoshi, oder eine Reflexion der französischen Aussprache des Wortes holomorph, sind unbestätigt. Vielmehr sei die Notation laut Reinhold Remmert „rein zufällig“, und es heißt in einem Brief von Cartan an Remmert vom 22. März aus dem Jahr 1982:

„Je m’étais simplement inspiré d’une notation utilisée par van der Waerden dans son classique traité ‘Moderne Algebra’“

„Ich habe mich einfach von einer Notation inspirieren lassen, die van der Waerden in seiner klassischen Abhandlung ‚Moderne Algebra‘ verwendet.“

Henri Cartan[17]

Ableitungsregeln

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Sind an einer Stelle komplex differenzierbar, so auch , und . Das gilt auch für , wenn keine Nullstelle von ist. Es gelten ferner Summen-, Produkt-, Quotienten- und Kettenregel.[25]

Winkel- und Orientierungstreue

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Eine komplexe Abbildung ist winkeltreu, wenn sie zwei sich in einem Punkt schneidende Geradenstücke auf wiederum zwei Geradenstücke abbildet, die sich im gleichen Winkel schneiden.[26] So sind etwa Drehungen winkeltreue Abbildungen. Nicht-lokalkonstante holomorphe Funktionen sind in, bis auf eine diskrete Teilmenge, allen Punkten ihres Definitionsbereichs winkeltreu. Es sind durch diese Eigenschaft im Wesentlichen sogar holomorphe Funktionen charakterisiert. Verlangt man zusätzlich noch Orientierungstreue, d. h., dass für die Funktionaldeterminante

in, bis auf eine diskrete Menge, allen Punkten positiv ist, so ist bereits holomorph.[27]

Die Winkeltreue holomorpher Funktionen in einem Punkt lässt sich zudem anhand ihrer Jacobi-Matrix an der entsprechenden Stelle erklären. Dazu muss bekannt sein, dass die Abbildung

nach Einschränkung ihrer Zielmenge auf ihr Bild einen Isomorphismus zwischen Körpern induziert. Wegen Eulers Formel gilt zudem für und die Relation

Eine komplexe Zahl kann demzufolge als lineare Abbildung gedeutet werden, nämlich als eine Drehstreckung, wie die rechte Form als Verkettung von Skalierung und Rotationsmatrix verdeutlicht.[28] Die Cauchy-Riemann-Gleichungen verlangen nichts anderes, als dass die Jacobi-Matrix von dieser Struktur sein soll, wobei dann mit gilt. Darin liegt die Verbindung zu konformen Abbildungen: Winkeltreue bedeutet schlicht, dass die Jacobi-Matrix eine nichtverschwindende Drehstreckung ist.[29]

In Punkten, in denen die Ableitung einer holomorphen Funktion verschwindet, liegt keine Winkeltreue vor, wie man am Beispiel der Funktion mit sieht. Im Nullpunkt werden die Winkel ver--facht.[30]

Analoga zur reellen Analysis

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Einige klassische Resultate der reellen Analysis besitzen Pendants im Komplexen.

Sei eine holomorphe Funktion auf einem konvexen Gebiet , und mit . Dann existieren[31]

so dass

und

Auf gewisse Weise lässt sich dies auf die komplexe Ebene ausweiten, wobei jedoch auf intervallförmige Strukturen verzichtet werden muss. Ist holomorph auf einer offenen Teilmenge und ein (innerer) Punkt, so existieren in jeder Umgebung ein Paar , so dass[32]

Damit garantiert ist, dass diese mit auf einer Geraden liegen, ist es im Allgemeinen hinreichend aber auch notwendig, dass eine konstante, lineare oder quadratische Funktion ist.

Sei eine holomorphe Funktion auf einem konvexen Gebiet , und mit , so dass . Dann existieren[31]

so dass

Regel von L’Hospital

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Seien holomorphe Funktionen sowie und und , sowie mit einem . Dann gilt[33]

Integrationstheorie

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